Quantum Break

 

Wabernde Grafik-Kulissen, in schillernde Polygone zerbröselnde Protagonisten und eine Spielwelt, die im Verlauf zahlloser "Zeit-Stopps" immer wieder buchstäblich den Atem anhält: Das ist die Welt von "Quantum Break" aus der finnischen Spiele-Schmiede Remedy - einem Studio, das bereits für seinen ikonisch aufgezogenen Helden-Epen um Ballermann "Max Payne" und den fiktiven Grusel-Autor "Alan Wake" bekannt ist. Der neueste Kandidat im Helden-Bunde ist der von Shawn Ashmore verkörperte Jack Joyce ("The Following", "X-Men: Zukunft ist Vergangenheit"). Der darf in "Quantum Break" gleich zweimal ran: Einmal als Spiele-Held - und dann als Frontfigur in einer nach TV-Art aufgezogenen Mini-Serie. Mit echten Schauspielern anstelle von Computer-generierten Figuren.

Seine eindrucksvollsten Momente hat das Abenteuer um Risse im Raum-Zeit-Kontinuum und Zeit-erschütternde Superkräfte immer dann, wenn seine Welt im Augenblick gefangen ist - und Jack Joyce zwischen ihren erstarrten Bewohnern wandelt: Zwischen Büro-Angestellten, denen im Moment der allgemeinen Einfrierung ein Stapel Akten aus der Hand geflutscht ist. Oder Sicherheitskräften, die gerade auf den Helden geschossen haben und deren Projektile jetzt wirkungslos in der Luft hängen. Grund des immer häufiger auftretenden, kollektiven Starrsinns: Ein Zeitreise-Experiment von Jacks Bruder William Joyce und dem gemeinsamen Freund Paul Serene ist ordentlich aus dem Ruder gelaufen. Die Trips quer durch die Zeit waren zwar erfolgreich - aber all das Vor und zurück hat das Zeit-Kontinuum schließlich so wuschig gemacht, dass jetzt das Ende aller Zeit bevorsteht. Der von den Truppen des skrupellosen Mega-Konzerns Monarch gejagte Jack gerät in den Strudel der brandgefährlichen Ereignisse - ohne so recht zu verstehen, was um ihn herum passiert und welche Rolle er in dem weltenverschlingenden Spektakel eigentlich zu spielen hat. Noch rätselhafter wird es, als er zerstörerische Superkräfte entwickelt: Jack kann die Zeit beugen, als wäre sie ein Element. Nun flitzt er mit Überschallgeschwindigkeit durchs Terrain oder projiziert Flux-Felder, in denen die Zeit langsamer verläuft - wie dafür geschaffen, um sich mit ihrer Hilfe einen schützenden Zeitschirm aufzubauen. Oder einen im Flux gefangenen Feind so sehr mit MG-Kugeln zu durchsieben, dass er nach dem Abriss des Zeit-Effekts herumgerissen wird, als hätte ihn eine Abrissbirne getroffen.

Entwickler Remedy nutzt die vielfältigen und steigerbaren Kräfte des Zeitreisenden, um ihn zum Helden eines Deckungs-Shooters zu machen: Wann immer Jack mit den Monarch-Schergen konfrontiert wird, hastet er von Deckung zu Deckung, um die gesichtslosen Konzern-Handlanger mit Hilfe von Waffenbeschuss und Zeitkräften in Schach zu halten. Erst wenn alle Zinnsoldaten einer nach dem anderen von der Effekt-gespickten Schlachtplatte geputzt wurden, geht es weiter. Die vergleichsweise kurzen Feuerpausen nutzt Remedy zumindest in spielerischer Hinsicht nicht ganz so kreativ: Ein paar anspruchslose Geschicklichkeitseinlagen oder seichte Rätsel - mehr hat die Hatz von einem Baller-Einsatz zum nächsten selten zu bieten. Die Puzzles setzen dabei fast ausnahmslos auf Jacks Fähigkeit, für einzelne Objekte oder ein begrenztes Terrain die Zeit um einige Momente zurückzudrehen: Ein zerstörter Container wird für wenige Augenblicke wieder massiv, um dem Helden als Brücke zu dienen - und ein aus der Trockendock-Halterung gestürzter Ozeanriese hält kurzzeitig in seinem alles zermalmenden Fall inne, sodass Jack mit pfeilschnellem "Woosh" ( ja, das heißt tatsächlich so) durch ein Labyrinth aus Stahlträgern, Containern und Gerüsten entkommen kann. Auch in solchen Augenblicken verlässt sich "Quantum Break" vor allem auf die effektvolle und filmartige Präsentation seines zwar spannenden, aber auch reichlich konfusen Zeitverwirrspiels: Obwohl es Jacks Abenteuer nur in 720p-Auflösung auf die Mattscheibe schafft, gehört "Quantum Break" doch zu den bisher schönsten Spielen für die noch junge Konsolen-Generation. Animation und insbesondere Mimik der Figuren sind ein spürbarer Technikschritt nach vorne - auch der gelungene Einsatz von cineastischen Stilmitteln wie Tiefenunschärfen oder den abstrakten Zeit-Effekten sorgt für reichlich "Wow"-Effekte. Die mit verschwenderisch vielen Details gespickten Spiel-Terrains wiederum bestechen durch die realistische Abbildung und Ausleuchtung aller im Szenario verwendeten Materialien: Stein sieht aus wie Stein, Stahl wie Stahl - und selbst Holz wirkt… nun ja… so richtig schön hölzern eben. Bei so viel Grafikpracht nimmt man die geringe Auflösung gerne in Kauf - auch wenn sich die geringe Pixeldichte hin und wieder durch unschönes Kantenflimmern bemerkbar macht. Aber all das cineastisch aufgezogene Beiwerk hilft hervorragend dabei, die Schnittstellen zu verschleiern, in denen "Quantum Break" in die flankierende Live-Action-Serie übergeht: Darsteller wie Shawn Ashmore alias Jack Joyce, Hobbit Dominic Monaghan als sein Bruder William oder "Fringe"-Mime Lance Reddick in der Rolle eines wunderbar skrupellosen Böslings - all diese versammelte Hollywood-Prominenz tritt im Spiel selber nur in digitalisierter Form auf. In den rund viertel stündigen Serien-Episoden dagegen dürften Ashmore & Co. selber vor die Kamera treten und tüchtig den Schauspieler raushängen lassen: Die zwischen die Spielkapitel gestreuten Sequenzen sind wie eine TV-Serie aufgezogen - und die ist trotz überwiegend trashiger Effekte sogar überraschend spannend geraten. Für den Genuss ist allerdings eine aktive Internetverbindung Pflicht: Weil die Ereignisse im Spiel Einfluss auf den Handlungsverlauf der Filmchen haben, werden die einzelnen Szenen in Echtzeit aus dem Netz geschaufelt. Anschließend laufen sie dann noch während des Streams passend zur persönlichen Story vom virtuellen "Schneidetisch".

Zugegeben: Wer nicht immer wieder für 15 Minuten oder mehr aus dem Spiel gerissen werden möchte, um dem weiteren Handlungsverlauf folgen zu können - der wird die "Quantum Break"-Miniserie kaum lieb gewinnen. Als Ergänzung zum Gesamterlebnis funktionieren die Schnipsel allerdings hervorragend - zumal die meisten Übergänge zum Spiel äußerst clever gelöst wurden. Wer mit der Anschaffung von "Quantum Break" liebäugelt, der muss sich ohnehin mit dem Gedanken anfreunden, dass das neue Abenteuer der "Max Payne"- und "Alan Wake"-Macher eher großangelegtes Entertainment-Experiment ist denn lupenreines Spiel: Mehr denn je konzentrieren sich die Entwickler auf ihr Talent für die fesselnde Inszenierung Groschenroman-artiger Helden und ihrer Serien-artig strukturierten Abenteuer. Wer für rund 15 Stunden toll unterhalten werden möchte, der ist hier goldrichtig - wer dagegen auf ein waschechtes Zeitreise-Spektakel gehofft hat, in dem er mit Hilfe seiner übernatürlichen Fähigkeiten eine weitläufige Spielwelt erfahren, bereisen und mitgestalten kann, der wird enttäuscht. Immerhin war Remedy kreativ genug, um sich nicht übermäßig selbst zu kopieren: Bereits in "Max Payne" hat das Studio während der Action-Einlagen mit dem Zeitfluss gespielt - aber für "Quantum Break" hat man eine Herangehensweise gewählt, die sich dramatisch anders anfühlt. Gut so.

 


7.5

gut

Grafik: sehr gut

Sound: sehr gut

Steuerung: gut

Spielspaß: befriedigend