Kritik: Infinity 2.0

Rollenspiel-lastiger Themenpark für Weltenbauer: "Disney Infinity 2.0" für PS4, PS3, WiiIU, Xbox One und Xbox 360 will vor allem, dass die Fans für die wunderschönen Figuren tief in die Tasche greifen, doch spielerisch bleibt es nach wie vor hinter Activisions ähnlichen "Skylanders" zurück.



 

2013 wollte Disney mit seinem sündhaft teuer produzierten Aufgebot "Infinity" sein eigenes Stück vom Action-Figuren-Kuchen – einem Kuchen, der zum ersten Mal 2011 von Activisions erfolgreicher "Skylanders"-Reihe angschnitten wurde. Auch bei "Infinity" beamt man eine Action-Figur mit Hilfe eines USB-'Portals' in die digitale Welt, um dort Rollenspiel-artige Abenteuer mit ihr zu erleben. Im Falle von "Skylanders" sind das Activisisions speziell für das Abenteuer entwickelten Monsterchen und Fabelwesen – bei "Infinity" dagegen turnen Charaktere aus dem umfangreichen Disney-Universum durch die einzelnen "Playsets". Bei Teil 1 waren das z.B. Pixar-Promis wie "Die Unglaublichen" oder die Figuren aus sder "Monster Uni", in der Fortsetzung dagegen setzt der Konzern zum ersten Mal auf Charaktere, die auf den ersten Blick so gar nichts mit Disney zu tun haben: Weil die Helden von Marvels Comic-Imperium ebenfalls zum Marken-Fundus der Firma gehören, bilden sie zumindest Playset-seitig das Herzstück von "Infinity 2.0". So bringt das "Marvel Super Heroes"-Starter-Paket neben dem Spiel und dem US-Portal gleich das "Avengers"-Playset mit, drei kraftstrotzende Plastik-Helden aus dem Superhelden-Kosmos inklusive. Zusätzliche Helden gibt's für je zwölf Euro wie gewohnt im Handel – ebenso wie neue Playsets mit je zwei Helden (für ca. 30 Euro). Optional verfügbar sind zum Start außerdem die "Guardians of the Galaxy" und "Spiderman".

 


 

Während man bei "Guardians of the Galaxy" locker den Kinofilm nacherzählt und ein erstaunlich verschachteltes Level-Konstrukt im Stile eines Jump'n'Runs aufbietet, finden die "Avengers" und Spideys Abenteuer vor dem Hintergrund einer miniaturisierten Mega-City statt – bekannte Locations wie der Stark-Tower inklusive. Allen Sets gemein ist, dass nach dem geradlinigen und Action-lastigen Einstieg ein kleines Open-World-Spiel mit offener Missions-Struktur wartet: Man wetzt, fliegt oder fährt von Auftraggeber zu Auftraggeber, um danach irgendwelche Mechanismen zu aktivieren, Objekte aufzusammeln, Gegner zu verdreschen oder in einen umfangreicheren Sub-Level abzutauchen. Bewegungs- und Kampfkontrollen erinneren dabei mehr denn je an ein Kampfspiel: Flotte Angriffskombinationen, Spezialmanöver und Fernkampf-Attacken fangen gelungen den Stil des jeweiligen Superhelden ein, während man seine Fähigkeiten durch Punktevergabe nach jedem Stufenaufstieg weiter aufschlüsselt und individualisiert. Hier orientiert sich "Infinity 2.0" deutlich mehr an "Skylanders" als der Vorgänger: Das Rollenspielelement ist nicht nur ausgeprägter, sondern vor allem wesentlich ausgereifter als früher. Ein Vorteil, durch den die Spielzeuge abseits ihres schicken Aussehens endlich die überfällige Daseinsberechtigung bekommen – immerhin wird die komplette 'Persönlichkeit' des Charakters im Figuren-Sockel gespeichert.

 

 

Doch das eigentliche Alleinstellungsmerkmal von "Infinity" gegenüber Activisions "Skylanders" ist wieder mal seine größte Schwäche: Sämtliche Playsets sind einmal mehr um die 'Toybox' herum gruppiert – ein virtueller Themenpark-Baukasten, den der Spieler mit Hilfe von Elementen und Finanzmitteln zusammenstellt, die er in den Playsets erobert hat. Auf diese Weise entstehen Großstädte, verzauberte Wälder, Park-Anlagen, Racing-Parcours und sogar ganze Märchenschlösser, die man anschließend sogar mit Gegner füllen darf, um sie in Abenteuer-Module zu verwandeln. Das Problem dabei: Obwohl die Toybox viel Potantial birgt, wird sie nur unzureichend erklärt, außerdem ist das Zusammenraffen der nötigen Bausteine noch immer zu mühselig. Immerhin: Das Handling des magischen Baukastens hat sich seit Teil 1dramatisch verbessert. Trotzdem bleibt der Eindruck, dass die einzelnen Playsets wesentlich schöner, größer und vor allem abwechslungsreicher sein könnten, hätte man auf die Toybox verzichtet und stattdessen mehr Ressourcen auf die Abenteuer von Avengers, Guardians & Co. verwandt. Zumal viele prominente Charaktere auch künftig der Toybox vorbehalten bleiben – kommende Helden wie Maleficent oder Merida bekommen keine eigenen Playsets. Immerhin: Alle Figuren aus dem ersten "Infinity" finden auf diese Weise ihren Weg in den zweiten Teil: Die Toybox macht's möglich.

 

Wer die teils drastische schwankende Qualität in den zu klein geratenen Playsets verknuspern kann, der bekommt mit "Infinity 2.0" einen kompetenten Weltenbauer, der allerdings den gleichen Fehler begeht wie sein Vorgänger: Am Ende verzettelt er sich und bekommt keines der präsentierten Elemente zur vollen Zufriedenheit von Disney- bzw. Marvel-Fans hin. Weniger wäre mehr gewesen. Dass am Ende unseres Berichts trotzdem ein "Gut" steht, das ist dem Gesamtpaket gedankt: Figuren-Sammler mit Bastel-Ambitionen werden trotz der spielerischen Schwächen ihren Spaß haben. Bei einem Titel wie "Infinity" kann man die Spielzeug-Komponenten unmöglich aus der Rechnung raus dividieren – eigentlich entzieht sich das Komplett-Angebot herkömmlichen Bewertungs-Kriterien. Sollten wir die Playsets allein bewerten – also ohne Spielzeuge oder Toybox – dann würden wir 6.5 ("befriedigend") vergeben.

 

(7.5 von 10 / "gut")

 


Avalanche, Disney Int. • ab sofort für PS4, PS3, WiiU, Xbox One, Xbox 360 • ca. 70 Euro • ab 12 Jahren • für Fortgeschrittene und Profis


WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut

10 = legendär