Unfertig, schräg, und trotzdem gut: Erste Begegnung mit "We Happy Few"

 

Szenaristisch irgendwo zwischen Kubricks "Uhrwerk Orange" und "Equilibrium", visuell zwischen den bunten Kulissen von "Dishonored" und dem Grusel-Look von "Bioshock" verortet, ist "We Happy Few" schon jetzt einen genauen Blick wert – und das, obwohl der dystopische Adventure-Schwank gerade erst ins "Early Access"-Stadium gestartet ist. Was Entwickler Cumpulsion hier serviert, das ist nicht weniger als der lobenswerte Versuch, eine anspruchsvolle und System-kritische Erzählung mit Open-World-Ansatz und Survival-Elementen zu kreuzen: Der Schauplatz "Wellington Wells" ist einer alternativen Zeitlinie der britischen Geschichte angesiedelt und geht davon aus, dass die Insel während der 60er-Jahre beinahe von den Kommunisten eingenommen wurde. Dafür musste man ein geheimnisvolles Übel in Kauf nehmen – und mit dem sind die Briten offenbar so schlecht klar gekommen, dass sie sich nur noch durch Drogen-Einsatz aufrecht halten können. Wer brav seine "Joy"-Pillen einwirft, für den ist Wellington Wells ein bunter, plüschiger Quell der Glückseligkeit – wer sie aber wie der Spieler absetzt, für den verwandelt sich das vermeintliche "Pleasantville" in einen alptraumhaften Ort voller heruntergekommener Bruchbuden und durchgedrehter Gewalttäter, in dem sich zum Beispiel eine leckere Pinata als totgeprügelte und ausgeweidete Ratte herausstellt. Kurzum: Ziemlich unappetitlich. Doch um dem falschen Paradies zu entkommen, muss der Spieler erst geduldigt an seinen Surival-Talenten arbeiten und jede Menge schräge Missionen erledigen. Die sehen übrigens bei jedem Neustart des Spiels ein bisschen anders aus, denn Wellington Wells und Umgebung werden prozedural, also nach dem Zufallsprinzip gestaltet – wer will, der darf außerdem ein "Permadeath"-Feature zuschalten. Und das hat es in sich – denn Nahrung, Flüssigkeit und gemütliche Schlafplätzchen sind Mangelware, und die Survival-Mechanismen des Abenteuers sind gnadenlos.

 

Die mit dem Early-Access-Zugang gelieferte Pre-Alpha-Version zeigt bereits das Potential des Spiels, ist allerdings reichlich unfertig: Einen echten Story-Modus gibt es noch nicht, stattdessen erforscht der Spieler eine offene Spielwelt, die bisher keinerlei Missions-Marker für ihre Übersichtskarte oder eine Erklärung für ihr Crafting-System liefert. Obendrein ruckeln, zuckeln und zappeln die Bewohner von Wellington Wells noch mehr als dass sie sich natürlich bewegen. Immerhin: Der Schauplatz selber sieht schon jetzt großartig aus – wenn "Bioshock" mit einem Schuss "Fable" und 60er-Jahre-Popculture ins ureigenste Geschmackspektrum passt, dann wird man mit dem ungewöhnlichen Open-World-Abenteuer schon jetzt "happy". Wer die Entwicklung des Titels unterstützen möchte, der lässt sich den Spaß die 30 Euro kosten – andernfalls ist "Abwarten und im Auge behalten" angesagt, denn das fertige Spiel erscheint erst in sechs bis zwölf Monaten.