Neues aus Watschenhausen: Tekken 8


 

BÄM!!! Voll in die Fresse! Hier fliegen die Unreal-Engine-Fetzen und tanzt der virtuelle Kameramann ein "Matrix"-Ballett. "Tekken 8" zeigt eindrucksvoll, dass in Namcos altgedienter Prügel-Bude noch reichlich Leben steckt. Man muss es nur wollen.

 

KRITIK • PS5, Series X/S, PC • Bald 30 Jahre ist es her, dass Muskel-Opa Heihachi Mishima seinen Sohn Kazuya hinunter in eine bodenlose Schlucht warf, um ihn auf die Härten des Lebens vorzubereiten. Seitdem sind unzählige "The King of Iron Fist"-Turniere ins Land gegangen und hat sich die Prügel-Serie immer wieder erneuert.

Die meisten dürften dabei wohl an "Tekken 3" für die erste PlayStation denken – immerhin verdoppelt Namco für diese Episode die Kämpfer-Riege. Obendrein werden an dieser Stelle obskure Minispiele in die Reihe eingeführt – darunter "Tekken Ball", bei dem sich das Kampfspiel in eine Partie arcadigen Strand-Volleyball verwandelt, ohne den es "Dead or Alive Beach Volleyball" vielleicht nie gegeben hätte. Beliebteste Neuerung ist aber fraglos der "Tekken Force"-Modus, der das VS-Fratzengeballer kurzerhand zum Durchlauf-Prügler macht. Nicht umsonst gilt der dritte Teil bis heute als eines DER Aushängeschilder der frühen PlayStation-Jahre und steht damit sogar auf Platz 5 der meistverkauften PSOne-Spiele. Und ist es zusammen mit "Metal Gear Solid" sowie "Gran Turismo 2" einer der drei Titel, die es mittels "Bleemcast"-Emulations-Software bis ins "feindliche" Dreamcast-Lager gschafft haben.

Neben der Modi-Vielfalt und der zwar zugänglichen, aber dennoch komplexen Steuerung ist es eine lässige Unangepasstheit, die "Tekken" zum Welt-Hit macht. Wo bereits die "Street Fighter 2"-Kämpfer Comic-haft überzeichnet daher kommen, da setzt "Tekken" noch eine gehörige Absurditäten-.Schippe drauf. Mit Robotern, Pandabären und Baumstümpfe – und menschlichen Kämpfern, die sich nicht darum scheren, ob sie mit ihren Frisuren wie eine stachelige Ananas aussehen.


Aber Zeiten ändern sich – und mit dem Niedergang der Spielhallen versumpfen auch die klassischen Kloppereien zusehends in der Bedeutungslosigkeit."Tekken" stemmt sich gegen die Entwicklung, indem es sich als Online-Plattform für eine weltweite Hardcore-Fighting-Community versucht – jedoch ohne großen Erfolg. Das Teufelsblut ist dünn geworden. Entsprechend niedrig sind unsere Erwartungen anfangs an den neuesten Teil der Handkanten-Saga. Zum Glück haben wir uns da gehörig getäuscht.

Nach der knapp über 90 GB großen Installation starten wir direkt in den Story-Modus – und haben sogleich unser erstes BÄM-Erlebnis! Jemand greift unser Gesicht und drückt es durch ein Hochhaus. Generell schleudert uns bereits dieser erste Kampf alles entgegen, was "Tekken" mal augemacht hat und legt noch eine dicke Schippe drauf. Schläge treffen wuchtig und werden mit den Namco-typischen Treffer-Funken untermalt. Besonders harte Schwinger zelebriert die Kamera mit dynamischen Schwenks und Zooms sowie buntem Farbenspiel. "Jaja, das alles haben wir auch schon bei den neueren 'Mortal Kombat'-Episoden gesehen", werden jetzt viele unken. Ja, stimmt schon. Und trotzdem ist das prominente US-Blutbad immer noch in seinem abgehackten, staksigen Kampfsystem auf Basis von Rotoscope-Animationen gefangen. "Tekken" spielt sich da weit flotter, geschmeidiger sowie vor allem schneller. Und mit dieser Geschwindigkeit prügeln wir uns durch Wände und lässt die "Unreal Engine" ganze Häuserblocks über uns einstürzen. Kurzum: Die erste halbe Stunde ist interaktives Überwältigungskino der Superlative.

Für eine angenehme Auflockerung in all der Zerstörung sorgt die der Serie eigene Trash-Kultur. Hier stecken die Muskelprotze in schreiend bunten 90er-Trainingsanzügen, klimpern tausend Schnallen an an den Stiefeln und hat man immer einen hochnotpeinlichen, aber auch irgendwie lässigen Spruch auf den Lippen. Zwar mag es hier um das Schicksal der Welt und höllische Dämonen gehen – aber so richtig ernst nimmt sich das Spiel nie. Wie im Roland-Emmerich-Blockbuster wollen wir das auch gar nicht. Wir genießen einfach ein paar Stunden Hirn-aus-Bombast- Unterhaltung mit Seifenoper-Touch.

