Multiplayer-Games sind der heiße Scheiß, mit dem Hersteller den Löwenanteil ihres Gewinns machen – richtig? FALSCH! Sagt zumindest eine Umfrage von Midia-Research. Was ist dran?
DEBATTE • Laut einer Umfrage von Midia Research bevorzugen 53 Prozent aller Gamer Single-Player-Spiele – erfahre ich in einem Beitrag von Kotaku, der eine Umfrage von Midia-Research analysiert (siehe auch Balkendiagramm weiter unten). Klar, dass jetzt jede Menge Freunde des gepflegten Solo-Zocks jubilieren. Und da schließe ich mich selber nicht aus: Weg mit dem ganzen Multiplayer und – im weitesten Sinne – auch Service-Game-Kack und -Pups? Count me in! Denn bis auf sehr wenige Ausnahmen (ganz früher gemeinschaftliches "Street Fighter 2"-Verkloppen mit meiner alten Mainzer Clique, später "Phantasy Star", noch später "Halo 3" und vor einigen Jahren das erste "Destiny") konnte ich Mehrspieler-Gewusel nie viel abgewinnen. Ich genieße meine Spiele seit jeher lieber wie ein gutes Buch. Was? Nein, nicht auf der Toilette – sondern ALLEIN!!!
Aber bevor wir uns allzu sehr freuen und schon die Party zum Multiplayer-Untergang planen, besser einen genaueren Blick in die Umfrage-Daten werfen: Mal davon abgesehen, dass 53 Prozent sowieso
kein allzu deutlicher Vorsprung sind, verrät uns ein schickes Balkendiagramm (kurzerhand geklaut, Grafik unten), dass der Zuspruch für den Singleplayer größer wird, je älter das Publikum ist –
von gerade mal 30 Prozent bei den 16- bis 19-jährigen Gamern bis hin zu 65 bzw. 74 Prozent bei den 45- bis 54 Jahre alten Spielern und den "Silver Gamern" mit 55 oder mehr Lenzen auf dem
Joypad-Workout-gestählten Buckel. Auch bei den 35 bis 44 Jahre alten Spielern ist die Tendenz zum digitalen Alleingang deutlich: Hier greifen am liebsten 49 Prozent zum Controller, wenn sie dabei
ihre Ruhe haben – allerdings kommen die anderen Balken (Online-PVP bzw. PVE und Couch-CoOp) in -Summe auf 74 Prozent! Ganz so groß ist die Unlust auf den Rudel-Zock also doch nicht!
Nun wird manch ein Wannabe-Analyst argumentieren: "Aber Robert, die Spieler über 45 sind doch ganz klar die kaufstärkste Zielgruppe – die sind doch total wichtig!"
Ja, ganz von der Hand zu weisen ist das nicht. Doch worauf die Publisher und insb. ihre Investoren viel mehr schielen, dass ist das sog. "Freizeit-Budget" ihrer potentiellen Kunden – also die
Zeit des Tages, die nach all den lästigen Pflichten bleibt, um sie z.B. hinter der Mattscheibe zu verbringen. Und weil inzwischen immer mehr Firmen nicht mehr so sehr mit klassischen
Verkaufszahlen, sondern mit User-Zahlen oder "User-Time" (also der von den Usern mit dem Angebot verbrachten Zeit) rechnen, ist die Meldung "Mehr Spieler wollen Singleplayer!" im Grunde nur … ein
Furz. Denn der Gag bei Multiplayer- und Service-Game-Angeboten ist ja, dass sich all die vielen, vielen bei der Produktion verbrannten Millionen auf lange Sicht mehr auszahlen, weil sich die
Spieler länger mit dem Titel beschäftigen und dabei – idealerweise – auch weiter Geld in das Spiel investieren. Für Updates z.B. Oder um den eigenen Avatar aufzuhübschen. Während
Singleplayer-Games nach ein paar hoffentlich starken Verkaufsmonaten früher oder später nur noch die Grabbelkiste bleibt – die Absatzkurve geht hier nach einem vergleichsweise kurzen Peak oft
steil nach unten. Für Publisher und Investoren ist das verständlicherweise ziemlich unsexy – wenn sie gerade erst hundert oder mehr Mio. in die Entwicklung eines solchen Titels gesteckt haben.
Klar, natürlich ist ein richtig erfolgreiches Singleplayer-Game besser als ein kolossaler "Voll auf die Fresse!"-Multiplayer-Flop wie Sonys "Concord"-Bauchplatscher. Nach dem die Pool-Boys noch immer damit beschäftigt sind, die Eingeweide-Bröckchen aus dem Becken zu fischen. Und ja, vielleicht wäre es auf Dauer gesünder, es würden sich wieder mehr Hersteller an so etwas beteiligen wie Aufbau und Pflege eines stabilen Produktions-Mittelfelds, bei dem für die Entwicklung eines Spiels nicht mehr Geld ausgegeben wird, als ein mittelgroßes Entwicklungsland innerhalb von mehreren Jahren erwirtschaftet. Aber die Verlockungen des Multiplayer- und Online-Hits sind eben einfach zu groß: Einmal ganz viel Geld ausgeben und dann über Jahre hinweg bei vergleichsweise überschaubarem Investment weiter verdienen? Und das bei einer Zielgruppe, die auch noch richtig viel Zeit hat, meinen geilen Scheiß zu zocken? Und obendrein kann ich meinen Investoren und Börsianern tolle User-Zahlen präsentieren? KATSCHING!!!!
Selbstverständlich ist das eine Milchmädchenrechnung. Zum Beispiel, weil eben das Freizeit-Budget auch dieser Zielgruppe am Ende zu klein ist, um drölfzig
Super-Mega-Mammut-Massive-Bullshit-Always-On-Dingsies oder Hero-Backpfeifen-Maschinen gleichzeitig zu daddeln. Oder der ganze, eben doch nicht so geile Scheiß auf Dauer einfach stinklangweilig
wird. Oder man herausfindet, dass die Pflege des vermeintlichen Gold-Esels mehr Moneten verschlingt als ursprünglich erwartet. Und sich das Risiko eines gigantisches Verlusts eben doch als viel
zu hoch entpuppt. Upsi!
Aber solange Investoren für diese Art von Projekt weiter mit billigem Spielgeld locken, während sie sich bei Singleplayer-Projekten zurückhalten, wird sich die Spirale des Irrsinns auch weiterhin
drehen. Und die von vielen Daddel-Solisten gefeierte Meldung am Ende wieviel Effekt haben? Genau, gar keinen! (Robert Bannert)