Die äußeren Werte zählen: "Godfall" im Test


 

Knallbunt, wuchtig und überraschend verschachtelt: "Godfall" von Counterplay und Gearbox Publishing soll ein effektvoller Vorzeige-Prügler für die PS5 sein – aber kann die Hochglanz-Keilerei auch noch mehr?

KRITIK • PS5, PC • Zu Beginn jeder neuen Hardware-Generation erscheinen Spiele, die vor allem einen Job haben – nämlich die Grafikmuskeln des konsolischen Neuankömmlings spielen zu lassen. Im Falle der Xbox One war es Cryteks altertümliche Effekt-Heischerei "Ryse: Son of Rome", die uns von den visuellen Kapazitäten des neuen Microsoft-Systems überzeugen sollte. Spielerischer Tiefgang war da dabei eher zweitrangig: Wir sollten ins Staunen kommen und das neue Spielzeug auch unseren Freunden vorführen können. Mission erfüllt? Ja, definitiv. Aber auch wirklich nur diese.

Sony geht dabei seit einigen Jahren vergleichsweise subtil vor: Die ganz großen Grafik-Bretter hebt man sich in der Regel für die zweite Hälfte des Geräte-Zyklus auf – anfangs schlägt man stattdessen vergleichsweise ruhige Tön an und setzt auf Titel, die einzelne spielerische oder technische Vorzüge der neuen Spielwiese betonen. Im Falle der PS4 war das z.B. die Jump'n'Run- und Kampfspiel-Mixtur "Knack". Die war zwar insgesamt eher mittelprächtig bis "nett", zeigte aber die physikalischen Tricksereien und Partikel-Effekte auf, die mit der PS4 möglich sind.

Und jetzt? Diesmal hat man auch ein klassisches Grafik-Schwergewicht im Start-Portfolio der neuen Konsole: "Godfall" stammt zwar nicht aus Sony-eigenen Entwickler-Studios – vielmehr sind sind Counterplay Games und Gearbox Publishing für die in einer Art antiken Götterwelt angesiedelten Hau-drauf- und Beute-Orgie verantwortlich. Trotzdem ist der Titel Konsolen-seitig PS5-exklusiv.

Schade nur, dass es "Godfdall" trotzdem versäumt, die Eigenheiten des Sony-Systems clever zu nutzen – darunter zum Beispiel die Features des DualSense-Controllers, die "Godfall" nahezu komplet ignoriert.

 



 

Auch Story-seitig gibt sich das grellbunte Schlachten-Portrait eher bescheiden: Die beiden in funkelnde Mecha-Rüstungen gehüllten Herrscher-Brüder Macros und Orin geraten über die Führung der Fantasy- und SciFi-Welt in Streit – ein Zwist, in dem Macros vorerst die Oberhand behält. Jetzt will Orin mit allerlei funkelndem Waffen-Zierrat dem bösen Bruder Einhalt gebieten, bevor der zum zornigen und allmächtigen Gott werden kann.

 

Dafür greift der zu Spielbeginn in eine Löwenrüstung gehüllte Orin auf die Kräfte des "Siebten Sanktum" zurück – einer vermeintlich wohlmeinenden Entität, die das Kräfte-Verhältnis der platt geschriebenen, aber immerhin verschwenderisch dekorierten Welt reguliert. Die mächtigsten Werkzeuge, die das Sanktum seinem Streiter zur Verfügung stellt, sind allerlei schicke Rüstungen im "Power Rangers"-Look.

Diese "Kürasse" bündeln die Stärke des ohne Rüstung offenbar nur als Energiewesen existierenden Helden und kommen zusammen mit allen daran gekoppelten Waffen und anderen Elementen einer Art Ausrüstungsset gleich. Schade, dass "Godfall" dieses System zunächst ähnlich sparsam erklärt wie den Ablauf der Beat'em-Up inspirierten Nahkämpfe: Zahlreiche Textboxen mit selbst auf großen TV-Geräten augenfeindlich kleiner Schrift erklären zum Beispiel, wie man die Feinde erst mit leichten "Seelenbrecher"-Attacken mürbe klopft, bevor man sie dann mittels schwerem Angriff in einem Partikelregen zerplatzen lässt – aber bis man das System richtig versteht, ist einiger Frust vorprogrammiert. Ähnlich verhält es sich mit dem üppig über den Charakter-Schirm wuchernden Fähigkeiten-Baum, dessen freischaltbare Effekte zwar für einige Diversität im Klopper-Alltag sorgt, deren Beschreibungen aber so dermaßen bürokratisch ausfallen, dass man sie erstmal lieber konsequent ignoriert oder eher lustlos freischaltet – in der Hoffnung, dass der eben angewählte Skill die oft eher instinktiv ablaufenden Gefechte um irgendeinen spürbaren Effekt bereichert.

