DOOM

Videospiel-Stories in der guten alten Zeit waren eher Handlungs- und Killcount-Alibis als echte Erzählungen. Nur passend also, dass die Reinkarnation der Ego-Shooter-Eminenz schlechthin diese Tradition beibehält: Ein Projekt zur Energiegewinnung auf dem roten Planeten läuft ordentlich aus dem Ruder - denn die skrupellose Chef-Etage eines Strom-Riesen hat nicht etwa eine Dimension mit weißen Einhörnern und rosa Zaubertrollen angezapft. Stattdessen hat man die Pforten zur Hölle aufgestoßen, um Satan und seine Dämonenschar vor den Ochsenkarren zu spannen. Doch jetzt sind die infernalischen Mordbuben ausgebrochen und sorgen auf der Mars-Station für ordentlich Radau. Höchste Zeit also, dass einer noch mehr Rabatz macht: Ein Held aus echtem Shooter-Schrot und Ego-Korn. Mit großkalibrigen Geschossen, rauer Hartwurstpelle und natürlich ordentlich Ostereiern in der feuerfesten Action-Hose.

Hart genug, um von oben auf Gegner herabzuspringen, um ihnen dann bei der Landung den Schädel zu zertrümmern. Oder ihnen aus vollem Lauf und mit ordentlich Schmackes die Gliedmaßen auszureißen. Auf Boden und Wänden prangen rot pulsierende Runen, Pentagramme, dämonische Fratzen und offenkundig unheilige Kritzeleien. Und über das Textur-Parkett darunter schwappt eine adrett über Korridore und unterirdische Folter-Säle verteilte Innereien-Platte - für die Feinschmecker unter den Ego-Shootern.
Keine Frage: Das neue "Doom" gibt sich alle Mühe, seinem Ruf als virtuelle Höllenmaschine gerecht zu werden. Eine super-brutale Vernichtungs-Orgie, die trotz zertrümmerter Gliedmaßen, gnadenloser Exekutions-Manöver und zerschundener Dämonen-Leichen hierzulande eine offizielle Altersfreigabe bekommen hat: Wer das 18. Lebensjahr erreicht hat, der ist laut USK mutmaßlich hartgesotten genug, um zu ertragen, was ihm der virtuelle Hades hier entgegenspeit. Wie torkelnde, Feuerball-verschießende und grunzende Monstrositäten. Oder haushohe Dämonen mit stählernen Hufen und verkabeltem, rohen Muskelfleisch. Und natürlich eine zyklopische Level-Architektur mit einem Gewirr aus verbogenen Laufstegen - inmitten von Wasserfällen aus weißglühendem, flüssigen, blubbernden Stahl. In "Doom" trifft Dante Alighieri auf William Gibson - die Hölle spielt Cyberpunk und Rock'n'Roll.

"Doom" bleibt also "Doom" - denn heute wie damals geht es vor allem darum, eine launige und prollige Killcount-Orgie für Gamer mit Horror-Fetisch zu produzieren. Einen begehbaren Gewalt-Porno mit derart schwindelerregendem hohen Trash-Faktor, das man ihn unmöglich ernst nehmen kann. id's Baller-Balett ist formvollendeter Gewalt-Kitsch aus der Ära der Airbrush-Paintings und Harley-Rocker.
Immerhin war das Original von 1993 ein Produkt von Cyberpunk-, Metal- und Technik-begeisterten Nerds, die aus purer Lust am Programmieren das Gesicht des Action-Spiels revolutionierten. Es war aber auch schnörkellos, urgewaltig und brachial. Kam mit perfekt aufeinander abgestimmten Gegner-Gattungen, brillantem Level-Feintuning und unvergesslicher Sound-Kulisse. Und es hat bei Gamern ein Gefühl ausgelöst, das sich heute zwar zitieren, aber nicht reproduzieren lässt. Dabei gibt sich das neue "Doom" sichtlich Mühe, genau das hinzubekommen: Mit viel Old-School-Baller-Feeling, dem archaischen Abarbeiten von Gegnerwellen und dem fleißigen Aufsammeln von Gesundheits-Kits. Und tatsächlich: All das fühlt sich wie ein Import aus den Gründerjahren der Ego-Action an. Doch die beinahe kunstvolle Perfektion, mit der diese Elemente früher kombiniert und platziert wurden, die erreicht id's neuer Höllen-Trip nicht. Denn erst das richtige Misch-Verhältnis zwischen all diesen Elementen und ihre mit chirurgischer Präzision ausgeführte Verpflanzung machen aus einem interessanten Experiment einen echten Frankenstein. Und indem sich id's neuer Shooter fast ausschließlich darauf konzentriert, dem Original gefällig zu sein, ist ihm zumindest das verwehrt: Der Aufstieg in den Klassiker-Olymp, auf dem sein Urahn übermächtig und mit schallendem Gelächter über all den anderen Shootern thront.

Doch Schwamm drüber… denn eins haben die Entwickler auf jeden Fall hinbekommen: "Doom", das ist nach wie vor die pure, unverfälschte Lust am Ballern… und an etwas, das den meisten modernen Ego-Shootern schon lange abgeht: Dynamik und Flow. Laufen, ballern, ausweichen, nachladen, ausweichen, nochmal ballern. Und das so lange und so schnell, bis es in einem digitalen Ballett aus sich heiser brüllendem Bildschirmtod und heilloser Verwüstung gipfelt. Ohne Atempause und mit perfektem Timing. Und dazu spielt synthetisierter, beißender Heavy-Rock, direkt aus dem aufgeblähten Bauch der Bestie 666.

 


9.0

sehr gut

Grafik: sehr gut

Sound: sehr gut

Steuerung: sehr gut

Spielspaß: sehr gut