Toxisches Arbeitsklima und sexuelle Belästigung: Ubisoft entlässt wichtige Top-Manager


 

NEWS • Seit Jahrzehnten gehörte Serge Hascoët zu den wichtigsten und bekanntesten Gesichtern des französischen Spiele-Herstellers Ubisoft, zuletzt war er nach Firmen-Chef Yves Guillemot die Nummer zwei in der Konzern-Hierarchie: Kein Spiel-Konzept, das dem als extrem streng geltenden Top-Manager nicht gefiel, hatte eine Chance darauf, in Produktion zu gehen - darum prägten Stil und Geschmack des Kreativ-Chefs die Produkt-Linie und das Design der Ubisoft-Produkte maßgeblich. Trotzdem - oder vielleicht auch gerade deshalb - hat Hascoët seinen Posten jetzt geräumt. Ebenfalls von seinem Posten zurückgetreten ist Hascoëts rechte Hand Tommy François, nach einem Ersatz für Kollegin Cécile Cornet - noch globale Personalchefin des Unternehmens, das für prominente Spiele-Serien wie "Assassin's Creed" und "FarCry" bekannt ist - wird bereits gesucht. Auch Yannis Mallat - bis dato Chef der kanadischen Entwickler-Studios und ebenfalls einer der mächtigsten Manager im Konzern - musste seinen Schreibtisch räumen. Schon vor einigen Wochen trennte sich Ubisoft von Marketing-Profi Andrien Gbinigie und dem unter anderem für "Assassin's Creed: Valhalla" zuständigen Kreativ-Leiter Ashraf Ismail. Ismail soll seine Branchen-Prominenz missbraucht haben, um diverse Affären zu starten, während er den betroffenen Frauen seine Ehe verheimlichte.

Vorwürfe gegen den angeblich extrem strengen Hascoët wiederum wurden während der letzten Jahre immer wieder laut, zuletzt häuften sich außerdem Anschuldigungen wegen "unangemessenen Verhaltens" und sogar "sexueller Belästigung" in dem Unternehmen - offenbar zugelassen oder sogar befeuert durch den Führungsstil von Hascoët & Co. Interviews auf der Plattform "kotaku.com" zufolge soll es sogar Fälle sexueller Übergriffe auf Unternehmens-Feiern gegeben haben.

Ubisoft-Geschäftsführer und Mitgründer Yves Guillemot, der jetzt erstmal die Aufgaben Hascoëts als Kreativ-Chef mit-übernehmen wird, nimmt die Anschuldigungen besonders ernst: In einem offenen Brief an alle Beschäftigten des global aufgestellten Unternehmens schildert Guillemot, dass man leider nicht imstande gewesen wäre, "den Mitarbeitern ein sicheres und integratives Arbeitsumfeld zu bieten" - laut ihm ein "inakzeptabler" Zustand. Weiterhin erwarte er, dass "alle leitenden Angestellten des Unternehmens ihre Teams mit dem größten Respekt behandeln".

Wie genau sich der Weggang von Hascoët und seinen Kollegen auf Produkt-Katalog sowie -Ausrichtung des Konzerns auswirkt, bleibt abzuwarten. "Me too"-Debatte und Vorwürfe wegen unhaltbarer Arbeitsumstände haben die Games-Branche zwar schon vor einiger Zeit erreicht, aber während der vergangenen Wochen ist das Thema verstärkt hochgekocht. So hat Renee Gittins - selber Entwicklerin und Executive Director des Verbands "International Game Developers Association (IGDA) - in einem Gespräch mit dem "SPIEGEL" kürzlich erklärt, dass derartige Missstände in der Games-Branche allgemein verbreitet wären. Sie führt die Probleme vor allem auf eine Unternehmens-Kultur zurück, bei der aus ehemaligen Garagen-Firmen innerhalb weniger Jahre internationale Medien-Giganten gewachsen wären, die heute aber noch genauso geführt würden wie vor 15 oder 25 Jahren. Hier käme es immer wieder zum Missbrauch von Einfluss, weil diese Probleme in den schnell gewucherten Strukturen nie eine Rolle gespielt hätten.