Klotz-Keile unter Tage: Minecraft Dungeons


 

Punkte statt Ressourcen jagen, kloppen statt konstruieren und gemeinsam austeilen statt zusammen aufbauen: Mit "Minecraft Dungeons" lassen Mojang und Microsoft virtuelle Architekten im Pixelregen stehen, während Action-Rollenspieler frohlocken. Das Klotzkopf-Abenteuer ist mehr "Diablo" als "Minecraft".

 

KRITIK • PC, Xbox One, PS4, Switch • Keine kreative Spielwiese wie das Original-Game, sondern ein lose im "Minecraft"-Kosmos angesiedeltes Rollenspiel-Abenteuer ist Mojangs "Minecraft Dungeons": Dafür orientiert sich das Action-geladene Gehacke an Blizzards Action-RPG "Diablo 3", doch anders als das große Genre-Vorbild hält sich "Dungeons" vor allem an die jüngere Gamer-Zielgruppe. Während Mama und Papa seit über zehn Jahren mithilfe des ursprünglichen "Minecraft"-Spiels ganze Klotz-Kosmen aus dem digitalen Boden gestampft haben, zieht ihr Nachwuchs jetzt mit "Minecraft Dungeons" auf schlichte, aber auch knuffig gestaltete Abenteuer aus. Hier vermöbelt er - wahlweise alleine oder als Helden-Quartett - vor der gewohnt "kastigen" Kulisse mit Schwert, Axt und Streithammer kastige Kreaturen wie Creeper, Skelette oder Illager.

Abgesehen von der Retro-gepolten Anmutung und dem bekannten Bestiarium aus monströsen Klotz-Köpfen hat "Dungeons" mit dem Original-"Minecraft" aber nur noch wenig zu tun: Das wurde ursprünglich erschaffen, um die Regie über das Spielgeschehen dem Gamer zu übergeben. Statt Entwickler-seitig vorgegebener Action-Einbahnstraße steht hier der Schaffensprozess des Spielers im Mittelpunkt. Es wird nicht geballert oder gekeilt, sondern gebaut - von schlichten Klotz-Behausungen zum Schutz gegen Wind, Wetter und Monster bis hin zu künstlerisch wertvollen Großprojekten wie einem aus Kästen aufgeschichteten Nachbau von Tolkiens Fantasy-Welt Mittelerde. Auf derartigen Mammut-Baustellen tummeln sich oft dutzende oder sogar hunderte von bastelwütigen "Minecraft"-Architekten, die Jahr für Jahr tausende Stunden Freizeit aufbringen, um ihre Vision zu verwirklichen und begehbare Parallelwelten zu erschaffen.

 



 

In "Dungeons" dagegen wird gekloppt, gekeilt und mit dem Pixel-Bogen geschossen, aber wer sich kreativ betätigen will, ist an der falschen Adresse. Eigentlich erscheint die Kombination von Action-RPG und kreativer Spielwiese einleuchtend - zum Beispiel, damit Helden ihre eigene Basis oder ein kleines Dorf errichten und verschönern können, um es anschließend gegen die anrückenden Horden zu verteidigen. Oder für den Abbau von Ressourcen, um sie anschließend in den Rüstungskreislauf des Spiels zu überführen. Aber Pustekuchen: Microsoft und Mojang bemühen lediglich das visuelle Korsett der Vorlage, das sie außerdem durch moderne Effekte, eine aufwendige Beleuchtung und flüssige Animationen aufpeppen - aber die Spielmechanismen des seit elf Jahren erfolgreichen Hits nutzen sie nicht.

Eine Entscheidung, die nachvollziehbarer wäre, würde man sich stattdessen darum bemühen, aus "Minecraft Dungeons" ein ernstzunehmendes Action-Rollenspiel zu machen. Doch auch an dieser Stelle bleibt das Gewusel hinter seinen Möglichkeiten zurück: Oftmals geradlinige Missionen von überschaubarer Komplexität und bestenfalls oberflächliche Möglichkeiten zum Feintuning der eigenen Spielfigur lassen kaum Zweifel daran, dass "Minecraft Dungeons" vor allem als Zwischendurch-Snack und unkomplizierte Nachwuchs-Bespaßung gedacht ist. So gibt es weder hoch aufgeschossene Fertigkeiten-Bäume noch verschiedene Charakterklassen, außerdem sind viele Ausrüstungs- und Accessoire-Entscheidungen im Spiel vor allem kosmetischer Natur.

Dass "Dungeons" - aller Kritik zum Trotz - außer dem Sohnemann auch dem Papa Spaß machen kann, ist in erster Linie seinem  rustikalen Charme zu verdanken: Sich ohne große planerische Finesse einfach so ein Action-RPG stürzen zu dürfen, das außerdem angenehm flott von der Hand geht - das ist tatsächlich etwas, das es während der letzten Jahre viel zu selten gab. An dieser Stelle kann "Dungeons" richtig punkten - vorausgesetzt, man stört sich nicht an der 8Bit-inspirierten Kasten-Grafik - die ist nicht jedermanns Sache. Dann entfaltet "Minecraft Dungeons" für zumindest ein oder zwei Wochenenden eine fast "Diablo"-ähnliche Suchtwirkung: Die Gier nach mehr Beute und leicht-beschwingte Monster-Dresche spielen sich so lange gegenseitig hoch, bis der Abenteurer im Adrenalin- und Punkte-Sog gefangen ist - und zwar so lange, bis das letzte heimtückische Monster in Würfel zerplatzt. Und das ist für gerade mal 20 Euro ein beachtliches Ergebnis - und zwar auf PC, PS4, Xbox One und Nintendo Switch.

 

Note: 7.0 (GUT)

 

 


WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend