Endlich bekommt die "Legend of Zelda"-Namenspatin ihr eigenes Spiel – aber leider sind ihre Kräfte nur geborgt und steht hinter jeder Stärke ein Kerl. elektrospieler verräut Euch, warum "Echoes of Wisdom" kein gelungener Beitrag zur Emanzipation von Spiele-Heldinnen ist.
SPIELE-KRITIK • Trotz inzwischen fast 40-jähriger Prominenz sorgt der Name von Nintendos "Legend of Zelda"-Reihe bis heute immer wieder für Verwirrung. Naja, zumindest bei Nicht-
oder Gelegenheits-Gamern. Und chronisch unbelehrbaren "Zelda"-Abstinentlern natürlich.
Das geht dann ungefähr so:
"Zelda … das ist doch diese blonde Elfe mit dem Schwert, oder?"
"Ne, das ist DER Held – Link!"
"Na, das ist ja mal ein beknackter Name. Und wer ist dann Zelda?"
"Das ist die Prinzessin!"
"Und was hat die damit zu tun?"
"Na, die will von Link gerettet werden!"
"Aha. Sollte das Spiel dann nicht besser 'Legend of Link' heißen?"
Jaaaaa … äh … aber nein – denn die Namenswahl der wichtigsten Action-Adventure-Serie überhaupt verwirrt nur dann, wenn man sie nach heutigen Gesichtspunkten betrachtet. 1986/87 sind klassische
"Jungfrau in Nöten"- oder auch "Damsel in Distress"-Geschichten nämlich eher die Regel als die Ausnahme. Starke, Pistolen- oder Schwert-schwingende Heldinnen findet man in dieser Zeit nur selten.
Und tapfere Recken sind dann eben ausgezogen, um die holde Dame zu befreien – ob die nun wollte oder nicht.
Für die ersten "Zelda"-Abenteuer machte das auch absolut Sinn – denn sie sollten einfach, handlich, Controller-tauglich und 8- bzw. 16-Bit-Konsolen-gerecht sein. Ein altbekanntes Erzähl- und
Märchen-Motiv wie das der zu rettenden Prinzessin kam den Entwicklern da gerade recht – denn damit hat man sich eine Menge lästiger Erklärerei erspart. Zelda ist also Namens-Patin und Jungfrau in
Nöten – Held Link dagegen im Grunde einfach nur das, was sein Name vermuten lässt: Der Link zwischen Spieler und Spiel.
Fast 40 Jahre später mutet das alles etwas verstaubt an – und vielleicht auch ein kleeeeeines bisschen sexistisch. Schön, dass Nintendo selber das offenbar auch so sieht (zumindest auf den ersten
Blick) und Hyrules Prinzessin mit "Echoes of Wisdom" endlich ihr erstes eigenes Abenteuer spendiert. (UND NEIN, DIE BEIDEN SUPERGURKEN FÜR PHILIPS-CD-i ZÄHLEN NICHT!!! ENDE DER
DISKUSSION!!!)
Das mit der Gleichberechtigung zwischen Held und Heldin sollten die Designer aber vielleicht noch ein bisschen üben. Denn obwohl Zeldas individuelle Fähigkeiten der Serie einen neuen,
interessanten und teilweise auch angenehm modernen Dreh geben, sind ihre Skills eben – anders als die vom Kollegen Link – nur geliehen. Ob sie nun a) mithilfe eines Zauberstabs die magischen
Energien eines schwebenden kleinen Marshmallow-Wesens anzapft, um verschiedenste Objekte zu kopieren und sie anschließend für die Lösung simpler bis kopfnussiger Puzzles einzusetzen – oder b) für
einige Sekunden die Kampf-Skills des zu Spielbeginn verschwundenen Links imitiert: nichts wird mit eigener Gedanken- oder Muskelkraft vollbracht. Kurzum: Irgendwie ist Zelda am Ende doch immer
abhängig – und zwar von einem Kerl.
"Aber Robert", mögt Ihr jetzt viell. einwenden, "damit wollten die Designer ihre Heldin bestimmt nicht diskriminieren! Sie ist eben eine Prinzessin – und wurde nicht für diese Art von Abenteuer
ausgebildet!"
Ach so, klar. Aber Link schon, oder? Der wetzt nämlich auch – ohne jede Vorbereitung oder Schwertkampf-Expertise – sofort drauf los und verdrischt schweinsnasige Monstrositäten, als hätte er nie
was anderes gemacht. Ganz ohne Hexerei. Einzige Ausnahme: das Meisterschwert oder ähnlich magische Klingen – und gibt's eben (meistens) nicht gleich zu Spielbeginn.
