Von "GRIS" bis "Monster Boy": Diese Indie-Games lassen das Spielejahr spektakulär ausklingen

Ob laut und Action-geladen oder leise und kunstvoll-besinnlich: Independent-Games gab es dieses Jahr brereits für jeden Geschmack, aber die größten Highlights haben sich auch die kleinen Games-Studios für die (Vor-)Weihnachtszeit aufgehoben. Nomada und Devolver Digital haben mit ihrem Trickfilm-reifen Jump'n'Run "GRIS" einen Hit mit Kult-Potenzial gelandet, inzwischen hat das französische Studio Game Atelier mit "Monster Boy and the Cursed Kingdom" einen geistigen Nachfolger zur "Wonder Boy"-Reihe geliefert. Ebenfalls beachtlich: Capybara konnte nach fünf langen Jahren endlich die Arbeiten an seinem Dungeon-Abenteuer "Below" beenden. Ob es den Erwartungen entspricht, wird weiter unten verraten.

Dass Indie-Games inzwischen weit mehr sind als schlichte Pausenfüller, konnte man auch auf den diesjährigen Game-Awards beobachten. Die meisten der vorderen Plätze wurden 2018 von Independent-Titeln belegt, selbst in der begehrten Grafik-Kategorie hat ein Kleinst-Entwickler gewonnen: "Papers, Please"-Macher Lucas Pope hat mit "Return of the Obra Dinn" Millionen-Schwergewichte wie "Red Dead Redemption 2" oder "God of War" geschlagen. Auch auf der Bühne waren die Indie-Stars prominent vertreten, um für Games, verspielte Kunst und Themen wie die Gleichberechtigung von Spiele-Heldinnen oder Transgender-Entwicklern zu kämpfen. Allesamt Themen also, an denen sich große Studios und Hersteller nicht die Finger verbrennen wollen.

Kurzum: Indie-Games machen Meinung, machen Kultur und geben immer häufiger den Kreativ-Ton an. Aber vor allem machen sie jede Menge Laune. Und eignen sich diese Games perfekt dafür, um das Spiele-Jahr 2018 besinnlich bis spaßig ausklingen zu lassen!

 


Das spielbare Musikvideo: GRIS

 

Trickfilmreife Games-Kunst wie aus einem psychedelischen Musikvideo bietet der Überraschungshit des Spielejahres 2018: "GRIS" von Nomada spielt sich wie die Jump'n'Run-Antwort auf den durch Sony gesponserten Mini-Hit "Journey". Zur Erinnerung: Das meditative Ausnahme-Spiel hat 2012 maßgeblich dazu beigetragen, die seitdem anhaltende Indie-Wellte ins Rollen zu bringen. "GRIS" ist weitgehend geradlinig, bietet nur behutsam eingestreute Puzzles sowie Geschicklichkeitstests und ist vorwiegend um audiovisuelle Berieselung bemüht. Doch weil jede Form von Interaktion immer zum genau richtigen Zeitpunkt passiert und auf clevere Weise die Immersion steigert, ist "GRIS" packend von der ersten bis zur letzten Minute. Ganz klar ein unvergessliches Erlebnis, das unter die Haut geht. Die Deutung der sich vorwiegend durch Emotionen entfaltenden Geschichte obliegt allerdings dem Spieler selber: "GRIS" stellt eine Menge Frage, ohne sie eindeutig zu beantworten.


Der Wiedergänger: Monster Boy and the Cursed Kingdom

 

Durch einen fast schon schicksalhaft wirkenden Zufall veröffentlicht der französische Entwickler Lizardcube 2017 ein liebevolles Remake des 8-Bit-Oldtimers "Wonder Boy 3: The Dragon's Trap", während ein paar Straßen weiter bei Game Atelier der geistige Nachfolger geschmiedet wird. Mit nur etwa 28 Jahren Verspätung. "Monster Boy and the Cursed Kingdom" entsteht in Zusammenarbeit mit dem einstigen "Wonder Boy"-Mastermind Ryuichi Nishizawa - und wie beim großen Vorbild stehen tierische Mutationen des kleinen Jump'n'Run-Helden im Vordergrund. Während der schwertschwingende Dreikäsehoch durch bunte Comic-Kosmen turnt, verwandelt er sich in Schwein, Drache, Frosch oder Löwe - wobei jede Form mit ihren eigenen Spezialfähigkeiten kommt, die für das Lüften spezieller Rätsel benötigt wird. Hartnäckige Feinde und knackige Puzzles machen das mit Rollenspiel-Elementen durchsetzte "Monster Boy" zum Tummeplatz für Retro-Profis, aber dank knuffiger Zeichentrick-Grafik kommen auch Genre-Neulinge auf ihre Kosten. Vorausgesetzt, sie bringen die nötige Geduld und Leidensfähigkeit mit.


Der große Abstieg: Below

 

Fast fünf Jahre ist es her, dass "Superbrothers"-Entwickler Capybara sein Dungeon-Abenteuer "Below" zum ersten Mal auf Microsofts E3-Pressekonferenz der Öffentlichkeit präsentierte. Doch seitdem hat das Action-Rollenspiel so viele Änderungen durchlaufen, dass von dem ursprünglichen Design-Konzept vermutlich nur noch wenig übrig ist. Auch von der ehemals angekündigten, "lebensverändernden Erfahrung" am Zielpunkt des Abenteuers ist mittlerweile keine Rede mehr. Trotzdem gehört das fertige "Below" zu den besten Action-Rollenspielen seit Jahren: Die nach dem Zufallsprinzip generierten Verliese wirken im Angesicht der winzigen Heldenfigur finster und einschüchternd, Soundtrack und grafischer Stil unterstreichen die drückende Atmosphäre. Sobald der Held stirbt, wird er von einem neuen Charakter ersetzt, Extraleben oder Continues gibt's keine. Allerdings profitiert der Neuankömmling vom Fortschritt des Vorgängers, weil er direkt zu dessen letztem Lagerfeuer teleportieren und seine Hinterlassenschaft aufsammeln darf.


Open-World-Gefecht mit "Dark Souls"-DNA: Ashen

 

Wer bei "Ashen" das Zeitliche segnet, wird direkt zum letzten aktivierten Rücksetzpunkt strafversetzt und muss alle seitdem erledigten Feinde noch einmal ummähen, auch die Barschaft ist erstmal dahin. Lange überleben kann hier nur, wer die Angriffsmuster der Feinde penibel studiert und sich selber tief ins schweißtreibende Kampfspiel-Gameplay hinein wurschtelt. Wer die Spiele des japanischen Entwicklers From Software liebt, der schätzt dieses Spielkonzept. Alle anderen sollten einen großen Bogen um "Ashen" machen, das sich als zwar gelungener, aber auch nicht sonderlich innovativer "Dark Souls"-Nutznießer präsentiert. Der reduzierte Grafikstil, eine offene Spielwelt und ein gelungener Koop-Modus verleihen "Ashen" eine individuelle Note, aber seine Wurzeln kann und will das bockschwere Fantasy-Gemetzel nicht verleugnen. Rollenspiel-Beiwerk wie Erfahrungspunkte oder Stufen gibt es übrigens nicht: Hier wird nur stärker, wer regelmäßig eine Menge Geld in die Verbesserung seiner Ausrüstung steckt.


Auf den Spuren von "Ghouls'n'Ghosts": Battle Princes Madelyn

 

Das Töchterlein des Chef-Entwicklers sieht seinem Vater gerne dabei zu, wie er Capcoms Arcade- und Konsolen-Klassiker "Ghouls 'n Ghosts" spielt. Darum entschließt sich Papa kurzerhand dazu, Tochter Madelyn zur Heldin ihres eigenen "Ghouls 'n Ghosts"-Spiels zu machen: Wie Vorbild Arthur startet "Battle Princess Madelyn" jede Partie in voller Rüstung, doch nach einem Treffer durch Zombies, Skelette oder andere Gruselgestalten steht sie nur noch in Unterwäsche da. Wer das in gelungenem Pixel-Chic gehaltene Jump'n'Run-Abenteuer im Arcade-Modus durchleidet, wird dabei ähnlich oft ins Friedhofsgras beißen wie beim Original, im Story-Modus dagegen geht es dank unendlicher Leben vergleichsweise entspannt zu. Mit einem Sammelsurium aus Boss-Kolossen und verschiedenen Szenarien erleben die niedliche Madelyn und ihr Geister-Schoßhund eine launige Rundreise durch den gesamten 16-Bit-Pixelkosmos. Super-NES-Oldies wie "ActRaiser 2" werden dabei ebenso zitiert wie Mega-Drive-Klassiker à la "World of Illusion" oder verschiedene "Castlevania"-Episoden. Das funktioniert zwar nicht überall gleich gut, doch die liebevolle Präsentation und ein schmissiger Synthie-Soundtrack machen die knuffige "Battle Princess" zum Retronauten-Pflichtzock.


Survival-Modus in der Wildnis von Kanada: The Long Dark

 

Wer sich darüber ärgert, dass bei ihm feiertags kein Schnee liegt, der greift zu Hinterlands "The Long Dark", denn bei dem in der kanadischen Wildnis angesiedelten Survival-Abenteuer bekommt er davon eine Überdosis. Inklusive hungriger Wölfe und Bären, die zwar als Ressourcen-Quelle genutzt werden können, ihren Pelz aber nur teuer verkaufen. Oder den Spieler kurzerhand selber anknabbern, wenn er bei der Jagd daneben schießt. Die ersten spielbaren Early-Access-Versionen zu dem langlebigen Indie-Hit gibt es seit fast sechs Jahren, aber wirklich fertig geworden ist "The Long Dark" gerade erst: Neu ergänzte Spiel-Elemente und Missionen erzählen eine tragische Geschichte voller Gefühl und Verlust, die den Überlebenskampf in einer postapokalyptischen und verschneiten Landschaft inzwischen aus einem neuen Blickwinkel erscheinen lassen. Auch der Einstieg in die komplexen Spielmechanismen fällt inzwischen etwas leichter, trotzdem ist the "The Long Dark" in erster Linie ein Spiel für Tüftler. Wer allerdings die nötige Geduld mitbringt, der wird sich dem Sog des Überlebenskampfes kaum noch entziehen können.