Ist Deck Nine die Developer-Hölle?


 

NEWS • Berichte über suboptimale Arbeitsbedingungen und Diskriminierungen in der Spiele-Entwicklung gibt es immer wieder – doch wenn solche Vorwürfe ausgerechnet ein Studio betreffen, dessen Kreativ-Output in dem Ruf steht, extra inklusiv und "woke" zu sein, dann ist das besonders ärgerlich … und vor allem auffällig. In diesem Fall dreht es sich um den im US-Bundesstaat  Colorado ansässigen Entwickler Deck Nine: Das 1997 unter dem Namen "Idol Minds" gegründete Studio hat während seiner frühen Jahre PlayStation-Spiele wie "Rally Cross 2", "Cool Boarders 3" oder "Neopets: The Darkest Faerie" entwickelt. Inzwischen produziert man die bekannte Adventure-Reihe "Life is strange" für Square Enix, nachdem der ursprüngliche Entwickler Dontnod die von ihm erfundene Marke abgegeben hat. Neben dem "Life is strange"-Prequel "Before the Storm" und dem Nachfolger "True Colors" ist eine Remaster-Collection der allerersten "Life is strange"-Staffel bei Deck Nine entstanden.

 

Jetzt haben sich verschiedene (teils ehemalige) Mitarbeiter der Firma zu Wort gemeldet und neben einem extrem toxischen Arbeitsklima das Verhalten übergriffiger Vorgesetzter sowie das scheinbar gezielte Verstecken von Nazi-Symbolen und rechtsradikalem Gedankengut in den Spielen bestätigt. Für die Missstände verantwortlich wäre aber nicht alleine das Deck-Nine-Management – auch Publisher Square Enix macht man schwere Vorwürfe. So wären chaotische Produktions-Methoden in Kombination mit kaum einhaltbaren Milestones (also den Abgabe-Terminen am Ende einzelner Entwicklungs-Etappen) dafür verantwortlich, dass die Stimmung innerhalb des Teams immer wieder empfindlich kippte. Außerdem wäre man bei Square Enix – ebenso wie beim Deck-Nine-Management – extrem abweisend, wenn es um die Abbildung und Inklusion von "Minderheiten" gehe. So hätte Square Enix bei der Produktion von "True Colors" insistiert, dass man kein "schwules Spiel" haben wolle.

 

Vielleicht hat Dontnod die Marke ja aus gutem Grund abgegeben – ebenso wie sie dann später aus ähnlich gutem Grund zu Deck Nine wechselte. Zum Beispiel, weil die sensible und "woke" Ausrichtung der Serie der Square-Enix-Chefetage ein Dorn im Auge war? Immerhin hat Dontnod seine Spiele genutzt, um sich gegen Diskriminierung und Ausgrenzung aller Art zu positionieren – auch die übernatürlichen Elemente der Serie waren unter Regie des französischen Serien-Erfinders stets eine Art Parabel auf die verschiedensten Probleme – ganz gleich, ob sie persönlicher, gesellschaftlicher oder politischer Natur waren. Und genau dafür wurden die frühen "Life is strange"-Werke von Kritikern wie Fans gefeiert. Sich jetzt von dieser Rezeptur zu lösen, wäre nicht nur aus unternehmerischer Perspektive ausgesprochen dämlich – es könnte die Spiele-Landschaft außerdem eines der wenigen prominenten Franchises berauben, die wirklich wichtige Themen mit dem nötigen Fingerspitzengefühl verhandeln.