 



 

Dass uns der (Wieder-)einstieg so leicht gelingt, liegt auch am neuen, extrem zugänglichen Kampfsystem, bei dem wir Special Moves durch eine Kombination aus Knopfdruck und Richtungstaste auslösen. Neu sind auch die "Rage Arts" – besonders mächtige und wuchtig inszenierte Attacken, mit denen wir es per Schultertaste krachen lassen, wenn die entsprechende Energieleiste gefüllt ist. Taktik und Einsteiger-Freundlichkeit müssen sich also nicht ausschließen. Für Kampfspiel-Profos mag sich diese Lösung zunächst wie eine skandalöse Verwässerung eherner Prügel-Prinzipien anfühlen. Im direkten Vergleich haben sich für uns die Hilfen jedoch als nicht so Spiel-veränderne herausgestellt wie befürchtet. Stattdessen machen sie das neue "Tekken" lediglich etwas eingängiger und wuchtiger – wenn auch auf Kosten der Kontrolle. Profis sind deshalb eingeladen, zwischen neuem und klassischem System hin- bzw. her zu wechseln – jederzeit und unbegrenzt auf simplen Knopfdruck.

 


Neben dem Story-Modus lockt uns "Tekken 8" für jeden seiner 32 Charaktere mit einer sogenannten Charakter-Episode, die anstelle der klassischen Arcade-Leiter eine kleine Geschichte erzählt –zusammen mit einer zum jeweiligen Kämpfer passenden Reihe von Gefechten. So können wir die Prügelknaben spielerisch wie privat kennenlernen. Richtig dicke kommt es dann unter dem Menüpunkt "Arcade Quest",  der fast für ein eigenes Spiel gereicht hätte. Hier erstellt wir eine an Nintendos Miis erinnernde Kopffüßer-Figur, die ihre eigene Geschichte in typisch japanischen Spielhallen erlebt. An den zahlreich aufgestellten Mini-Automaten laufen außerdem Namco-Klassiker wie "Xevious" und "Dragon Spirit" – schade nur, dass wir hier nicht selber Hand anlegen dürfen. Spielbar ist und bleibt nämlich allein "Tekken 8: Das ist auch in dieser Avatar-Welt gerade erst erschienen – und entsprechend aufgeregt sind die ganzen Großkopf-Kids. Schafft es unser Avatar, den Dorf-Rüpel zu schlagen und virtueller Turnier-Champion zu werden?


Die derart selbstgebauten Figürchen begleiten uns übrigens bis in den Online-Modus: In der sichtlich von "Splatoon" inspirierten Online-Lobby dürfen wir Avatar-Klamotten shoppen, dekorativ abhängen, mit sowie ohne Rangliste kämpfen sowie anderen Raufbolden zuschauen und dabei deren Move-Liste studieren. Ebenfalls mit dabei: Ein malerischer Strand, an dem wir – natürlich – "Tekken Ball" spielen und auf das Leder einprügeln statt auf irgendwelche Opponenten.

Für "Tekken 8" ist außerdem ein Year-1-Pass erhältlich, der vier weitere Kämpfer hinzufügt. Den können wir separat kaufen, er ist aber auch Teil der Gold- bzw. Ultimate-Edition. Es ist also davon auszugehen, dass es noch mindestens einen weiteren Jahres-Pass geben wird – im Genre mittlerweile Standard. Wir wollen es dem Spiel auch nicht negativ ankreiden, da sich "Tekken 8" bereits in seiner Rohfassung sehr rund und komplett anfühlt. Außerdem: Wer nicht oder nur gelegentlich die Online-Fäuste schwingt, der kann auf die Zusatz-Inhalte gut verzichten. Hardware-politisch interessant ist zudem, dass das Gezänk nur für PS5, Xbox Series S/X und PC erscheint – ein starkes Commitment für die aktuelle Hardware-Generation also. Besitzer älterer Konsolen sowie von Nintendo-Hardware schauen in die sprichwörtliche Röhre. Angesichts der desaströsen Switch-Version von "Mortal Kombat One" ist das aber vielleicht auch besser so. (Martin Nagel)

elektrospieler meint: "Tekken 8" ist ein Fest für die Sinne und für Prügel-Fein- sowie Grobschmecker, für Einsteiger und Button-Jongleure. Ein Fest für Couch- und Online-Krieger, Action-Fans und Connoisseure der gepflegten Seifenoper. Zugegeben, so ganz das Lagerfeuer-Event wie zu Zeiten der ersten, Maus-grauen PlayStation ist die Watschen-Polka nicht. Dies liegt aber am gewandelten Zeitgeist und nicht an der Qualität des Spiels. "Tekken 8" hat die Energie, nicht nur eingefleischte Genre-Fans zurück in den Ring zu holen. Zusammen mit "Street Fighter 6" und "Mortal Kombat One" ist hier das Potential gegeben, für eine kleine Renaissance der Fighting-Games zu sorgen. Eine Wiederbelebung, die nicht nur über reine Nostalgie, sondern auch durch Qualität und Innovation erreicht wird. Wer nur ein leichtes Faible für eine zünftige Tele-Rauferei hat, sollte hier zuschlagen (höhö – ach kommt schon, Ihr habt doch drauf gewartet!).

 

Note: 9.0 (SEHR GUT)

 


WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend