Deus Ex: Mankind Divided

 

Technisch verstärkte Super-Agenten, mystische Verschwörungen und die Frage nach der Menschlichkeit: Mit "Deus Ex: Mankind Divided" liefern Square Enix und Eidos Montreal einen lupenreinen Cyber-Thriller für Profi-Rollenspieler. Aber hat der noch mehr zu bieten als ein spannendes Science-Fiction-Szenario?

 

 

Mensch oder Maschine? Diese Frage stellte schon "Deus Ex: Human Revolution" - jetzt rückt sie der Nachfolger "Mankind Divided" ebenfalls in den Fokus. Denn Held Adam Jensen lebt zehn Jahre in der Zukunft - und damit in einer Ära, in der nicht nur Computer-Programme unsere tägliche Wahrnehmung bestimmen und verändern, sondern auch der Mensch selber mit künstlichen Gliedmaßen und ähnlichen Leistungsverstärkern "augmentiert" wird. Das Resultat ist ein wachsender Konflikt zwischen natürlich gebliebenen Menschen ohne technische Implantante - und solchen, die von Kopf bis Fuß mit künstlichen Muskelfasern, Kabeln und Drähten verplombt wurden.

Wie Adam Jensen: Der Held des Vorgänger-Spiels arbeitet inzwischen für eine militärische Spezialeinheit - ein Job, bei dem sein Cyborg-Erscheinungsbild zwar für allerlei Anfeindungen sorgt, ihn aber gleichzeitig zu einer unverzichtbaren Schleich-, Hack- und Kampfmaschine macht, die in den weitläufigen Spiel-Arealen wie eine Ein-Mann-Armee wütet. Vorausgesetzt natürlich, man legt es auf Hau-Ruck-Taktik und Gewalt an: Denn wie alle Teile der legendären Rollen- und Schleichspiel-Serie darf der Gamer seinen Abenteuerstil selber bestimmen. Er allein entscheidet, ob er buchstäblich mit der Tür ins Haus fällt und wie ein humanoider Panzer mit gezücktem Großkaliber durch marodes Mauerwerk bricht - oder ob er die Feinde geschickt umgeht, indem er geduckt durch Rohre und Luftschächte schleicht. Auch der beschränkte Stromvorrat von Jensens Kunst-Körper legt dem cybertronisch gestählten Agenten nahe, sich beim jeweiligen Einsatz für eine Spielweise zu entscheiden. Klarer Fall: Wer zum Beispiel die Kampfsysteme herunterfährt, der hat mehr Saft übrig, den er in Schleich- und Hacking-Relais umleiten kann.

Aber auf welche Weise und wie häufig hier gehackt, gerangelt oder geballert wird - das ist nicht die einzige Entscheidung von Tragweite, die der Spieler treffen muss: "Deus Ex" definiert sich seit jeher über Wahlmöglichkeiten, die den Ausgang des Abenteuers mitbestimmen können - und die meisten davon sind moralischer Natur. Einem Menschen zu helfen - das bedeutet gleichzeitig, den anderen einem sicheren Untergang zu überlassen. Und wer den einen Weg einschlägt, dem wird der andere versperrt. Kurzum: Es geht um die Konsequenzen menschlichen Handelns - es gibt keinen perfekten Weg. Und durch exakt dieses Dilemma wirkt Maschinen-Mann Jensen menschlicher als die meisten anderen Spiele-Avatare.

Wer einer gut erzählten Rollenspiel-Geschichte vor geschliffenem Gameplay und Hochglanz-Optik den Vorzug gibt, der erlebt an der Seite von Jensen eines der packendsten Science-Fiction-Abenteuer der letzten Jahre. Alle anderen sollten es sich allerdings gründlich überlegen, ob sie den Augmentierungs-Trip wagen wollen: Wie sein Vorgänger ist "Mankind Divided" ein schwer bekömmlicher Brocken, der Geduld und Einarbeitungs-Kompetenz des Spielers auf eine harte Probe stellt. Obwohl das neue "Deus Ex" wahlweise mit konventioneller Shooter-Steuerung gespielt werden darf, fühlt es sich zu keinem Zeitpunkt so flüssig oder rund an, als wäre es eine moderne Ego-Schießbude á la "Battlefield". Stattdessen ist Jensen ein von Kopf bis Fuß kantiger Blechkamerad, der nur auf das Kommando von Genre-Profis hört. Die werden an dem Cyborg allerdings ihre helle Freude haben – denn alles, was ein anspruchsvolles RPG ausmacht, das wurde hier gekonnt auf Hochglanz poliert.

 

von Robert Bannert