Dragon Age: Inquisition

Unbequem, aufgebläht und nicht besonders schön, aber trotzdem irgendwie spaßig: Biowares "Dragon Age: Inquisition" für Xbox, PlayStation und PC überfährt Erfahrungspunktjäger mit zu vielen Features, kriegt am Ende aber trotzdem noch die Kurve. Haarscharf. 

getestet auf PS4, auch für PS3, Xbox One, Xbox 360, PC

von Ubisoft

für Fortgeschrittene und Profis


im Handel

ca. 60 Euo

ab 16 Jahren



Auch in Thedas klappern wir die für Rollenspiele und Adventures typischen Klimazonen ab: Üppige Wälder, heiße Wüsten, verschneite Gebirge – genau so gehört sich das.  



In Thedas ist wieder mal die Hölle los – und zwar buchstäblich: Nachdem der Fantasy-Schauplatz bereits in zwei Spielen vor hungrigen Dämonenhorden gerettet werden musste, steppt jetzt schon wieder gehörntes Viehzeugs durch den Heldenvorgarten. Schuld ist diesmal ein geheimnisvoller Riss im Gefüge der Realität: Wo immer grünliche, wabernde Energiefelder auftauchen, da wird die Grenze zwischen den Welten durchlässig – und schlüpfen so lange entstellte Kreaturen durch den 'Schleier', bis der Spieler-Avatar das Loch wieder flickt. Und zwar mit einem Mal auf seinem Handrücken, das die selbe Energie-Signatur trägt wie die Realitäts-Risse. Wie es dahin gekommen ist? Keine Ahnung. 

Denn das gehört zu den Geheimnissen, die der Spieler in "Dragon Age: Inquisition" lösen muss. Und damit zu den wenigen Mysterien, die nicht deutlich sichtbar an die virtuelle Weltkarte gepinnt werden: Anders als seine beiden Vorgänger von 2009 bzw. 2011 konzentriert sich "Inquisition" nicht mehr auf ausschweifende Dialoge zwischen den Mitgliedern der vierköpfigen Heldentruppe, sondern die Spielwelt selber. Die ist mittlerweile nicht nur deutlich gewachsen, sondern vor allem offener geworden: Die unterschiedlichen Ländereien von Thedas werden wie in einem MMORPG á la "World of Wacraft" nach eigenem Gusto durchstreift, erkundet und von aggressivem Feindgetier gesäubert. Und während die Gruppe so durch knallbunte Wäldchen, Ruinen, Gebirge und Städtchen schwadroniert, ploppen auf der Karte wie von Zauberhand unzählige Symbole auf: Eine Mission hier, ein neuer Auftraggeber da. Hinweise, Mysterien, Sammelgegenstände, Eingänge zu unterirdischen Kavernen und natürlich Probleme über Probleme. Tatsächlich wimmelt es auf den einzelnen Karten von Thedas bald so von Stickern, Pins, Kritzeleien und Icons, dass die eigentlich große Spielwelt auf einmal klitzeklein wirkt. Das ist etwa so, als würde man in einer Kleinstadt pro Quadratmeter zehn Verkehrsschilder in den Asphalt propfen: Was zu viel ist, das ist zu viel. 


Hin und wieder wirkt die Natur in "Inquistion" zu sehr, als hätte man sie aus vom Modelltisch eines Hobby-Eisenbahners importiert – doch insgesamt ist die Landschaft das visuelle Highlight dieser "Dragon Age"-Episode.




Das Resultat ist eine Spielwelt, in der es den Helden zwar nie an Beschäftigung mangelt – wohl aber an der Sorte dichter Atmosphäre, die ein gelungenes Rollenspiel erst zu dem macht, was es ist.

Der Terminplan ist chronisch überfrachtet, und das Abenteuer selber dadurch dermaßen bürokratisch, dass man keine Gelegenheit bekommt, sich mit dem Schauplatz anzufreunden. Und das, obwohl sich Biowares Autoren sichtlich Mühe dabei gegeben haben, ihre Spielwelt mit ebenso viel lesbarer Zettelwirtschaft zu spicken wie die Karte mit Missions-Markern. Selbst bei ausgesprochenen Leseratten macht sich schnell Ermüdung breit, denn auch hier öffnet Bioware plump alle Schleusen anstatt feingeistig vorzusortieren: Einfach den ganzen Blätterwald über dem Spieler ausschütten – der wird sich schon zurechtfinden! 



