Adventure-Flattermann über Gotham: "Batman: The Telltale-Series"

 

Heldenhafte Fledermäuse, bizarre Superschurken und ein finsteres Kindheitstrauma: Die Geschichte von Gothams dunklem Ritter hat ganze Generationen in ihren Bann gezogen - jetzt ist "Walking Dead"-Macher und Adventure-Experte Telltale an der Reihe, die Geschichte neu zu erzählen. Doch kann sein "Batman: The Telltale Series" das Epos auch neu erfinden?

 

 

Von Bruce Wayne alias Batman über Oswald Cobblepot (alias "Pinguin") bis hin zu Harvey Dent (alias "Two-Face"): DC Comics' finstere Comic-Metropole Gotham City ist geradezu überlaufen von psychisch gestörten Gestalten, die ihre gespaltene Persönlichkeit ausleben, indem sie nachts in bizarrer Kostümierung durch Straßen und über Dächer randalieren. Und nicht wenige davon waren schon mal Gast im berüchtigten Arkham Asylum - einer alptraumhaften Besserungsanstalt für Super-Schizophrene. Sie alle sind fester Bestandteil des Batman-Regelwerks, das jede Umsetzung der berühmten 60er-Jahre-Bildergeschichten pflichtbewusst abhaken muss. Kein Wunder, dass jetzt auch der amerikanische Adventure-Experte Telltale die Formel fast schon zu pflichtbewusst bedient: Sein "Batman: The Telltale Series" erzählt die Geschichte des dunklen Ritters von Anfang an, versetzt den Spieler in die Rolle eines noch jungen Bruce Wayne.

Der hat gerade erst das Milliarden-schwere Imperium seines verstorbenen Vaters geerbt und seine Leidenschaft für nächtliche Masken-Randale entdeckt. Polizei-Commissioner Gordon steht den Eskapaden des frischgebackenen Selbstjustizlers noch reichlich skeptisch gegenüber, Harvey Dent kandidiert mit intaktem Blendax-Lächeln für das Bürgermeisteramt - und Waynes Jugendfreund Oswald Cobblepot hat gerade erst seine Leidenschaft für Gothams Unterwelt entdeckt. Für den Auftakt zu seiner ganz eigenen "Batman"-Saga geht Telltale also den leichten Weg: Man zitiert üppig aus allen bekannten Verfilmungen, bedient sich - vor allem visuell - bei den Comic-Interpretationen der 90er-Jahre und erschafft dabei einen Stilmix, der sich zwar hervorragend für ein seichtes Adventure eignet, dabei aber fast jede Individualität vermissen lässt.

Action-Einlagen gibt es Telltale-typisch nur spurenweise: Wenn Batman mit grimmig funkelnden Augen durch die Glasfront eines Wolkenkratzers kracht, um danach mit wirbelnden Fäusten und Greifhaken eine Truppe Ganoven aufzumischen, dann regiert wie in anderen Film-Umsetzungen des Herstellers mechanisches Knöpfchendrücken: Mal den Steuerknüppel nach links einschwenken, dann wieder nach rechts. Danach rechtzeitig die eingeblendeten Buttons drücken - und fertig ist das Gauner-Gehackte. Das hat schon bei "Walking Dead", "Game of Thrones", "Tales from the Borderlands" und "Minecraft Story Mode" funktioniert - doch allmählich ist die Rezeptur erschöpft, die Keilereien werden schnell zur ärgerlichen Pflichtübung. Aber sei's drum: Das Fachgebiet der Adventure-Schmiede ist seit jeher nicht das interaktive Faustrecht - vielmehr hat man sich auf feinsinnige Charakter-Studien, interessante Skripts und spannend geschriebene Dialoge spezialisiert. Dumm nur, dass Batmans Abenteuer auch hier unverzeihliche Schwächen aufweist: Die im Grunde seit Jahrzehnten bekannte Geschichte kann keine nennenswerten Überraschungen mehr liefern, außerdem leidet das Abenteuer unter einem blassen, all zu stereotypischen Bruce Wayne und langatmigen Blabla-Dialogen mit hohem Einschläferungs-Potenzial. Immerhin: Wenigstens was Präsentation und Atmosphäre angeht, liefern die Entwickler hier ungewohnt hochkarätige Kost - doch an seiner ausgelutschten und seit "Walking Dead" kaum veränderten Spielformel sollte das Studio schleunigst etwas ändern. Nur chronisch Batman-Süchtige können dieser Interpretation noch etwas abgewinnen - alle anderen sollten erst die weitere Entwicklung der ersten Staffel abwarten, bevor sie 30 Euro für den gesamten Season-Pass hinblättern.