Tales from the Borderlands

Adventure-Experte Telltale verwandelt nach Zombies, Fabelwesen und Rittern jetzt auch die Mutanten aus 2K's "Borderlands"-Serie in ein auf Story und Dialog gebürstetes Abenteuer mit Serien-Konzept. Telltale-Fans freuen sich auf eine Episode mit Biss, Humor und einer ungewohnt hohen Dosis Adrenalin, die nach dem ungewohnt schwachen "Game of Thrones" wieder versöhnlich stimmt. 

PS4, PS3, Xbox One, Xbox 360, PC, iOS

von Telltale Games

ein Spieler

für Einsteiger und Fortgeschrittene und Profis


im Handel

ca. sechs Euro



Telltale hat seine Production Values noch immer nicht erhöht – die Animationen sind zu roboterhaft und die Mimik eisig. Trotzdem: Zum Comic-Look von Gearbox' "Borderlands"-Universum passt's.



Zuerst "The Walking Dead", dann "The Wolf Among Us", zuletzt noch "Game of Thrones". Laut einer aktuellen News-Meldung machen die Adventure-Experten von Telltale Games nicht mal vor dem virtuellen Klötzchen-Baukasten "Minecraft" Halt: Alles wird in Serien-artig strukturierte Interaktiv-Erzählungen mit einem Hauch von Point'n'Click verwandelt. Entweder kauft man alle Episoden einer 'Staffel' für je sechs Euro einzeln – oder aber man blättert 30 Euro im Voraus hin und wird beim Erscheinen eines neuen Teils automatisch weiterversorgt. Und das, bis die nächste Staffel erscheint. 


Ein Konzept, das der auf Download-Games spezialisierte Entwickler jetzt auch auf 2K's prominentes Shooter-Rollenspiel "Borderlands" anwendet: In "Tales from the Borderlands" macht Telltale aus der Action-Vorlage ein vergleichsweie ruhiges Adventure. Bei der Suche nach einem der begehrten 'Vault-Schlüssel" durchstreifen der aufsässige Konzern-Angestellte Rhys und die Diebin Fiona (nacheinander und jeder für sich) die vergammelten Bretter- bzw. Blechbuden des Gauner-Planeten Pandora. Die sehen nach wie vor so aus, als hätte man sie aus den Überresten eines postapokalyptischen "Mad Max"-Filmsets konstruiert – mit dem Unterschied allerdings, dass sie nicht auf der Erde, sondern einem anderen Planeten stehen. Und der wurde einst von einer Alien-Spezies bewohnt, deren märchenhafte Reichtümer angeblich in den 'Vaults' gelagert sind: Grund genug für Heerscharen von Schatzsuchern, Zugang zu suchen – auch skrupellose Konzerne wie das böse Hyperion-Imperium sind interessiert. Und auf dessen Gehaltsliste steht zufällig der smarte Rhys: Als er ein Gespräch seines Chefs überhört, in dem von einem der begehrten Vault-Schlüssel die Rede ist, wittert der Konzern-Soldat einen großen Fang – und lässt sich prompt auf den unwirtlichen Planeten schießen, um sich dort auf die Suche zu machen. 


Action-Sequenzen wie der ferngesteuerte Amoklauf dieses Roboters werden mittels Quicktime-Button-Gehämmere und gelegentlichen Fadenkreuz-Shootouts gelöst. Ist primitiv, macht aber Spaß.


Hin und wieder merkt man Telltale noch die Point'n'Click-Herkunft an: Dann dürfen sich die Charaktere frei durch ein Set bewegen und in Ruhe per 'Klick' die Umgebung ansehen.



Die verläuft aber nicht "Borderlands"-typisch mit nach Shooter-Art vorgehaltener Knarre, stattdessen wird Telltales-typisch vor allem geredet – selbst skrupellose Gauner und Mutanten versucht man erstmal an die Wand zu quatschen. Zwischen den eingeblendeten Dialag-Optionen muss man sich allerdings innerhalb eines strengen Zeit-Limits entscheiden – sonst ist die Chance vertan. Und wird aus dem Blabla doch mal ein Bumm-Bumm oder Kawumm, dann müssen Rhys bzw. Fiona eine Quicktime-Schlacht bestehen: Rechtzeitig eingeblendete Button-Kombinationen eingeben oder Stick-Bewegungen nachvollziehen, hin und wieder mit dem Fadenkreuz auf Gegner zielen – Timing und Schnitt der Gefechte sind nahezu perfekt, der Spaßfaktor ebenso wie bei den humorig-selbstironischen Dialogen ungewöhlich hoch. 


Nach dem vergleichsweise schwachen "Game of Thrones" liefert Telltale mit seinen "Borderlands"-Geschichten endlich wieder ein Debüt ab, das es mit "Walking Dead" aufnehmen kann – zumal die auf Comic getrimmte Cel-Shading-Grafik perfekt zum undergroundigen Stil des Entwicklers passt. Fans der Ego-Shooter haben zwar ganz klar einen Verständnis-Vorteil, aber auch ohne "Borderlands"-Vorkenntnisse blickt man durch.



8.5

sehr gut

Grafik: gut

Sound: gut

Steuerung: sehr gut

Spielspaß: sehr gut



GRAFIK: Wesentlich hübscher und stilsicher als das visuell über weite Strecke vergurkte "Game of Thrones". Kein Wunder: Die bereits im Comic- und Cel-Shading-Look gehaltene Action-Vorlage von 2K bzw. Gearbox eignet sich perfekt für eine Telltale-Umsetzung – die haben mit "Walking Dead" und "Wolf Among Us" ja bereits gezeigt, dass sie interaktive Comics am besten können. Trotzdem: Die Animationen sind noch immer zu steif, auch die Mimik vieler Figuren wirkt auf gruselige Weise maskenhaft. Hübsch: Die rasant geschnittenen Action-Sequenzen – das hat bisher noch kein anderes Telltale-Abenteuer so schick und filmisch hinbekommen.

 

SOUND: Die Sprecher chargieren auf gewohnt hohem Niveau, der Soundtrack bedient sich üppig und obendrein geschickt bei der Vorlage. Bei der Abmischung der Action-Sequenzen hätte man gerne ein bisschen mehr Druck machen dürfen.

 

STEUERUNG: Die Multiple-Choice-Dialoge bilden nach wie vor das spielerische Herzstück von Telltales' modernen 'Graphic Novels' und laufen unter Zeitdruck. Die Quicktime-Events funktionieren wesentlich flotter und zuverlässiger als bei "Game of Thrones" – die Action in "Borderlands" nervt nicht, sie macht Spaß. 

 

SPIELSPASS: Die spannungsgeladen SciFi-Story (nach wie vor mit einem Schuss "Mad Max"-Endzeit) unterhält bis zur letzten Minute – der Wechsel zwischen den beiden Figuren sorgt am Ende für einen launigen und obendrein cleveren Twist mit einem Hauch von "Rashomon". "Tales from the Borderlands" ist Telltales bisher humorigstes und erzäherlisch unterhaltsamstes Abenteuer. Die emotionale Tiefe der frühen "Walking Dead"-Episoden erreicht es aber nicht.