Ob im schummrigen Dungeon oder der sonnendurchfluteten Pampa darüber: Die Gefechte sind trotz Pausier-Funktionen und taktischem Ringmenü ganz schön chaotisch. Das grell-bunte Potpourri aus vielen, nah beieinander stehenden Figuren, Effekten und Landschafts-Details sorgt dafür, dass man viel zu oft die einzelnen Kombatanten kaum noch erkennen kann. Am besten, man umgeht den strategischen Schnickschnack, konzentriert sich auf konsequentes Leveln und verdrischt die Gegner dann nach diablo'esker Echtzeit-Manier. Das schont die Nerven.

 

All das macht "Dragon Age: Inquisition" zum ganz großen Genre-Wurf, wenn es um pure Mechanik und schieren Umfang geht. Doch was Biowares Feature-Monster leider fehlt, das ist der Fokus. Dass es nach einigen Stunden Leidensweg trotzdem eine Art Suchtwirkung entfaltet, ist fast schon ein Phänomen: Das Spiel, an dem es eigentlich nichts Liebenswertes gibt, beginnt sich allmählich beliebt zu machen. Vielleicht liegt an den sorgsam aufeinander abgestimmten Fertigkeiten. Oder dem beschwingten, Action-inspirierten Kampf-Gehacke mit einem Hauch von Taktik. Oder den munter vor sich hin gurgelnden Gebirgsbächlein und den kuscheligen Tannenwäldchen, in denen eigentlich kein Baum so recht zum anderen passen will. Oder den degenerativen, Persönlichkeits-befreiten "Fantasy-Sims", die Thedas Städtchen bevölkern und so verzweifelt darum bemüht sind, mit ihrem platten Geplapper geschäftiges Treiben vorzugaukeln. Denn die krude Summe von all diesen so ungeschickt aufeinander abgestimmten Versatzstücken wirkt ein bisschen wie die moderne Entsprechung zu den Rollenspielen von anno dazumal: Sie ist ungeschliffen, stellenweise ganz schön peinlich und gerade dadurch auf eigentümliche Weise charmant. "Inquisition" will groß, episch und professionell wirken, ist aber vor allem eins: Nerd-Kost in Reinform. Darüber können weder die ach so zeitgemäßen Online-Features noch das aufgeblähte Truppen-Management Marke "mach Dir Deine eigene Inquisition" hinwegtäuschen. "Dragon Age" ist nicht wie der coole Commander Shepard aus Mass Effect, es ist wie… Sheldon Cooper.  

Heiltränke werden am Lager automatisch aufgefüllt, andere Tinkturen muss man selber brauen

Maximaler Reisekomfort: Auf der Karte vorgenommene Markierung sind in der Wildnis als Lichtsäule weithin erkennbar

Schnippschnapp: Ein wichtiger Zeitvertreib ist das Sammeln von nützlichem Gemüse



GRAFIK: Wunderschöne Landschaften saugen einen direkt in die Spielwelt, doch uninspirierte Innen- bzw. Gebäude-Architektur und teils potthässliche Protagonisten trüben den visuellen Eindruck empfindlich.


SOUND: Satte Sound-Effekte, direktional abgemischter Schlachtenlärm und eingängige, orchestrale Themen machen "Inquisition" zum ausgesprochenen Ohren-Schmeichler.


STEUERUNG: Die Gruppe selber steuert sich angenehm flott durch Thedas, doch zahlreiche Stolpersteine bei der Landschafts-Architektur hemmen den Fortschritt – unsere Figuren bleiben ständig an irgendwelchen Kanten, Ecken Steinchen und Unterschieden im Höhen-Niveau hängen. Auch die unbeholfene Sprung-Funktion macht das kaum besser. Hinzu kommt eine zumindest Konsolen-seitig selten dämliche Menüführung, die wieder mal dem Analog-Stick und dem Digi-Kreuz unterschiedliche Blätter-Funktionen zuweist. 


SPIELSPASS: Obwohl die meisten Einzel-Komponenten spürbar kranken, kriegt "Inquisition" als Gesamtwerk doch noch die Kurve. Das Zusammenspiel aus MMORPG-verwandter Sammelei, Ressourcen-Management, einigen witzigen Dialogen versprühen eine Art nerdigen Gesamt-Charme, dem sich passionierte RPG-Fantasten nur schwer entziehen können. Die cineastisch geschliffenen Production Values eines "Mass Effect" darf man hier allerdings nicht erwarten!