Die große Endgegner-Schau: "Cuphead"


 

Spiele mit Retro-Schlagseite setzen für gewöhnlich auf Pixel-Grafik im 8Bit- oder 16Bit-Stil - doch die beiden Animations-Spezialisten Chad und Jared Moldenhauer setzen auf ein anderes Konzept: Ihr Retro-Shooter "Cuphead" fährt Level-Schlachten im Look alter Cartoon-Filme auf, um Erinnerungen an vergangene Tage zu beschwören. Das Ergebnis ist ein strapaziöser Endgegner-Marathon, der sich vor allem an Profi-Gamer richtet.

Nach einem Besuch im Teufels-Kasino haben die beiden Tassen-köpfigen Brüder Cuphead und Mugman ein echtes Problem: Weil sie sich beim Würfelspiel gegen Beelzebub höchstpersönlich verzockt haben, müssen sie innerhalb von 48 Stunden die Seelen von allerlei Endgegnern eintreiben - sonst fahren sie selber zur Hölle! Also spazieren entweder beide Geschirr-Köpfe (Zweispieler-Modus) oder eine einzige trübe Tasse über eine Weltkarte nach "Super Mario"-Vorbild, um dort Level für Level und Boss für Boss abzuarbeiten: In "Run & Gun"-Abschnitten wird nach dem Vorbild alter Shooter-Games aus allen Rohren gefeuert, in vereinzelten Jump'n'Run-Passagen gehupft und heranrollenden Hindernissen ausgewichen. Sinn und Zweck der Tortur: So viele Gold-Täfelchen wie möglich einsammeln, um sie nach der Rückkehr auf die Weltkarte gegen stärkere Waffen oder eine Erweiterung der persönlichen Energie-Anzeige einzutauschen.



 

Die Upgrades sind auch bitter nötig, denn die Boss-Kämpfe gegen die Teufels-Schuldner sind allesamt höllisch schwer: Kerne verschießende Riesen-Sonnenblumen, hüpfende Kartoffeln, Springteufel, Mega-Spechte und riesige Meeres-Medusen eröffnen das jeweilige Endgegner-Gefecht zwar verhältnismäßig zahm, steigern sich im Verlaufe des Kampfes aber zu mutierenden und gnadenlosen Bestien, die selbst gestandenen Gamepad-Akrobaten Tränen in die Augen treiben. Ein vor der jeweiligen Begegnung anwählbarer "leichter" Schwierigkeitsgrad fungiert dabei nur als Fingerübung - wer "Cuphead" durchspielen und seinen schießwütigen Helden den Teufel vom Porzellan-Hals halten will, der muss die Schlachten auch auf "Normal" durchleiden.

Die im Look von 30er-Jahre-Trickfilmen gehaltene Optik (stilechte Bildstörungen und -verunreinigungen inklusive), wunderschöne Animationen und ausgefeilte Bewegungs-Muster halten Retro-Fans zwar treffsicher bei Laune - dafür mangelt es der liebevoll präsentierten Obermotz-Schau an einer echten Spannungskurve. ENDgegner funktionieren in solchen Spielen als echter Höhepunkt, in denen ihnen zuvor ein kompletter Level vorausgeht. Weil der in "Cuphead" leider komplett fehlt, verliert das Bildschirm-Inferno hier schnell an Reiz - aller inszenatorischen Qualitäten zum Trotz. In der 8Bit- und 16Bit-Zeit verwurzelte Trickfilm-Fans werden "Cuphead" für seine tollen Animationen, Referenzen und einen wundervollen verjazz'ten Soundtrack lieben. Wer aber in erster Linie ein gekonnt ausbalanciertes Spiel erleben möchte, der wird dem frustrierend schweren und Höhepunkt-freien Boss-Dauerkampf wenig abgewinnen können.

Wissenswertes am Rande: In der Spiele-Presse hat "Cuphead" eine Diskussion darüber ausgelöst, über welchen Grad an spielerischer Kompetenz Games-Redakteure eigentlich verfügen müssen, bevor sie Spiele "testen" dürfen. Auslöser war das Youtube-Videos eines Redakteurs, der "Cuphead" auf der diesjährigen Gamescom ausprobierte und sich dabei so offenkundig ungeschickt anstellte, dass ihm viele Gamer Unglaubwürdigkeit unterstellten.