Nix gelernt: der Deutsche Computerspielpreis 2024


 

KOLUMNE • Wenn man in den USA eine Medien-Preisverleihung begeht, dann wird's automatisch zu einem Wannabe-Oscar und zumindest ein bisschen fremdschämig – aber eben auch immer so unterhaltsam und aufwendig inszeniert, dass man am Ball bleibt und die Gala so etwas wie noch einen Hauch von Relevanz vermittelt. Versuchen wir Deutschen uns dagegen an einem ähnlichen Format, wird's demnach der Abklatsch eines Abklatschs und muss man eindeutig Deutscher sein, damit man zumindest so immun gegen das gezeigte Maß an Fremdschämigkeit ist, dass man sich nicht augenblicklich auflöst und qualvoll gurgelnd in den Ausguss glibbert.

 

Dabei ist eine Preisverleihung an sich ja eine schöne Sache: Die Preisträger bekommen ein kleines Taschengeld, mit dem sie neue Projekte anstoßen oder Schulden bezahlen können – und die veranstaltende Branche feiert sich ein bisschen selbst. Denn ohne zentrale Veranstaltungs-Plattformen mangelt es an der nötigen Aufmerksamkeit – und im Gegensatz zu Messen oder Conventions, bei denen es sich meist um wirtschaftliches Muskelspiel oder Fan-Service dreht, geht es bei Ausstellungen und Preisverleihungen eben um die Vermittlung von (zumindest vermeintlich) kultureller Relevanz. Und nur wer eine Rolle bei Kunst bzw. Kultur spielt (oder zumindest erfolgreich suggeriert), darf hierzulande darauf hoffen, hin und wieder in die entsprechenden Förder-Töpfe greifen zu dürfen. Wie die, an denen sich gerade unsere inländische Filmbranche so gerne gütlich tut. Damit die Finanzierung der nächsten Til-Schweiger-Klamotte gesichert ist und so kulturell wertvolle Werke wie "Chantal im Märchenland" entstehen können. Hust.

 

Das erklärt dann auch, warum man einerseits im Rahmen des DCP 2024 mal wieder bitterlich die Unfähigkeit des Gaming-Standorts Deutschland beweint, ein eigenes AAA-Spiel zu produzieren, man aber andererseits den einzigen deutschen zumindest Beinahe-AAA-Output der letzten Monate – nämlich "Atlas Fallen" von Deck 13 – zwar nominiert, ihn dann aber in allen Kategorien leer ausgehen lässt. Während die Preise dann an vermeintlich kulturell und künstlerisch wertvollere Titel wie "The Bear" ("Bestes Grafik-Design") und "Friedrich Ebert – Der Weg zur Demokratie" ("Bestes Serious-Game") oder feline Smartphone-Leisetreter wie "Cat Rescue Story" ("Bestes mobiles Spiel") gehen.

 

Bitte nicht falsch verstehen: "The Bear" ist ein wunderschönes Spiel, das obendrein von einem entzückenden Team erstelllt wurde, das die 40.000 Euro, mit denen der Preis für "Bestes Grafik-Design" dotiert ist, bestimmt gut brauchen kann. Während "Cat Rescue"-Publisher Tivola die 40.000 Euro für das beste "mobile Spiel" vermutlich nur müde belächelt. Und "Friedrich Ebert" seine politische Mission zwar extrem clever umsetzt, aber offenbar nur über die Seite der Ebert-Gedenkstätte spielbar ist und damit seinen wichtigen Erziehungs-Auftrag nur bedingt erfüllen dürfte.

 

Kurzum: Das ist im Ansatz ja alles schön und gut – aber in der bekannten Ausführung ist es leider wenig mehr als ein Aufmarsch der Branchen-Schickeria, während die Politik ein bisschen schauläuft und mit großen Versprechen um sich wirft, von denen später nur wenige eingelöst werden. Hauptsache, alle fühlen sich am Ende des Events ein bisschen besser – bis Party-Rausch und Beschwipst-sein der Realität weichen. Einer Realität, in der Preisgelder von 100.000, 40.000 oder 30.000 Euro eben leider wenig mehr haben als einen symbolischen Wert. Und die chronische Unsexyness von Deutschland als Games-Standort nicht auffangen können, solange unsere Politik nicht hinbekommt, womit wirtschaftlich wesentlich schwächer aufgestellte Länder schon seit rund 20 Jahren locken: einer starken Online-Infrastruktur sowie ordentlichen, von Kunst- und Kultur-Klamauk entkoppelten Fördersummen, attraktiven Steuerpaketen und einem allgemein besseren Verständnis für die gesamte Digital-Wirtschaft. Während wir fruchtlose Killerspiel-Debatten führen – ursprünglich angeheizt von CDU, CSU & Co., obwohl sich ein Markus Söder und sein Digital-Minister Fabian Mehring (Freie Wähler) heute nicht zu schade sind, auf dem DCP die Wichtigkeit und unverschämte Hipness der Games-Branche zu betonen.

 

Kurzum: Deutschland tut sich immer noch schwer damit, den konservativen Knast aus dem morschen Gebälk zu pusten – und leider zeigt unsere Branche selber auf einem "DCP" nicht nur inszenatorisch, sondern ebenso programmatisch, wie weit der Weg zum ernstzunehmenden Gaming-Standort noch immer ist. Etwas weniger unangebrachte Selbst-Inszenierung bei deutlich mehr Geld und Planungssicherheit für die Studios wären z.B. schön – damit wir wirklich mal einen Grund zum Feiern hätten. Nichts gegen künstlerisch und kulturell wertvolle Spiele – die sind extrem wichtig. Aber sie sollten eben nur einen Teil des Komplett-Programms ausmachen und quasi das "Sahnehäubchen" sein, während eine ordentliche Menge an luxuriös ausgestatteten Groß-Produktionen die gesunde Basis bildet. Bei uns wird aber umgekehrt ein Schuh draus. Weil es vielversprechenden Projekten an Finanzierungs-Möglichkeiten mangelt und wir Deutschen vielleicht immer noch nicht so richtig verstehen, dass es zunächst mal um den Unterhaltungswert. Entertainment darf nicht dazu verdonnert werden, einen Bildungsauftrag erfüllen, damit es gefördert wird.

 

Während kreative Akademien in USA,  Kanada und selbst in Kultur-Nationen wie Frankreich oder Spanien die Kreativ-Schaffenden mit Lust an der Kunst erziehen, besitzen bei uns Herren im grauen Zwirn die Deutungshoheit über das, was eigentlich Spaß machen sollte. Und darf sich offenbar nichts Kunst nennen oder mit Geld beworfen werden, was sich nicht gut an der Wand einer Galerie machen würde. Denn Kunst- und Kreativhandwerk – das ist in Deutschland nichts, das aus eigener Kraft nennenswerte Geldbeträge erwirtschaften darf: Es ist ein Hobby, das sich Politiker und Wirtschafts-Magnaten halten, damit sie sich cooler, trendiger oder einfach wichtiger fühlen können. Und solange sich an dieser Wahrnehmung nichts ändert, werden Games in Deutschland etwas bleiben, das vielleicht geduldet und auch ein bisschen getätschelt wird – aber nichts, was im internationalen Wettbewerb eine Chance hätte. Das wird bei jedem DCP aufs Neue klar, wenn schließlich das beste ausländische Spiel gekürt wird – in diesem Fall "Baldur's Gate 3". Dann merken wir schon nach drei Sekunden Video-Einspieler: Keines der zuvor gezeigten deutschen Spiele hat dagegen auch nur den Hauch einer Chance. Aua. Außer "Atlas fallen" oder "Everspace 2" vielleicht. So ein kleiiiiiines bisschen. Und solche Spiele sollten eben auch bei uns eher die Regel als die Ausnahme sein. (Robert Bannert)