"Aber Robert … "
Ne, nix da. All das wäre nämlich selbst dann – zumindest in Maßen – fragwürdig, würde Zelda aus eigener Kraft drauflos hexen. Weil es nämlich dem typischen "Buben sind stark und Mädchen
klug"-Schema entspricht. Seufz.
Und was bleibt, wenn wir mal außer Acht lassen, dass Zeldas Debüt als (vermeintlich) eigenständige Abenteurerin leider nicht ganz so symbolträchtig geworden ist, wie es hätte sein können, sollen,
MÜSSEN? Dann liefert das Team um Eiji Aonuma, Tomomi Sano und Satoshi Terada zumindest einen einigermaßen pfiffigen Beweis für die große Flexibilität das "Zelda"-Konzepts: Die aus den
Link-Abenteuern bekannte Item- und Kampf-Logik durch das Herbei-Zaubern von Level-lnterieur, Monstern und anderem Tant zu ersetzen – das funktioniert nicht nur erstaunlich gut – es weckt vor
allem die Kreativ- und Experimentier-Instinkte im Spieler.
Und in der Tat: Etliche Betten und anderes Gerümpel aufeinander zu stapeln, um Kluften zu überwinden, durch herbeigezauberte "Wasser-Quader" zu paddeln (ja, Zelda kann schwimmen!) oder garstigen
Monsterlein ihre geklonten Kollegen auf die Pelle zu hetzen – das ist ist nicht nur unglaublich niedlich, sondern auch überraschend befriedigend. Schade nur, dass es manchmal ganz schön
un-dynamisch ist: Das haben wir zum einem dem Umstand zu verdanken, dass Nintendo gerade die Spielwelt abseits der Dungeons viel zu wenig auf das gemächliche Tempo des neuen Kampfsystems
abgestimmt hat. Denn hier laufen genauso viele Monster rum wie zu Links Zeiten – nur, dass wir die jetzt eben nicht fix mit dem Schwert erledigen können, sondern sie stattdessen von per
Zauberstab herbeigerufenen "Echo-Monstern" besiegen lassen müssen, während Zelda das Gerangel aus sicherer Entfernung begutachtet. Das dauert manchmal ganz schön lang und bremst den Spielfluss
empfindlich aus – wodurch sich deutlich zeigt, dass die neue Kampflösung und das klassische "Zelda"-Welten-Design eben doch nicht so richtig miteinander können. Schade. Auch die Möglichkeit, kurz
die Kampffähigkeiten Links zu kopieren, hilft dabei nur wenig – denn die dafür nötige Energie ist schnell erschöpft.
Als noch schlimmere Bremse erweist sich allerdings die "Echo-Liste": Hier sind alle Formen gelistet, die unsere Heldin auf ihrer Reise findet – und das Archiv wächst dabei so rasant, dass wir vor
lauter Endlos-Gescrolle nicht nur schnell den Überblick, sondern auch die Geduld verlieren. Klarer Fall: Hier wäre weniger mehr gewesen – vor allem in einer Serie, die uns sonst mit nur einigen,
schnell erlernbaren Design-Bausteinen ein Maximum an Aktions-Radius und Handlungs-Freiheit gewährt. Das wurde mir vor allem in den Momenten klar, in denen ich – zwecks direktem Vergleich – von
"Echoes of Wisdom" in das Remake von "Link's Awakening" gewechselt bin. Und dreimal dürft Ihr raten, in welchem Spiel ich mich am Ende lieber verloren habe.
Was ausgesprochen schade ist, denn eigentlich bietet Zeldas Spielwelt in mancherlei Hinsicht so viel mehr als die von Link: All die herzigen Bewohner und süßen Geschichten sind mir nicht nur
wahnsinnig schnell ans Herz gewachsen – sie machen diese Version von Hyrule auch zu einem wesentlich lebens- sowie liebenswerteren und vor allem mitteilungsfreudigeren Schauplatz und knüpfen
damit auf angenehme Weise an die Erzähl-Motive von "Minish Cap" an. Umso tragischer, dass sich "Echoes of Wisdom" gerade bei Spieltempo und Spiel-Komfort so empfindliche Schnitzer leistet. Von
der mangelnden Emanzipation seiner Heldin mal abgesehen. (Robert Bannert)
Note: 7.5 (GUT)
P.S.: Beide Spiele ruckeln und zuckeln in etwa gleich schlimm. Darum wünsche ich mir für die mutmaßliche Switch 2 ruckelfreie Remaster-Versionen. Mit der Möglichkeit, meine "Echo"-Liste manuell
zu sortieren oder eine Art Schnellzugriff für meine Lieblings-Formen anzulegen. Und einer Trainings-Bude für Zelda, damit sie den Monstern nach Herzenslust die Fresse polieren kann. Und zwar mit
ihren eigenen Fäusten.
WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend