INSIDE


In flackerndes Licht getauchte, stillgelegte U-Bahn-Schächte, von Tier-Kadavern übersäte Bauernhöfe, mit Wasser geflutete Gang-Systeme und unterirdische Fabriken, durch die man eine willenlose Horde aus gesichtslosen Arbeitern treibt: Das ist die Welt von Playdeads neuer, interaktiver Dystopie. Einmal mehr zitieren die Dänen eine längst vergangene Spiele-Ära, um mit ihrer Hilfe einer schroffen, aus kantigen Formen bestehenden und spärlich eingefärbten Erzählwelt interaktives Leben einzuhauchen. "Inside" - das ist ebenso wie "Limbo" ein bisschen "Another World" und ein wenig "Flashback". Kommt mit einem Hauch von "Heart of Darkness" und einer Prise "Abe's Oddysee". Allesamt Spiele, die das ehemals putzige Jump'n'Run in den 90ern zum seitwärts scrollenden Action-Adventure und zur gnadenlosen Todesmaschine für erwachsene Spieler gemacht haben. Laufen, springen, grübeln, sterben: Hier ist jeder falsche Schritt zugleich gleichzeitig der letzte.

Die spielerischen Zutaten sind überschaubar, aber aus ihrer kunstvollen Kombination ergibt sich ein komplexes Netz aus Geschicklichkeits- und Gehirn-Prüfungen, die das Nervenkostüm aufs Äußerste strapazieren.

Umso passender, dass Playdead das an sich altertümliche Spielkonzept mit genau den Erzähl-Klischees, szenarischen Feinheiten und der Sorte atmosphärischer Dichte versieht, die es benötigt, um sich zu transformieren. In etwas Aufregendes und Anrührendes. Voller vibrierender Gefahr und Bedrohung, tiefer Melancholie und orwellscher Entrückung. Das Ergebnis ist ein Bild der Hoffnungslosigkeit, in dem Menschen von einer gnadenlosen Diktatur in willfährige, persönlichkeitsbefreite Roboter verwandelt werden - und ein kleiner Junge der Versklavungsmaschine entkommen will. Indem er knietief durch den Schlamm watet, während am anderen Ende des Bildschirms knurrende und sabbernde Hunde anrücken. Oder er dem Taschenlampen- und Scheinwerfer-Licht seiner Häscher entkommen muss. Ebenso wie Hebel umlegen, Gattertore überklettern oder öffnen, Bassins fluten und Türen aus ihren Halterungen befreien - allesamt Mechanismen, die nicht mehr als einen einzigen Greif- und Anfass-Button benötigen, um zu funktionieren. Denn wie intuitive Haptik und Rätsel-Logik bei "Inside" ineinandergreifen - das ist extrem beeindruckend. Noch kniffliger und imposanter wird's aber, sobald der Flüchtende sein Talent zur Fernsteuerung der anderen, durchweg willenlosen Menschen offenbart: Nach dem Kurzschluss mit einem Telepathie-Helm dürfen die hirnlosen Burschen kreuz und quer durch den jeweiligen Level-Abschnitt gelotst werden - außerdem können sie dabei mit Hilfe der gleichen Manöver tätig werden wie ihr "Kontrolleur". Selber laufen, springen, schieben, manipulieren - und sogar andere Menschen telepathisch steuern. Dann wird das Kontroll-Opfer selber zum Steuermann - und der Held übt seine Kräfte indirekt aus.

Aber Playdead streut stetig weitere Elemente ins Spiel - darunter Fahrten an Bord kleiner Vehikel, Schwerelosigkeit und sogar das Be- sowie Überspringen von mit Parasiten befallen Schweinen. Komplexe Vorgänge, die jedoch allesamt mit den gleichen zwei Buttons gelöst werden: Springen und anfassen - mehr braucht der kleine Held nicht, um seinen Häschern zu entkommen. Und mehr braucht der Spieler nicht, um sich in einem Abenteuer zu verlieren, das einen ebenso dichten wie gedankenvollen Atmosphärenteppich erschafft, um ihn dann mit einem lückenlosen Netz aus brillantem Spiel-Design zu verknüpfen.

Nachdenklich, anspruchsvoll, mit schnell verinnerlichten Mechanismen gesegnet und schlau genug, um seine Geschichte nicht in zahllosen Textboxen, sondern über sein Gameplay vermitteln: Genauso müssen Spiele mit Klassiker-Potential aussehen. Auch, wenn sie mit gerade mal viel Stunden Spielzeit ebenso kurz wie intensiv sind.


9.0

sehr gut

Grafik: gut

Sound: gut

Steuerung: sehr gut

Spielspaß: sehr gut