Mit der Wirbelsäule durchs Auge: Mortal Kombat 11


 

Als 1992 das erste "Mortal Kombat" zuerst in die Spielhallen und wenig später auf 16-Bit-Konsolen kam, befeuerte es die Debatte um die Gewaltdarstellung in Spielen. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden Kämpfer handgepixelt - wie die aus Capcoms "Street Fighter 2". Für "Mortal Kombat" dagegen zaubert Midway digitalisierte Darsteller auf die Mattscheibe, die sich blutige Handkanten-Schlachten liefern und in ultra-brutalen "Fatality"-Manövern die Köpfe vom Rumpf trennen oder sich gegenseitig die Wirbelsäulen rausreißen. Resultat des Gemetzels: "Mortal Kombat" wird indiziert, später sogar beschlagnahmt - das heißt, selbst der Besitz der Cartridge ist strafbar.

27 Jahre später ist die Gewalt-Diskussion zwar noch immer nicht vom Tisch, wird aber zumindest deutlich entspannter geführt. "Mortal Kombat" zu besitzen, ist kein Verbrechen mehr - und die Serie wird inzwischen als das akzeptiert, was sie von Anfang an war: eine gesalzene Ladung Bildschirm-Trash, der schon alleine durch seine aberwitzig-brutale Überzeichnung für gute Laune sorgt. Da macht auch der jüngste Teil des traditionsreichen Massakers keine Ausnahme: Wenn Ninja Scorpion seinen Feinden bei einem Fatality den Enterhaken durchs Gehirn treibt, die derart Verhackstückelten aber trotzdem weiterhin unversehrt durch die Arena (und ihr eigenes Pixelblut) tänzeln, dann ist klar, wohin die Reise geht: "Mortal Kombat" kann man ungefähr so ernst nehmen wie einen Ringkampf zwischen Teletubbies.

So verwundert es kaum, dass sich Teil 11 atmosphärisch in erster Linie an Plastik-Kino wie "G.I. Joe" orientiert und kaum die Sorte epischer Wirkung entfaltet, die man hinter der dick aufgetragenen Geschichte vermuten möchte: Die Zeit-Göttin Kronika ist mit dem Verlauf der letzten "Mortal Kombat"-Turniere und dem Sieg der guten Jungs nicht einverstanden. Darum nimmt sie den für die Menschheit kämpfenden Donnergott Raiden kurzerhand aus dem Spiel und lässt die Gegenwart mit der Serien-Vergangenheit kollidieren. Der Spieler erlebt den Zeit-Salat als eine Art "Best of" der gesamten "Mortal Kombat"-Reihe und trifft dabei ebenso auf aktuelle Helden wie auf solche Charaktere, die Entwickler-Studio NetherRealm schon vor Jahren aus der Arena gekickt hat.

 



 

Um sein blutiges Absurditäten-Kabinett in ein filmisch aufbereitetes Gewand zu kleiden, wiederholt der Entwickler seine bereits bei den "Injustice"-Keilereien bemühte Inszenierungs-Strategie: Wie die DC-Superhelden marschieren und metzeln auch die "Mortal Kombat"-Kämpfer durch einen in Echtzeit berechneten und verblüffend opulenten 3D-Film. Den Controller darf der Spieler erst dann in die Hand nehmen, wenn es schließlich zum Konflikt kommt: Dann schlüpft man mal in die eine, mal in die andere Figur und wechselt das Geschehen von der Film- nahtlos in die Kampfspiel-typische Seiten-Perspektive. Ein verblüffender Effekt, der die Gefechte organisch in die Story integriert.

Spielerisch gibt sich die Klopperei dagegen betont altmodisch: Wie bei "Street Fighter" wird von links nach rechts und zurück gekloppt, während der Spieler entweder per Button-Eingabe simple Hiebe und Kicks oder komplexe Kombinations- sowie Spezial-Manöver abruft. Im Vergleich zu Capcoms Straßenkämpfern geben sich die "Mortal Kombat"-Duellanten seit jeher deutlich kantiger und steifer - aber Serien-Freunde sind das gewöhnt und kompensieren den Mangel an Beweglichkeit durch clevere Taktik und Kenntnis des umfangreichen "Aufs Maul"-Regelwerks. Oder anders ausgedrückt: Auch "Mortal Kombat 11" ist nichts für Einsteiger.

Wer die cineastisch aufbereite Story bereits abgeschlossen und sich ausgiebig im Multiplayer-Turnier ausgetobt hat, wagt sich an die Türme: Arbeitet man die Unterwelt-Gebäude Etage für Etage ab, kann man dabei den Handkanten-Helden seiner Wahl aufrüsten - allerdings muss man dafür eventuell auf solche Extras zurückgreifen, die man nur im Echtgeld-Shop des Spiels bekommt. In aktuellen Updates reagiert Entwickler NetherRealm auf die Kritik der Fans, um die "Pay to Win"-Mechanismen von "Mortal Kombat 11" drastisch zu entschärfen. Wen dieses kleine Manko nicht stört und wer sich mit der irgendwie liebenswert trashigen Splatter-Movie-Machart der Klopperei anfreunden kann, stürzt sich hier gerne in den Ring.

 

Note: 8.0 (GUT)

 

 



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