Deponia Doomsday

 

Mit ihrer Point'n'Click-Trilogie "Deponia" haben die deutschen Adventure-Experten von Daedalic einen kolossalen Erfolg gefeiert: Der humorige Dreiteiler um den egozentrischen Antihelden Rufus ist nicht nur der erfolgreichste Genre-Vertreter made in Germany — er gilt auch international als legitimer Erbe der berühmten "Zeigen und Klicken"-Abenteuer von Lucas Arts. In einem Atemzug mit Klassikern wie "Maniac Mansion" oder "The Secret of Monkey Island" genannt zu werden, das ist für Serien-Mastermind Jan Müller-Michaelis so etwas wie die Erhebung in den Adelsstand der Spiele-Entwickler. Der von seinen Fans liebevoll mit "Poki" titulierte Autor und Game-Designer tritt in seinen Spielen stilecht als Gitarren-beklampfender Minnesänger auf, der seine eigenen Spiele und Helden süffisant demontiert. Die stecken voller Genre-Referenzen, augenzwinkernder Zitate, aberwitziger Kopfnüsse und mutiger Design-Kniffe. "Deponia" — das ist nicht nur großartiges Entertainment, es ist auch so etwas wie die verspielte und verknobelte Entsprechung zum großen Autorenkino der Filmlandschaft. Nicht nur die Organisation des Szenarios – über der zugemüllten Erde schwebt eine elysische Megacity, die Held Rufus unbedingt erreichen möchte – zeugt von einem tiefen Verständnis des Spiel-Genres und seiner Erzähl-Mechanismen, auch die eigenwilligen Helden und Antihelden der Geschichten verquicken auf kunstvolle Weise die Eigenheiten des interaktiven Mediums mit den Qualitäten einer klassischen Erzählung. Einer Erzählung, die klassische Motive wie Aufstieg und Fall zum Gegenstand hat, aber auch die von Hollywood bis zum Erbrechen wiedergekäute Heldenreise nach Joseph Campbell gekonnt auf den Kopf stellt.

 

Eigentlich sollte die grandiose Mär vom Aufstieg gen Elysium nach dem dritten Teil zu Ende sein – Schöpfer Müller-Michaelis wollte nie wieder nach Deponia zurückkehren und nahm sich erstmal die verdiente Auszeit. Umso größer die Überraschung, dass Daedalic jetzt – praktisch ohne jede Vorwarnung – die Fortsetzung auf den Markt loslässt. Ein Spiel, dass es niemals hätten geben sollen – genau wie seinen Helden. Scheinbar weil viele Fans des Spiels mit dem traurigen Abschluss der Trilogie nicht zufrieden waren, liefert man jetzt eine Wiedergutmachung: Aber "Deponia Doomsday" wäre kein "Poki"-Spiel, wenn der Designer einfach so den Wünschen der Community nachkommen würde, ohne sie gleichzeitig auf die Schippe zu nehmen. Und ordentlich zu verwirren: Die Rettung von Rufus, Toni, Goal und schließlich Elysium gerät zum konfusen Zeitreise-Salat – einem Verwirrspiel, das dem Verstand kaum eine Atempause erlaubt und dessen virtuose Komposition im Adventure-Feld seinesgleichen sucht. Müller-Michaelis spielt in "Doomsday" ebenso geschickt mit den Stärken wie den Schwächen der Reihe – ein Vorgehen, mit dem er ein Maß an Selbst-Reflexion beweist, das den meisten Spiele-Entwicklern fehlt. Am Ende ist dieser "Doomsday" eher eine Aufarbeitung der eigenen Serienlogik denn  echte Fortsetzung – purer Fan-Service, und schlussendlich ein liebevolles "Auf Wiedersehen". Großartig.


9.5

sehr gut

Grafik: gut

Sound: sehr gut

Steuerung: sehr gut

Spielspaß: sehr gut