Ein Spiel, das wächst und gedeiht: Ubisofts Robo-Gärtner B.U.D. macht einen auf Independent-Held und präsentiert dabei der Steam-Gemeinde einen prozeduralen Hupf- und Kletterspaß mit
charmanter Retro-Schlagseite.
PC (Steam)
von Ubisoft Reflections
ein Spieler
für Fortgeschrittene und Profis
im Handel
ca. 15 Euro
Mit Pusteblumen und Blättern fängt B.U.D. bodenlose Stürze ab. Die Pflänzlein werden im Rucksack des Roboters verstaut. Achtung: Die Wirkungs ist zeitlich befristet!
Mit seiner mittelprächtigen Raserei "The Crew" hat "Driver"-Erfinder Reflections unlängst eher für Unmut als Begeisterung gesorgt. Doch jetzt meldet sich das inzwischen zum Ubisoft-Imperium gehörende Team mit einem Kleinst-Spiel zurück, das von der ersten bis zur letzten Minute die Sorte sympathischen Independent-Flair versprüht, der Titel wie "Mincraft" groß gemacht hat. Genauso wie der Bauklotz-Hit von Markus Persson ist "Grow Home" kein vorgefertigter, Stein für Stein von Designer-Hand gebauter Spiele-Sandkasten, sonder ein prozedural generiertes Computer-Universum. Grob übersetzt heißt das: Die digitale Welt des kleinen Roboters"B.U.D. ("Botanical Utility Droid" bzw. "Botanischer Werkzeug-Droide") wächst innerhalb der programmierten Parameter von selber und sieht deshalb bei jedem Spieler ein bisschen anders aus. Das bedeutet aber auch, dass man Texturen und ähnlich modernen 3D-Schnickschnack vergeblich sucht – stattdessen bereist der putziger Robo-Gärtner einen Kosmos aus nackten Polygonen.
Hässlich ist der deshalb aber noch lange nicht: Die wirr ineinander verzwirbelten Rankenpflanzen und schwebenden Plattformen dieses verspielten Garten Eden sind so geschickt eingefärbt, modelliert und beleuchtet, dass "Grow Home" hierdurch seine ganz eigene, retrospektiv angehauchte Ästhetik erhält. Die wirkt wie ein versöhnlicher Schulterschluss aus harter 80er-Jahre-Computer-Grafik und psychedelischer Flowerpower. Wäre B.U.D. kein Konstrukt aus Muttern und Schrauben, dann müsste man ihm exzessiven Drogen-Genuss unterstellen.
Häufig können wir die Ranken nur entlang klettern – doch über die breiteren Partien darf unser Roboter laufen. Das ist weniger sicher, geht aber deutlich fixer.
Immerhin gibt's in der Spielwelt nicht nur reichlich phalllisch geformte Pflanzen, selbst Pilze findet der possierliche Schraubenhaufen überall. Denn in "Grow Home" dreht sich tatsächlich alles um wild wuchernden Bewuchs und dessen Kontrolle: B.U.D. will mit Hilfe der außerirdischen Flora 'heimwärts wachsen' – darum kraxelt er riesenhafte Ranken empor, setzt sich auf deren Blütenauswüchse und motiviert sie dazu, in genau die Richtung zu wachsen, die er sich dafür in seinen Blechkopf gesetzt hat. Und fühlt sich dabei ein bisschen wie Jack auf dem Bohnenstangen-Express ins Reich der Riesen.
Hat B.U.D. dabei erfolgreich an einem der schwebenden Energiefelsen festgemacht, dann saugt die Ranke begierig dessen Reserven auf, um den zentralen Stamm wieder ein Stückchen weiter wachsen zu lassen – und zwar weiter in Richtung zur nächsten der großen Hauptplattformen, die B.U.D.s Umgebung eine Level-artige Etagen-Struktur verleihen. Weil die Kletterpartien dem Spieler ein geschickt abgepasstes Wechselspiel aus linkem und rechtem Schulter-Trigger des Joypads abverlangen, ist die Kraxelei auch für den Spieler ganz schön anstrengend. Endet sie deshalb mal vor lauter Erschöpfung mit einem Sturz in die Tiefe, dann zaubert die niedliche Blechbüchse aus ihrem Rucksack eine zuvor gesammelte Spezialpflanze hervor. Riesen-Gänseblümchen lassen sich dabei als Fallschirm entfremden, Blätter als Gleitschirm für einen sanften Ritt auf den Luftströmungen.
Wer die anfangs gewöhnungsbedürftige, weil ungewohnt träge Steuerung des herzigen Roboter-Kumpels veschmerzen kann, der genießt mit "Grow Home" einen zwar reichlich kurzen, aber dafür auch unglaublich inspirierten Ausflug. Der erinnert obendrein auf wohlige Weise an die frühe Heimcomputer-Zeit mit ihrer häufig nur rudimentären 3D-Struktur, die man trotzdem begierig bis zur letzten Kante und zum letzten Winkel erforscht hat. Auch bei "Grow Home" geht es vor allem um Erkundung und Bewegung – ein Konzept, das dem Titel in Zeiten bedeutungsschwangerer Story-Schwergewichter einen angenehm experimentellen Charme verleiht. Unser Tipp: Unbedingt rein- und dann mitwachsen!
8.5
sehr gut
Grafik: sehr gut
Sound: gut
Steuerung: gut
Spielspaß: sehr gut