Unravel

 

 

Neue und vor allem ungewöhnliche Helden braucht die Spielewelt: Helden wie den kleinen Yarni. Das schwedische Studio Coldwood verarbeitet in dem flitzenden, hoppelnden und knobelnden Wolle-Kobold die einheimischen Mythen um freche bis dienstbare Geister. Die entspringen hier nicht mehr nur der Natur – längst haben sie es sich auch dort bequem gemacht, wo der Mensch zuhause ist und durchdringen alle Bereiche seines täglichen Lebens: vom Dreschen des Korns im Frühjahr über das wärmende Kaminfeuer in einer bitterkalten Winternacht bis hin zu einer Schale voller Strickgarn – dem Geburtsort des herzigen "Unravel"-Helden. Was immer der Mensch anpackt, das erfüllt er mit Energie und Leben, beseelt es. Ruft es ins Dasein, indem er es mit Absicht, Zweck und ZIel auflädt. Im Falle von Yarni geht es darum, einer alten Dame die Erinnerungen an ein erfülltes, aber auch verlustreiches Leben vor Augen zu führen. Von dem Moment an, in dem der wollige Wonneproppen aus dem Strickzeug des einsamen Großmütterchens purzelt, ist er damit beschäftigt, die Ereignisse ihres Lebens buchstäblich an einem roten Faden aufzureihen – und nicht selten kommt es dabei vor, dass sich der kleine Kerl buchstäblich verheddert. Denn Coldwood inszeniert das mal friedvolle, mal ereignisreiche Leben von Omilein als Jump'n'Run- und Knobel-Kurs. Und der hat es in sich: Yarni kämpft sich durch den rauen Wellengang an einem Pier, wehrt sich im Moor gegen aufdringliche Insekten und schwingt sich mit seinem Faden über die schnappenden Scheren von gierigem Krusten-Getier. Oder aber er grübelt im hohen Gras eines alten Bauernhofs, wie er wohl das rostige Fahrrad wieder in Gang in bringt, um mit seiner HIlfe endlich das Gartentor zu überwinden. Für Yarni ist es eine Welt der Riesen, die er hier in einem knallharten Leven nach dem anderen passiert – und sein einziges Hilfsmittel ist dabei das Garn aus dem er besteht. Mit dem kann er schwingen, klettern, sich abseilen – oder aber es an Level-Elementen festmachen, um dann daran zu ziehen und zu zupfen. An diesen Stellen spielt "Unravel" üppig mit der Physik: Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, das kippt, kullert, kugelt, wackelt und rollt. Manchmal reicht dafür  ein kleiner Stupser, ein anderes Mal braucht Yarni erst  Hebel oder Rammbock. Richtig gemein wird's, wenn unser Held dafür seine Strippe zur Hilfe nehmen muss: Die will  erst aufwändig festgemacht, durch enge Passagen geschleust oder buchstäblich umgeleitet werden, damit Yarni trotz Mini-Muskeln genug Zugkraft aufbringt. Weiteres Problem: Die Garnreserven sind nicht unendlich! Weil die Strippe noch immer am Strickzeug von Omilein festgemacht ist, ribbelt sich unser Alter Ego langsam, aber sicher auf. Einziger Ausweg: So sparsam wie möglich mit der wolligen Reserve umgehen, damit sie bis zum nächsten Checkpoint reicht – dann gibt's nämlich kuschelweichen Nachschub!

 

So ganz und gar nicht kuschelweich sind dagegen die Kopfnüsse, mit denen sich Yarni immer wieder konfrontiert sieht – darum nehmen nur geduldige Spieler die Herausforderung an. Wessen Nervenkostüm aber nicht aus Wolle, sondern Drahtseilen gemacht ist – der erlebt mit "Unravel" ein Hupf-Abenteuer, das sich ebenso pracht- wie gefühlvoll präsentiert: Nach "Ethan Carter" ist das schwedische Ausnahme-Jump'n'Run bereits der zweite Titel, der den AAA-Blockbustern der großen Studios den Inszenierungs-Rang abläuft. Besonders eindrucksvoll sind dabei aber die Bilder, die hier vor unserem innere Auge erscheinen: Coldwood setzt auf eine Story, die sich mit Hilfe des kleinen Helden und seiner Reise wie von selbst erzählt. Ganz ohne Sequenz- und Cutscene-Blabla ganz große Gefühle weckt. Dagegen unschön, aber trotzdem noch verschmerzbar: Die bockige Steuerung sorgt für unfreiwillige Bildschirmtode und Garn-Verhedderer, die Yarni mit einem Neustart der aktuellen Hupf-Sequenz kontern muss.


8.5

sehr gut

Grafik: sehr gut

Sound: gut

Steuerung: gut

Spielspaß: sehr gut