Xenoblade Chronicles X


Ein Häuflein Überlebender auf einem menschenverlassenen, unbekannten Planeten. Turmhohe Alien-Monstrositäten, die durch die Steppen unerforschter Kontinente stapfen. Und natürlich hochgerüstete Mech-Kampfroboter, die mit überdimensionierten Laser-Knarren oder Raketenwerfern diese Aliens beharken: Aus diesen Zutaten mixt der japanische Entwickler Monolith Sosft ("Xenoblade Chronicles", "Xenosaga") ein Mammut-Rollenspiel, über das sich besonders Freunde japanischer Genre-Kost freuen – oder solche, die Animations- und Comic-Kunst made in Japan gewohnheitsmäßig verschlingen.

Ausschweifende Filmsequenzen mit den Anime-Protagonisten gibt es gerade während der ersten Spielstunden reichlich: Hier ist der wuschelhaarige und kulleräugige Erklärbär dermaßen omnipräsent, dass Manga-Allergiker bereits nach kurzer Zeit genervt die Augen verdrehen. Wer hier reinfinden möchte, der muss nicht nur Rollenspieler sein – er muss auch die vielen Manga- und Anime-Werke lieben, die das Abenteuer so üppig zitiert.

Dabei lohnt sich das Überwinden der Einstiegshürde: Der Überlebenskampf der letzten Menschen gegen Xeno-Aliens, insektoide Raubkatzen und schneckenartige Sauropoden ist fulminant inszeniert, und das Spielsystem angenehm ausgeklügelt: Irgendwo zwischen zahllosen Menüs, automatisiertem Gekloppe und Spezialangriffen mit Abklingzeit versteckt sich ein Konzept, das viel Tiefe hat. Nur wird längst nicht jeder Spieler die nötige Geduld aufbringen, um diesem System auf den Grund zu gehen. Denn so gigantisch die "Xenoblade"-Welt auch ist (angeblich passt die riesenhafte "Witcher 3"-Welt gleich mehrmals hinein), so steril und leblos ist sie auch: Obwohl es überall kreischt, grunzt, maunzt, brüllt oder gurrt, mangelt es der schönen neuen Welt an Profil. Die raffiniert geschwungenen Felsformationen bilden nicht die Kulisse für packend erzählte Geschichten – sie sind lediglich der Humus für eine arbeitsintensive Jagd nach Punkten und Ressourcen.


 

"Xenoblade Chronicles X" – das ist eine gigantische Feature-Kollektion: Sie kredenzt dem Freund japanischer Rollenspielkost alles, was er will – jedes "Must Have" wird pflichtbewusst abgehakt und zur Zufriedenheit der Fans umgesetzt. Von wunderschön gefilmten Erzähl-Sequenzen über possierliche Sidekicks bis hin zu Riesen-Robotern, die durch die Heldengruppe spielbar sind. Das Umfangsmonster von Monolith könnte perfekt sein – würde ihm nicht etwas ganz Entscheidendes fehlen: Die Seele
Die Eroberung einer neuen Welt für die Menschheit besteht vor allem aus Ressourcen-Sammelei, Forschung und Landerschließung. Einer Erschließung, die so arbeitsintensiv ist, dass man dafür online gehen und die Figuren anderer Spieler verpflichten darf. Um sie danach der eigenen Heldengruppe als Söldner zur Seite zu stellen. Leider ist das daran gekoppelte Kampfsystem ziemlich sperrig geraten: Der von westlichen MMORPGs inspirierten Kreuzung aus automatisierten Echtzeit-Gehacke und Fertigkeiten mit Abklingzeit mangelt es zwar nicht an taktischer Finesse, wohl aber an Dynamik und Übersichtlichkeit.

Und all das kommt  mit einer monströsen Hexfeld-Karte für den Gamepad-Touchcreen. Die soll das Gigantische handlich machen, sorgt mit ihrem gigantischen Sammelsurium aus Filtern aber nur für noch mehr Verwirrung. Nur wer sich hier mit echter Engelsgeduld reinfummelt, der entdeckt hinter dem ungewöhnlichen System eine tolle Idee.

 

Kurzum: Wer zugunsten des gigantischen Umfangs auf eine packende Erzählung oder eine persönliche Note verzichten kann, der wird am neuen "Xenoblade Chronicles" seinen Spaß haben. Auch wer ein grandios aufgezogenes Spielsystem mit viel Fleißarbeit und Taktik besiegen will, der ist goldrichtig. Hier gibt sich das Mega-Rollenspiel der "Ära WiiU" keinen Blöße. Wer dagegen ein modernes RPG mit Profil, echten Innovationen und zugänglichen Kontrollen sucht, der nimmt lieber Abstand: Das Mammut-RPG von Monolith ist ein unhandlicher Brocken, mit dem sich nur ausgesprochen hartgesottene Freunde des japanischen Subgenres  anfreunden können.

Ähnlich polarisierend ist übrigens der Sountrack von Hiroyuki Sawano ("Attack on Titan") ausgefallen: Während Gefechten und Shopping-Tour mit sich ständig wiederholenden Hip-Hop- oder "Linkin Park"-artigen Rock-Rap-Jingles berieselt zu werden – das ist für die meisten Rollenspieler wohl eher gewöhnungsbedürftig. Und nicht gerade passend.

 

Robert Bannert

 


7.5

gut

Grafik: sehr gut

Sound: befriedigend

Steuerung: befriedigend

Spielspaß: gut