Mit Licht und Schatten gegen das Heimweh: Mit seinem PC-Download "Homesick" liefert Indie-Entwickler Lucky Pause ein ebenso depressives wie ehrgeiziges Adventure-Experiment ab, das nicht nur durch seine Rätsel zum Nachdenken anregt.
PC
von Lucky Pause
für einen Spieler
für Fortgeschrittene und Profis
im Handel
ca. 15 Euro
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Die allmähliche Begrünung des Schauplatzes spielt eine wichtige Rolle. Erst wenn im aktuellen Abschnitt des Komplexes wieder Gras und Blumen sprießen, darf man ein Nickerchen machen und
anschließend zum nächsten 'Level' voranschreiten
Die kalifornische Independent-Schmiede "Lucky Pause" erzählt gerne interaktive Geschichten, bei denen der Spieler selber ergründen muss, worum es eigentlich geht: In seinem egoperspektivischen
Spaziergang "Homesick" lässt das Studio den Spieler durch die Korridore und Räume eines verfallenen Gebäude-Komplexes irren, die allesamt in Grautönen gehalten sind. Die Schönheit des Verfalls
ist dabei ebenso melancholisch wie malerisch getroffen: Von den feucht glitzernden Wänden blättert die Tapete ab, in den Ecken türmen sich Staub und Steinchen, auf dem Fußboden sammeln sich
Pfützen – und selbst das Mobiliar löst sich allmählich in seine Bestandteile auf. Warum der zunächst namlose Protagonist hier aufwacht, das ist genauso unbekannt wie sein Aufenthaltsort: Die
über staubbedeckte Tische verteilten und in rostigen Aktenschränken gesicherten Schrifstücke sind in einer kryptischen Sprache verfasst, die wie eine Mixtur aus Blindenschrift und Morse-Code
anmuten – ein bisschen Aufschluss über die Hintergrundgeschichte geben allein vereinzelte Kinder-Kritzeleien und Fotografien.
Das einzige Lebenszeichen in diesem tristen, fast schon jenseitig inszenierten Kosmos sind ein paar vertrockente Grashalme, die zwischen den gesprungenen Bodenplatten hervorsprießen und die sich
verzweifelt in Richtung Licht recken. Einem Licht übrigens, das für den Helden selber äußerst schmerzvoll ist: Wann immer er einer Fensterfront zu nahe kommt, dann überstrahlt es wie beim Blick
in eine nukleare Explosion – und er muss sich schmerzerfüllt abwenden. Entsprechend sind lichtdurchflutete Korridore für den Spieler tabu. Aber was, wenn kein anderer Weg ins Ziel führt?
Abhilfe schafft hier nur ein Gang in die geträumte Parallelwelt: Hat man nach dem Lösen einiger Puzzles die karge Flora in den Gängen ausreichend gewässert, um ein paar Blumen zum Sprießen zu
motivieren, dann meldet sich das müde Alter Ego mit einem herzhaften Gähnen zu Wort – "Ich will mich bitte hinlegen!". Gesagt, getan: Ein Nickerchen auf einer alten, maroden Matratze oder
der abgewetzten Couch lässt den Spieler in eine nächtliche, jenseitige Welt wechseln, in der die Dunkelheit wie ein lebendiges Ding von Boden und Decke tropft und ihn zu umschließen sucht. Nur
hier kann er die sonst unpassierbaren Lichtfronten durchqueren und für die Rückkehr in die Wachwelt neue Passagen öffnen.
Das herrlich deprimierend präsentierte "Homesick" ist genau das Richtige für alle, die einen in wunderschöner Traurigkeit erstarrten Adventure-Kosmos erforschen wollen – vorausgesetzt, sie
haben kein Problem mit einigen knallharten Rätselkopfnüssen. Denn wie so viele Ego-Trips in "Myst"-verwandter Point'n'Click-Machart bleibt auch "Homesick" dem Gamer jegliche Erklärung über seine
Spielmechanismen schuldig: Jeder Fortschritt in Raum und Geschichte muss hier hart erarbeitet, erknobelt und erklickt werden. Und wirkt irgendwie, als würde man sich nicht an einem tatsächlichen
Ort, sondern in der Erinnerung eines Helden herumtreiben, dessen Gedanken durch ein furchtbare Katastrophe durcheinander geschüttelt wurden. Damit reiht sich "Homesick" zusammen mit "Ether One"
in die Reihe derjenigen Spiele ein, die nicht die äußere, sondern die innere Welt des Menschen abbilden.
7.5
gut
Grafik: sehr gut
Sound: gut
Steuerung: gut
Spielspaß: gut