The Order 1886

Werwölfe, Vampire und edle Rittersleut: Sonys PS4-exklusives Action-Aufgebot "The Order 1886" bietet wenig Interaktion und noch weniger Spielzeit.  Trotzdem ist es weit mehr als nur ein spielbare Effekt- und Perfomance-Demo für die Grafikmuskeln der neuen PlayStation. elektrospieler analysiert die Anti-Lykaner-Schlacht. 

PS4

von Sony Santa Monica und…

… Ready at Dawn

für einen Spieler

für Einsteiger, Fortgeschrittene und Profis


im Handel

ca. 70 Euro



Das Front-Trio des Spiels: Held Galahad (vorne), seine Ex-Azubine Igraine und Charme-Bolzen Maquis de Lafayette (hinten).  



 

Werwölfe, Vampire und Gralsritter: Die beiden "God of War"-Studios Sony Santa Monica und Ready at Dawn mixen Elemente aus Monster- und Ritter-Genre, um sie anschließend ins spätviktorianische London zu verfrachten und mit einer gehörigen Dosis Jules Verne zu versetzen. Hier laufen, hechten und kriechen bekannte Mitglieder aus König Arthus legendärer Tafelrutte durch den Schmutz, um im Dienste des 'Ordens' beißwütige 'Lykaner' aus den Fellsöckchen zu pusten – unter den Helden prominente Sagengestalten wie Parzival oder das Spieler-Alter-Ego Galahad. Zusammen mit ihrem Kollegen Lafayette und der ebenfalls vom Artus-Mythos inspirierten Igraine wollen die wackeren Rittersleute die Hintergründe einer Rebellion aus Menschen und Halbblütern aufdecken. Die droht nicht nur das britische Empire ins Wanken zu bringen, obendrein gerät ausgerechnet die berühmte Westindien-Company ins Fadenkreuz der pelzigen Revoluzzer. Oder verbirgt die Handelsgesellschaft ein furchtbare Geheimnis?

 

Die beiden Sony-Studios inszenieren den skurrilen Trash-Movie-Plot als atmosphärisches Schwergewicht: Die Kombination aus spannend gefilmten Story-Sequenzen,  Quicktime-Knöpfchendrücken und konventionellem Deckungs-Shootout wirkt wie  eine Mixtur aus "Heavy Rain" und "Gears of War" – auch vereinzelte Schleich-Einlagen mit obligatorischen Hinterrücks-Erdolchungen stehen hin und wieder auf der Action-Agenda. Zur Auflockerung gibt's außerdem vereinzelte Geschicklichkeitstests, die auf den Apparaturen von Profi-Tüftler Nikola Tesla basieren: Der bekannte Widersacher von Thomas Edison hat nicht nur den Wechselstrom erfunden – obendrein fummelt er im Keller des Ordens an den Waffen und hochmodernen Apparaturen, die Galahad und seine ritterlichen Kollegen für den Kampf gegen die Werwesen benötigen. Kurzum: Der geniale Ingenieur und Physiker ist das Ordens-Pedant zu Bond-Waffenmeister Q. Als solcher hat Tesla neben einer portablen Apparatur zum Sprengen von Stromnetzen z.B. eine archaisch gestaltete Superwumme erfunden, mit der Galahad & Co. Spinnennetz-artige Plasmafäden auf die Feinde schießén. Anschließend wird die klebrige Masse mit einem Funkend entzündet und in die Luft gejagt. Ein anderes von Nicolas Wunderwerken wiederum versprüht blau glühende Blitze aus einem massiven Trichter – ein Elektro-Angriff, der besonders für den Kampf gegen solche Feinde geeignet ist, die ihre edelsten Teile mit einer Projektil-resistenten Rüstung schützen.

 

Knöpfchendrücken nach Quicktime-Art gehört ebenfalls zum Regelwerk, hält sich allerdings in Grenzen. In den meisten Fällen beschränken sich die Reaktions-Spielchen auf wenige Button-Betätigungen oder das Anvisieren eines Hot-Spots.




Die meiste Zeit über mutet uns "The Order 1886" zugunsten der cineastischen Struktur einen empfindlichen Kontrollverlust zu, doch eine eindrucksvolle Errungeschaft darf es sich trotzdem auf die Fahne schreiben: Die raffinierte Inszenierung der lykanthropischen Jagd durch's nebelverhangene London lässt uns zum ersten Mal wahrhaftig erleben, wie es sich anfühlt, in einem Film mitzuspielen – denn die audiosvisuelle Qualität des ritterlichen Action-Aufgebots lässt soch manchen computeranimierten Animations-Film hinter sich. Bei so viel grafischem Zuckerguss werden selbst scheinbar banale Aktionen wie die Untersuchung eines Hinterzimmers oder einer Lagerhalle zum Ereignis. Und genießen wir die Betrachtung einer Schreibtischfunzel oder Schreibmatschine genauso wie die eines geifernden, hechelnden, knurrenden Werwolfs. "The Order" lehrt uns wieder Demut vor dem Wert des grafischen Details: Sich hier das Modell eines Segelschiffs in einer Vitrine anzusehen, das ist fast so, als würde man das nautische Exponat im echten Leben betrachten. Und wird der schützende Glaskasten dann im anschließenden Feuergefecht zerschossen, dann wirkt die Zerstörung so echt, dass man die Splitter förmlich im Gesicht spürt.

 

Schade nur, dass einige unschöne Details die Illusion immer wieder zerstören: Dazu zählen die saudämlichen Sprüche der Ritter beim Schusswechsel – aber auch einige logische Schnitzer reißen uns immer wieder aus der Inszenierungs-Trance. Darunter z.B. ein Sir Galahad, der beim falschen Schritt in einer streng gescripteten Schleichsequenz von einem einzigen Pistolenschuss niedergestreckt wird – und das, obwohl er sich im Kampf davor dutzende Kugeln eingefangen und mit einem Schulterzucken ignoriert hat. Derlei Logik-Löcher sind zwar dem spielerischen Regelwerk geschuldet und verschmerzbar – doch gerade bei einem Titel dieser Größenordnung zeigen sie auf schmerzliche Weise, dass sich filmische Ausführung und Gameplay nach wie vor nicht besonders gut miteinander vertragen. Wann immer das Spielgerüst durchblitzt, wird der Film unglaubwürdig – und sobald der Film wieder dominant wird, fühlt sich das Spiel zu eingeschränkt an. So wartet das Spiel in manchen Momenten beharrlich darauf, dass wir für den Übergang in den nächsten Level-Abschnitt an einer vorbestimmte Stelle eine ganz bestimmte Handlung vollziehen – und liegen wir dabei nur ein bisschen daneben, dann weigert sich "The Order 1886" strikt, den Szenenwechsel zu vollziehen. Entscheidungsfreiheit sieht anders aus. 

 


 

Wer zugunsten einer gelungenen filmischen Präsentation mit der derlei Einschränkungen leben kann, der muss sich obendrein noch mit dem Gedanken anfreunden, dass der Spaß nach höchstens acht Stunden vorbei ist. Trotzdem können wir die Werwolf-Hatz jedem Freund furios präsentierter Action-Spektakel ans Herz legen: Auf den ersten Blick scheint "The Order" für PS4-Besitzer den Job zu erfüllen, den auf der XBox One Cryteks "RYSE" übernommen hat – den der spielbaren Grafikdemo, die einen ersten Blick auf das technische Potential der neuen Hardware-Generation erlaubt. Doch wo das Römer-Geschnetzelte aus Deutschland laut, aggressiv und inhaltlich platt ist wie ein Effekt-Blockbuster á la Michaeal Bay, da schlägt "The Order" vergleichsweise ruhige Töne an und zeichnet seine Charaktere deutlich feiner als es Crytek bei seiner Rache-Maschine Marius hinbekommen hat. Das Ergebnis ist eine verführerische Mixtur aus Action und Interactive Movie, der es zwar an Bonus-Inhalten, Ingame-Tokens und Extra-Modi fehlt, bei der man aber trotzdem gerne Wiederholungstäter wird – und sei es nur, um das bombastische Aufgebot noch einmal zu erleben. Ganz klar ein Spiel für verspielte Heim-Cineasten und Atmosphären-Genießer, denen Inszenierung und Stimmung wichtiger sind als der sonst übliche Content-Overkill.

 


8.0

gut

Grafik: sehr gut

Sound: sehr gut

Steuerung: gut

Spielspaß: gut




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