Hitman

 

Geheime Bunker-Anlagen im verschneiten Gebirge, Gigantische Mode-Veranstaltungen in barocken Prachtbauten und knallharte Trainings-Einsätze: Mit seinem jüngsten "Hitman"-Abenteuer wagt das dänische Traditionsstudio IO Interactive gleich in mehrerlei Hinsicht ein Experiment. Nicht nur, dass man den bekannten Glatzen-Killer ab sofort im Episoden-Format vermarktet - außerdem soll das schlicht mit "Hitman" betitelte Schleich- und Action-Adventure eine Art Neuanfang darstellen. Für langjährige Fans der Serie bestreitet der Abmurks-Profi mit der Nummer 47 einen Einsatz, den IO zeitlich nach den Ereignissen in "Hitman Absolution" (2012 für PC, PS3 und Xbox 360) angesiedelt hat. Neueinsteiger dagegen freuen sich - zumindest theoretisch - über Missionen, die zu Beginn der Killer-Karriere stattfinden.

 

Hier ist 47 gerade erst aus dem Klon-Labor geflüchtet und bewirbt sich bei der "Agency" um einen Job als gedungener Meister-Meuchler. Bevor er Maschinenpistole und Klaviersaiten im tatsächlichen Einsatz zücken darf, muss er zunächst einen Trainings- und einen Prüfungs-Einsatz absolvieren: Hierfür haben die Schreiner der Killer-Agentur bekannte Einsätze aus ihrem Auftrags-Archiv rekonstruiert - mit Sperrholz, Stoffbahnen und Zimmerpflanzen sind im Zentrum des frostigen Killer-Komplexes die Attrappen von Luxus-Yachten, Helikoptern und russischen Militäranlagen entstanden. Die nutzt 47, um seine Talente als berufsmäßiger Heimlichtuer und tödlicher Leisetreter unter Beweis zu stellen: Der "Hitman" observiert das Gelände und huscht geduckt durch schattige Korridore. Oder er zieht hinterrücks niedergemachte Opfer buchstäblich bis auf die Unterbuxe aus, um anschließend in ihrer Kluft als Wachmann, Bodyguard, roter Soldat, Service-Kraft oder Mitglied des Catering-Teams durch das Gelände zu spazieren. Die Verkleidungen öffnen in vielen Bereichen des zu belauernden Geländes zwar Tür und Tor - aber bei den Angehörigen der imitierten Gruppe wecken sie umso mehr Misstrauen. Hier ist also Vorsicht geboten - immerhin ist IO's Antiheld kein Übermensch: In einer handfesten Keilerei mit ein oder zwei Gegner behält der durchtrainierte 47 gerade noch die Oberhand - aber gegen eine feindliche Übermacht hat der Hitman schlechte Karten. Hier versucht sich die Spiele-Reihe nach wie vor an einem realistischeren Kräfteverhältnis zwischen Jäger und Opfer.

Das Ergebnis ist ein Schleich-, Duck- und Versteck-Parcours, der sich trotz der ausführlichen Tutorial-Missionen vor allem an solche Spieler richtet, die mit dem Leisetreter-Genre bereits üppig Erfahrung gesammelt haben: Selbst die beiden Trainings-Missionen in der Basis der "Agency" stellen die Spieler-Nerven auf eine harte Geduldsprobe - die Mixtur aus Observation, Planung und etwas fummelig geratener Ausführung ist nur für geübte und geduldige Leisetreter geeignet. Noch komplexer, aber dafür auch wesentlich eindrucksvoller ist der Einsatz auf einer Modenschau in Paris: Die dient einem schurkigen Geschwisterpärchen als Deckung für eine milliardenschwere Daten-Auktion - eine Schatten-Veranstaltung, die 47 sprengen soll, indem er die beiden Mode- und Mafia-Zaren mit ein paar gezielten Schüssen ins Jenseits befördert. Sie mit viel Schmackes durch die Fenster des Herrenhauses schleudert. Mit dem Kopf voran in einer Kloschüssel ertränkt. Sie von hinten erdrosselt. Oder aber ihnen die teuren Party-Snacks vergiftet. Kurzum: Auch dieser "Hitman"-Teil will den Spieler dazu motivieren, beim Schmieden seiner mörderischen Pläne kreativ vorzugehen. Mit den zahlreichen Möglichkeiten zu experimentieren, die ein gigantisches Szenario wie das Herrenhaus der Mode-Geschwister bereithält ? das macht gerade Genre-Profis einen Heidenspaß, Neulinge dagegen fühlen sich schnell übefordert. Sie sind heilfroh, wenn sie zwischen all den KI-Bewohnern und Schleichpfaden überhaupt einen Lösungsweg finden. Trotzdem sind die vielen unterschiedlichen Spiel- und Lösungswege das einzige, was die Pilotfolge des mehrteiligen "Hitman"-Abenteuers vor dem totalen Preis-Leistungs-Supergau bewahrt: Rund 15 Euro für gerade mal drei Missionen, von denen sich lediglich die letzte wie ein vollwertiges Szenario anfühlt - das ist entschieden zu wenig Spiel fürs Geld. Zumal die Einsätze erzählerisch bisher nur äußerst lose zusammehängen: So etwas wie eine echte Story wird bestenfalls angedeutet. Dramaturgisch wird deshalb auf Sparflamme geköchelt: "Hitman" fühlt sich nicht wie der Auftakt zu einem spannenden Abenteuer an ? es wirkt vielmehr wie ein nachgeschobener Bonus-Level.

IO wird mit dem jüngsten Auftritt seiner Mörder-Glatze also weder neue Spieler aktivieren noch hat man den Fans eine sonderlich imposante Rückkehr von Killer 47 beschert: Trotzdem zeigen die Dänen souverän, dass man die Feinheiten der "Heimlich, still und leise"-Spielegattung noch immer aus dem Effeff beherrscht. Abgesehen von Bethesdas "Dishonored" gibt es kein Spiel, das den digitalen Meuchelgang so gekonnt zur Kunstform erhebt wie "Hitman". Bleibt also zu hoffen, dass man aus den Fehlern des Erstlings lernt und schnell nachlegt: Aktuell ist Glatze 47 gerade so die 15 Euro für das Intro-Päckchen wert – aber auf keinen Fall die rund 60 Euro, die Hersteller Square Enix seinen Kunden für das Komplett-Paket abknöpfen möchte. Aktuell ist der "Hitman" wenig mehr als ein Versprechen, das nur Stück für Stück eingelöst wird.

 


7.5

gut

Grafik: gut

Sound: gut

Steuerung: gut

Spielspaß: gut