Denn obwohl "Godfall" reichlich Möglichkeiten für eine taktische Herangehensweise bietet, will man gerade anfangs vor allem die üppige, visuell dezent von Blizzard-Titeln inspirierte Inszenierung der verschiedenen Elementar-Sphären genießen, in die Counterplay Games seine Spielwelt unterteilt hat: Während man mit wuchtigen Schwerthieben allerlei Fantasy-Wesen zerschnetzelt, vierschrötige Krieger aus ihren Rüstungen drischt, mit dem Schild eingehende Hiebe abwehrt oder den Schild als eine Art Bumerang entfremdet, zündet das Spiel einen Effekt-Regen, der zwar nicht sonderlich nachhaltig wirkt, aber während der Klopperei selber trotzdem für einigen Spaß sorgt – zumal sich die Hiebe angenehm wuchtig anfühlen das Zerplatzen besiegter Feinde für einige Befriedigung sorgt.

Trotzdem ist "Godfall" langfristig auf taktisches Vorgehen ausgelegt: Vor allem für den Kampf gegen die teils knackigen Boss-Brrocken sollte man einen Plan haben – und für den sind der Einsatz der richtigen Ausrüstung sowie cleveres Charakter-Tuning mindestens ebenso wichtig wie das richtige Kampf-Muster. Umso ärgerlicher ist es gerade am Anfang der Nahkampf-Odyssee, dass "Godfall" es versäumt, seine alles andere als selbsterklärenden Spielmechanismen besser zu kommunizieren.

Wem die Kombination aus Effekt-sprühender, farbenfroher Präsentation und ausgefuchster Kampfspielorgie liegt, der könnte an "Godfall" (einige Geduld am Anfang vorausgesetzt) dennoch seine helle Freude haben – viel Tiefgang sollte man von der Klopperei allerdings nicht erwarten  –  zumindest nicht in erzählerischer oder visueller Hinsicht. Die knallbunten, mit allerlei Reflexionen und Partikel-Effekten garnierten Grafiken machen vor allem auf den ersten Blick eine Menge her – auf den zweiten merkt man, dass zwischen Charakteren und Spielwelt kaum Interaktion stattfindet. Weder in Form echter Spiegelungen noch irgendeines physischen Modells: Abgesehen von ein paar Krügen lässt sich  das Interieur weder zertrümmern noch irgendwie bewegen – selbst die fein modellierten und wunderbar unordentlich über Säle oder Korridore verteilten Teppiche werfen die Frage auf, wer sie eigentlich so in Unordnung gebracht und für alle die Falten darin gesorgt hat … wir waren es jedenfalls nicht, denn die Dinger sind absolut unbeweglich. Ergo: "Godfall" ist in augenschmeichelnder Farbenpracht erstarrtes Stillleben – und damit genau das Richtige für alle, die sich durch ein schickes 3D-Gemälde kloppen möchten, das – abgesehen von seiner schicken Präsentation und einem raffinierten, aber auch etwas überladenen Kampfspiel-Regelwerk – leider in keiner Disziplin richtig üppig punkten kann.

 

Aber: Zu Beginn einer neuen Konsolen-Generation verzeiht man zugunsten von punktgenau überzuckerter Optik vieles – vor allem dann, wenn das Spiel so gnadenlos ehrlich kommuniziert, worum es ihm in erster Linie geht … nämlich um sein gutes Aussehen.

 

eletrospieler meint: In ihrer verschwenderisch Präsentation gnadenlos ehrliche Fließband-Klopperei mit etwas überladenem, aber auch überraschend vielschichtigem Kampfsystem. Genau das Richtige für den Next-Gen-Grafik-Kick – aber auch nicht mehr. Wer auf erzählerischen Tiefgang verzichten kann und sich an stark wiederholenden Spiel-Mustern nicht zu sehr stört, greift zu, wartet aber vielleicht, bis das 80 Euro teure "Godfall" etwas erschwinglicher geworden ist.

 

Note: 7.0 (GUT)

 

 


WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend