Kritik: Risen 3


 

Vor rund 13 Jahren war das erste "Gothic" vom deutschen RPG-Experten Piranha Bytes eine echte Wohltat: Das beschauliche Insel-Universum des Fantasy-Rollenspiels wirkte angenehm familiär, der räudig-dreckige Umgangston seiner Bewohner war ein erquicklicher Gegenpol zu den schwulstigen Epen der US-Entwickler, und die "Tomb Raider"-verwandte Echtzeit-Handhabe noch angenehm frisch. Die Erzählweise und Inszenierung des teils bockharten Profi-RPGs erinnerte auf heimelige Weise an deutsche Paper'n'Pencil-Rollenspiele wie "Das Schwarze Auge" oder "Midgard – darum war ein extrem erfolgreiches Heimspiel die verdiente Folge.

Doch seit Piranha Bytes mit seiner Nachfolgeserie "Risen" beim deutschen Branchen-Primus Koch Media bzw. Deep Silver unter Vetrag ist, versucht man sich fast schon zwanghaft daran, die Serie fit zu machen für den internationalen Markt: Die Folge ist ein zuweilen etwas unausgegorener Stilmix, der die "Gothic"-Schlagseite des ersten Teils zugunsten von "amerikanisierten Production-Values" zeitweise schmerzhaft mit Füßen tritt. Und das, ohne die Qualitätsmarke der ins Fadenkreuz genommenen US-Produktionen auch nur ansatzweise zu erreichen.

 

Da bildet auch Teil 3 keine Ausnahme: Nun versucht man zwar nach Kräften, den von Presse und Fans teils harsch kritisierten "Fluch der Karibik"-Faktor des zweiten Teils zu reduzieren und das Piratenboot wieder auf Fantasy-Kurs zu bringen, doch so ganz über Bord werfen mag man den erzählerischen Ballast des Vorgängers dann doch nicht. Immerhin sind alle drei Episoden erzählerisch miteinander verknüpft: Noch immer kreuzt man beim Kampf gegen die monströsen 'Titanen' durch eine Inselwelt, die sich nicht so recht entscheiden kann, ob sie schon im Piratenzeitalter angekommen ist oder noch im finsteren Mittelalter rumschippert. Denn um es den Fans des ersten, weniger stark piratös gepolten Teils recht zu machen, hat man einige Inseln des Nachfolgers wieder mit starker Fantasy-Schlagseite gestaltet. Hier wuseln auch die aus Teil 1 bekannten Kreaturen wie Goblins und Golems herum, während in anderen Teilen des Archipels wieder Karibik-Flair angesagt ist – mitsamt Krokodilen, Affen, Panthern und ähnlich aggressivem Dschungel-Gesocks. Allen gemein ist, dass sie dem Helden nichts Gutes wollen: Nachdem man sich von der Front-Visage der beiden letzten Episoden verabschiedet hat, geht es jetzt um den Bruder der aus Teil 2 bekannten Piratenbraut Patty. Der lässt im Kampf gegen eine gehörnte Skelettfratze – einen 'Schattenfürsten' – sein Leben, wird aber kurz darauf von einem Piraten-Kollegen mit Vodoo-Kräften wiedererweckt. Das Problem: Ein Teil der Heldenseele verrottet jetzt in einer düsteren Höllen-Dimension – und den zurückzubekommen, das ist ein wesentlichter Teil der Spiel-Motivation in "Risen 3".

 


 

Leider gehört es nicht unbedingt zu den Stärken von Piranha Bytes, die Faszination, die mit einer solchen Handlung einhergehen könnte, zu vermitteln: Narration und Regie des Titels sind teils unterirdisch schlecht, auch der in der "Gothic"-Reihe noch charmant wirkende und mit reichlich Kraftausdrücken "versüßte" Humor ist heute bestenfalls plump. Das Echtzeit-Kampfsystem hat man inzwischen wieder etwas aufgepeppt: Im Kampf gegen viele Monster und Menschen wird das Wechselspiel aus schnellen Schlägen, kräftigen Hieben, schwerfälligen Paraden und Ausweichrollen zwar schnell fummelig – aber gerade auf den niedrigeren Schwierigkeitsgraden sind die Gefechte mit einiger Vorsicht schnell gelöst und manchmal sogar erstaunlich spaßig.

Richtig Punkten können die deutschen Piranhas wie gewohnt bei der liebevollen Gestaltung der Spielwelt: Wunderschöne Dschungel mit tosenden Wasserfällen, detailverliebt ausstaffierte Tempel und Katakomben sowie malerische Fantasy-Landschaften sehen erheblich besser aus als im Vorgänger und machen selbst auf den betagten Konsolen eine ordentliche Figur. Im Zweifelsfall ist die PC-Version trotzdem die bessere Wahl, weil sie eine wesentlich höhere Texturauflösung mitbringt, auf flotten Systemen weitgehend Tearing-frei kommt und erheblich geschmeidiger läuft. Unverständlich außerdem, warum man nicht Xbox One bzw. PS4 bedient – die würden sich für die aufwändig gestaltete Welt besser eignen.

 

Trotz des schwachen Skripts, platter Figuren und hampeliger Charakter-Animationen ist "Risen 3" ein rundes Rollenspiel geworden, weil es in den wichtigsten Genre-Disziplinen einwandfrei funktioniert: Spielwelt, Forscher-Faktor und dem Wecken der Sammelleidenschaft.

Dennoch sollte sich Piranha Bytes künftig wieder mehr auf seine Stärken konzentrieren: Die Essener sind hervorragende Weltenbauer, aber Geschichten auf international konkurrenzfähigem Niveau erzählen können sie nicht. Hier wäre weniger mehr.

 

(8.0 von 10 / "gut")

 


Piranha Bytes, Deep Silver • ab sofort für PC, PS3, Xbox 360 • ca. 50 Euro • ab 12 Jahren • für Fortgeschrittene und Profis


WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut

10 = legendär