Unendliche Weiten: No Man's Sky


 

Ein Meer aus 18 Trillionen Himmelskörpern - mit unzähligen fremdartigen Lebewesen und einer Mission, die geradewegs ins Herz des Universums führt: "No Man's Sky" beschert Spielern mit Raumfahrer-Gen die bisher größte frei bereisbare Spielwelt. Aber macht der Flug durch die unendlichen Weiten auch Spaß? Und was treibt man unterwegs?



 

 

Ein namenloser Planet irgendwo in einer ebenso namenlosen Galaxie: Ein Raumfahrer erwacht benommen und ohne jede Erinnerung an die vergangenen Ereignisse neben seinem Schiff. Das kleine Vehikel für die Reise im Sternenmeer ist buchstäblich hinüber - und die Energie-Anzeige des Raumanzugs sinkt minütlich. Will der Weltraum-Forscher nicht als Gerippe inmitten von Felsen und Alien-Obelisken enden, muss er sich beeilen... denn ein Survival-Abenteuer inmitten von über 18 Trillionen fremdartiger Welten wartet!


Also löst er mit dem Bergbau-Laser flugs Materialien wie Kohlenstoff, Eisenoxid, Aluminium, Iridium, Plutonium oder Gold aus der einheimischen Flora und Fauna. Danach werden die Substanzen so lange im Inventar aufbewahrt, bis sie zum Einsatz kommen - zum Beispiel, um die Werkzeuge aufzuladen, das Raumschiff auf Vordermann zu bringen oder die Funktionalität der Ausrüstung zu verbessern.

Sind die verschiedenen Antriebs-Systeme des kleinen Raumjägers erstmal repariert und geladen, beginnt das eigentliche Abenteuer - in einem schier unendlichen Sternenmeer mit Himmelskörpern jeder Art. Auf manchen davon ragen aus unterirdischen Höhlen riesige Stalaktiten und titanische Pilze geradewegs in den Himmel - oder trampeln Herden aus Giraffo-Sauriern über von flauschigem Gras bewachsene Ebenen. Auf anderen wehen inzwischen eisige Winde den Schnee von den Berghängen und schwirren Roboter-Drohnen über Ozeane aus ätzender, dampfender Säure.

Und all das sieht so aus, als hätte es ein 80er-Jahre-Künstler wie Rodney Matthews auf das Cover eines Hardrock-Albums von Magnum gepinselt. Doch mit "No Man's Sky" beschwört der britische Entwickler Hello Games noch ganz andere Bilder aus dieser Ära herauf: 1984 brachen Ian Bell und David Braben mit ihrer Weltraum-Simulation "Elite" zu den Pixel-Sternen auf - ein von "Star Wars" & Co. inspirierter Meilenstein, der ein ebenso gigantisches wie offenes Gaming-Universum versprach. Ein Universum, in dem der Spieler zwischen den Sternen reisen, auf feindliche Schiffe das Feuer eröffnen und mit Alien-Rassen Handel treiben konnte. Doch der virtuelle Kosmos dieser Zeit war karg und trist - Punkte und Linien konnten erst Kraft der Spieler-Fantasie zum Leben erweckt werden.

Über 30 Jahre später ist es nicht der offizielle Nachfolger "Elite Dangerous", der das Versprechen endlich einlöst - es ist "No Man's Sky": Die Milchstraßen, Galaxien, Nebel und Sternhaufen des britischen Entwickler-Teams Hello Games sind nicht nur nahezu unendlich groß - obendrein darf der Spieler jeden Himmelskörper individuell ansteuern, um anschließend das Schiff zu verlassen, nach Ressourcen zu stöbern und sich notfalls per Energie-Puste gegen die einheimische Tierwelt zur Wehr zu setzen. Das Besondere daran: Keine Welt, keine Pflanzenart und keine Kreatur gleicht der anderen.

Weil ein Universum mit 18 Trillionen individuell ansteuerbaren Welten aber unmöglich von Hand gestaltet werden kann, kommen an dieser Stelle "prozedurale" Algorithmen zur Anwendung: Dabei geben die Spiel-Designer zum Beispiel für bestimmte Planeten-Arten Parameter vor - und innerhalb dieser Grenzen darf dann der Zufallsgenerator wüten, während er dafür sorgt, dass Hügel und Berge aus der Planetenoberfläche wachsen, sich Meere mit Wasser füllen und aus der Front eines Riesen-Sauropoden das Hinterteil einer Gazelle wächst. Das Ergebnis ist die Reise durch einen vor Leben brodelnden Kosmos - fast immer abstrakt, aber auch ehrfurchtgebietend und faszinierend. Und dank Zufalls-Design wurde diese größte aller jemals entwickelten Spielwelten von gerade mal 15 Entwicklern ins Dasein gerufen. Eine Welt, die so riesenhaft ist, dass es Ewigkeiten dauern kann, bevor der Weltraumforscher auf andere Spieler trifft - denn in "No Man's Sky" preschen zwar alle Piloten durch ein und dasselbe Universum, doch dessen schiere Ausmaße sorgen dafür, dass es trotzdem kein Multiplayer-Spiel ist.

Die Freiheit, hin zu fliegen, wo immer man hin möchte - die fühlt sich großartig an, doch sie hat auch ihren Preis: "No Man's Sky" erzählt keine Story, es gibt nur einen lockeren Handlungsrahmen vor. Hier schreibt der Spieler seine eigene Geschichte - während er mit Hilfe der komplexen Rohstoffkette einen Sprungantrieb baut, außerirdische Raumstationen besucht und mit Alien-Händlern feilscht, weil ihm noch immer ein wichtiges Bauteil fehlt. Kurzum: Hier ist der Weg das Ziel. Am Ende der Odyssee steht zwar immer die Reise ins Zentrum des Universums, um dem Ruf einer geheimnisvollen Entität zu folgen - aber wie und wann der Spieler dahin kommt, das bleibt ihm selber überlassen. Dass es den unzähligen "No Man's Sky"-Planeten und ihren Bewohnern dabei an Identität mangelt, das ist zwar bedauerlich, aber angesichts der schieren Größe des galaktischen Spielplatzes unvermeidlich: Wer reisen und experimentieren will, der ist hier goldrichtig - wer dagegen eine gute Geschichte vorzieht und lieber von seinem Spiel behutsam bei der Hand genommen wird, der steigt hier besser nicht ins Cockpit.  Denn den Entwicklern ging es nicht darum, einen mit Zweck und Absicht aufgeladenen Handlungsschauplatz zu erschaffen - "No Man's Sky" soll ein digitales Paralleluniversum sein, in dem nahezu alles möglich ist.

Schade allerdings, dass Hello Games bisher auf jede Form von Kreativmodus verzichtet: Das Ressourcen-Sammeln inmitten unendlicher Weiten - das lädt geradezu ein, eigene Stationen und Raumschiffhäfen zu schmieden. Doch nicht verzagen: Die Entwickler haben versprochen, ihr Spiel noch lange zu pflegen und mit Updates zu versorgen - nicht ausgeschlossen also, dass man einen Baumodus noch nachreicht.