Kritik: Sacred 3


 

Bisher stand das vom verblichenen deutschen Entwicklungsstudio Ascaron erfundene „Sacred“ für komplexe und wunderbar nerdige Rollenspiel-Action. Wo „Das Schwarze Auge“ die deutsche Antwort auf „Dungeons & Dragons“ ist, da war „Sacred“ die auf „Diablo“. Leider hat Publisher Deep Silver jetzt versucht, die von deutschen Genre-Fans geliebte Marke fit zu machen für den internationalen Markt – mit dem Ergebnis, dass „Sacred“ jetzt weder den Ansprüchen der Fans noch denen neuer Kunden gerecht wird. Denn „Sacred 3“, das ist diesmal kein Action-RPG mehr, sondern ein unausgegorenes Koop-Kampfspiel – ein „Golden Axe“ mit einem Hauch von Rollenspiel. Während man der belanglos zusammen-geflickschusterten Geschichte des Fantasy-Reichs zwischen den einzelnen Levels lauscht (oder besser: man sie so schnel wie möglich wegklickt), wird im Spiel selber entweder alleine oder zusammen mit einem Online-Freund gekeilt, gehackt und gezaubert, unnd zwar auf allen Systemen vorzugsweise mit Joypad.

 

Die starke Seite von „Sacred 3“ geht neben all den Verfehlungen leider ein bisschen unter: Eigentlich ist das vom Frankfurter Entwickler Keen Games gebastelte Möchtegern-Action-RPG ein kompetenter und obendrein äußerst hübscher Brawler, der mit reichlich Extra-Attacken und prachtvollen 3D-Sets aufwartet. Mit der geflügelten Seraphin-Kämpferin Luftwellen durch die feindlichen Reihen schicken, kreischende Goblins als Khukuri-Bogenschütze mit Pfeilen spicken oder in Gestalt eines muskelbepackten Rasta-Safiris die Streitaxt kreisen lassen: Das macht auch alleine Spaß, doch Level-Design und Balancing sind ganz klar auf Koop-Gemetzel ausgelegt. Wer das Scharmützel trotzdem lieber alleine erlebt, der sollte sich nur unter dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad in die geradlinigen Levels wagen, sonst wird’s ohne Begleiter ganz schön haarig.

 

 

Immer haarig ist dagegen der selten dämliche Humor des Spiels, der wohl das Nerd-Sprech der Vorgänger einfangen soll, am Ende aber nur grottenschlecht ist: Die per Telepathie mit den Charakteren verbundene „Einsatzleiterin“ liefert sich im Hirn der Helden verblödet Zwiegespräche mit Boss-Gegnern oder den Geistwesen, die jeder Spieler zwischen den Leveln mit seiner Figur verlinken darf. Leider sind Verslein wie „Wenn Ihr mein Flaggschiff nicht verteidigt, dann schicke ich Euch ohne Essen ins Bett!“ oder „Jetzt gehe ich erstmal Fischstäbchen essen, aber beim nächsten Mal zeige ich es Euch!“ dermaßen hochnotpeinlich, dass sie die an sich nette Atmosphäre empfindlich stören – zumal unsere „Geistbegleiter“ nur höchst selten die Klappe halten.

 

Ebenfalls unverständlich, wieso Deep Silver das Charakter-Tuning auf die Spielpausen zwischen den Levels beschränkt: Hier dürfen die gesammelten Münzen endlich in die Verbesserung von Fertigkeiten oder Waffen gesteckt werden, selbst der Einkauf von Heil-Gegenständen ist nur hier möglich. Weil es auch im Spiel selber so gut wie keine Beute gibt (den steten Goldsegen mal ausgenommen), ist „Sacred 3“ am Ende nicht mehr als ein ordentliches Koop-Kampfspiel, das ohne seine schwachsinnigen Sprüche und die inkonsequenten Rollenspiel-Einflüsse deutlich besser hätte sein können. Trotzdem: Wer über den Etikettenschwindel hinwegsehen kann, der freut sich über funktionierende Arcade-Action, die leider den denkbar ungünstigsten Namen trägt.

 

7.0 von 10 ("gut)

 


Keen Games, Deep Silver • PC, PS3, Xbox 360 • ca. 45 Euro • ab 12 Jahren • für Fortgeschrittene und Profis


WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut

10 = legendär