Kritik: LEGO – The Hobbit

 

Anders als beim zeitgleich veröffentlichten "LEGO Movie Videogame" zum klotzigen Kino-Erfolg gehen die britischen Baustein-Virtualisierer von Traveller's Tales für die LEGOfizierung von Peter Jacksons "Hobbit"-Film den klassischen Weg: Alle Elemente, für die der dänische Spielzeughersteller real existierende Mini-Figuren und Spielsets bereithält, bestehen in Spielzeug-Mittelerde aus den bekannten Bausteinen – darunter die meisten Accessoires, Tiere und Objekte, mit denen Bilbo, Gandalf, Torin & Co. interagieren dürfen. Die restliche Fantasy-Welt ist wie die Sorte fotorealistisches Modell gehalten, die Fans der Bauklötzchen auf den Spielzeugverpackungen bewundern: Dort stehen Spiel-Sets wie "Die Höhle des Goblin-Königs", "Die Ankunft von Gandalf" oder "Der Angriff der Wargs" fast immer vor Foto-Montagen, Render-Hintergründen oder Tabletop-artigen Modell-Elementen. Diese bekannte Kombination kommt einmal mehr der Stimmung des Titels zugute: Weil die LEGO-Versionen der bekannten Filmfiguren vor dieser gelungenen Kulissen-Kombination chargieren dürfen, bleibt Ihr reduziertes Minenspiel glaubwürdig und die Atmosphäre der Vorlage intakt – aller Verniedlichungen und Veralberungen zum Trotz.

 

In Sachen Humor und Story-Interpretation entfernt sich der Entwickler allerdings weiter von der Kino-Vorlage als noch bei der LEGO-Version der "Herr der Ringe"-Trilogie – eine erzählerische Freizügigkeit, die sich auszahlt: Während der Kampf um Mittelerde dermaßen sklavisch dem Original folgte, dass Satire und Überraschungsfaktor gen Null tendierten, da nimmt sich der "Hobbit" die Freiheit heraus, nicht nur den Regeln von Tolkien und Peter Jackson, sondern vor allem denen der Spiel-Designer zu folgen. Das Resultat ist nicht nur eines der bisher besten LEGO-Spiele, sondern gleichzeitig die bis dato beste Versoftung von Mittelerde. Die setzt einige Momente des Vorbilds grandios um, fügt dem Stoff aber auch neue Facetten hinzu, indem sie Story-Lücken der Filmhandlung geschickt schließt: Torin und seine Zwergenbrüder erleben die Eroberung der Zwergenstadt durch den Drachen Smaug so detailliert wie nie, Bilbo sucht bei der nächtlichen Rast nach Leckerli für die Ponys – selbst der Kampf gegen den Weißen Ork vor den Minen Morias ist ausführlicher denn je.

 

 

Spielerisch hält man sich weitgehend an die durch andere LEGO-Games etablierten Spiel-Mechanismen, ist aber auch um interessante Neuerungen nicht verlegen: Mit fast jedem Spielkapitel gewinnt man neue Charaktere hinzu, die durch spezielle Waffen oder individuelle Fertigkeiten glänzen und nach dem Pulverisieren von LEGO-Strukturen neue bauen. Zwerge, Hobbits & Co. beherrschen neuerdings auch die Kunst des 'Craftings': Im Spielverlauf gesammelte Ressourcen wie Erze, Edelsteine und Holz werden in Schmieden und an Werkbänken zu Quest-Objekten kombiniert – entweder um die Handlung voranzubringen oder Nebenmissionen zu erledigen. Und wer beim ersten Spielen einer Mission "noch nicht alle beisammen hat", der versucht es später noch einmal: Jedes Kapitel darf beliebig oft und zu jeder Zeit neu gestartet werden, um ihm auch die letzten Geheimnisse, Schätze und Bonus-Charaktere abzuringen. Auch das Bauen streng nach Plan wie in "LEGO Movie" kann die Gemeinschaft von Torin Eichenschild: In den Konstruktionen hervorgehobene Bauteile müssen erkannt und auf einer Auswahl von Elementen markiert werden – erst dann darf weiter gebastelt werden. Je schneller man erkennt und markiert, desto höher die Punkteausbeute.

 

Und wenn auch das nichts nützt, dann wird wie gewohnt zur Waffe gegriffen: Die Zwerge schwingen Äxte, Hämmer und Schwerter, Gandalf feuert Blitze aus seinem Zauberstab und Bilbo wehrt sich mit dem Spazierstock. Auch Hiebe mit besonders viel Schmackes gehören zum Repertoire: Angriffstaste gedrückt halten und erst bei voller Ladung loslassen – das macht ganz besonders viel Aua. Und ist einer von gleich mehreren Indizien dafür, dass Traveller's Tales den Action-Anteil spürbar erhöht hat – sogar zünftige Masschenschlachten gegen hunderte von Orks und Trollen fährt man auf. Da die LEGO-Figürchen nach ihrem 'Ableben' immer nur für einige Momente von der Bildfläche verschwinden, sind die Gefechte zwar eher Spannungselement denn echte Herausforderung – aber mächtig Laune macht das filigran gezeichnete Gewusel allemal.

 

Obwohl Traveller's Tales die bekannte LEGO-Formel einmal mehr beibehalten hat, holt man mit dem "Hobbit" noch mal das letzte aus ihr raus: Ähnlich prachtvoll, groß und abwechslungsreich ist bisher kein anderer Titel im Lizenz-Kosmos der dänischen Bauklötze. Trotzdem: Langsam aber sicher sollte man sich bei Traveller's Tales mit dem Gedanken anfreunden, der LEGO-Logik so bald wie möglich eine Generalüberholung zu verpassen. Noch ist die Luft nicht raus – aber bald. (8 von 10 / "gut")

 


Traveller's Tales und Warner Int. • ab sofort Xbox 360, Xbox One, PS3, PS4, WiiU und PC • ca. 30 Euro (PC), 40 Euro (Xbox 360, PS3, WiiU) bzw. 50 Euro (Xbox One, PS4) • ab 6 Jahren • für Einsteiger, Fortgeschrittene und Profis


WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut

10 = legendär