Raumschlachten, Sternenkreuzer und Roboter anstelle von realistischen Action-Schlachtfeldern: Mit "Infinite Warfare" bricht Activisions Shooter-Reihe "Call of Duty" zu den Sternen auf - eine Neuausrichtung, für die man bereits im Vorfeld viel Kritik geerntet hat. Zurecht?
In "Advanced Warfare" und "Black Ops 3" hat Activisions Vorzeige-Ballerei bereits heftig mit dem Science-Fiction-Genre kokettiert, jetzt verlässt "Call of Duty" endgültig die Erdatmosphäre:
Während die "Battlefield 1"-Soldaten von Electronic Arts durch Schützengräben des Ersten Weltkriegs kriechen, stoßen Captain Nick Reyes und seine Kollegen von der "UNSA" mit gigantischen
Raumkreuzern in die Tiefen des Alls vor. Ihre Mission: Die Erde gegen die Flotte der seperatistischen "Settlement Defense Front" (SDF) verteidigen. Das erste Ziel der wütenden Eroberer:
Genf.
Den Auftakt zur militärischen Space-Opera inszenieren Entwickler Infinity Ward und Activision deshalb als Serien-typischen Shootout, bei dem die Protagonisten mit beiden Beinen auf der Erde
stehen: Zwischen abstürzenden Schlachtschiffen ballern sich Reyes und seine Kameraden eine Schneise zum Genfer Hauptquartier der UNSA ("United Nations Space Alliance"), um das Gröbste zu
verhindern. Hacken dabei feindliche Einheiten, fordern Luftunterstützung an, werfen Anti-Schwerkraft-Granaten und schleudern KI-gesteuerte Drohnen in den Feindpulk. Panik und Beklemmung sind in
diesen Momenten fast greifbar: Die Szenen von kreischenden Passanten, die mit versteinerten Gesichtern durch die Staub- und Ruß-geschwängerte Luft der brennenden Metropole irren, beschwören
Bilder vom 11. September herauf. Hier garantiert Activisions Entwickler-Team ganz großes, Emotions-geladenes Interaktiv- und Action-Kino. Natürlich nicht ohne den für die Serie typischen
U(N)SA-Hurra-Patriotismus. Und einen wunderbar ekligen Fiesling: Für die Rolle des skrupellosen SDF-Admirals Salen Kotch stand "Game of Thrones"-Star Kit Harington vor der Kamera.
Doch das eigentliche Abenteuer beginnt erst, nachdem Reyes und seine Kollegen die Erdumlaufbahn verlassen: Die Space-Marines lassen sich in schlanken Raumjägern aus den Abschuss-Röhren ihres
Schlachtkreuzers ballern, um Kotchs Schiffe zu kapern und zerstören. Dabei wechseln sich rasante Weltraumgefechte mit klassischen Ego-Shooter-Passagen ab: Wurde der feindliche Kreuzer erstmal
mürbe geschossen und zum Beispiel über den Hangar betreten, dann sprechen nach alter "Call of Duty"-Manier die Schießgewehre.
Hinter den Kontrollen der Raumschiffe dagegen ist "Star Wars"-ähnliche Flug-Action angesagt: Die SDF-Piloten werden dabei mit schweren Maschinengewehren und zielsuchenden Raketen vom
Sternenhimmel gepflückt. Für die Serie ebenfalls ungewöhnlich: Hat man die ersten drei Spielstunden hinter sich, darf man die Einsätze wie in einem "Wing Commander" frei wählen, dabei zwischen
Neben- beziehungsweise Story-Missionen hin und herspringen.
Die Mixtur aus "Call of Duty"-typischer Ego-Action und moderner "Military SciFi" wurde seit Veröffentlichung des ersten Trailers harsch kritisiert, funktioniert im fertigen Spiel aber ganz
hervorragend: "Infinite Warfare" besticht durch Spannung, Rasanz und viel Bewegungsdynamik. Tatsächlich präsentiert Infinity Ward mit seinem kämpferischen Ausflug ins All die beste
Action-Kampagne des aktuellen Shooter-Duells "Battlefield" gegen "Call of Duty". Wer gute Science Fiction schätzt und auf die kriegskritischen Töne eines "Battlefield 1" verzichten kann, wird bei
der cineastischen Zerstörungsorgie von "Infinite Warfare" klar besser unterhalten. Zumal das spacige Geballer wieder mit einem launigen Zombie-Modus kommt und in der limitierten Edition das
HD-Remaster von "Modern Warfare" mitbringt.
Schade dagegen: Wer "Call of Duty" vor allem wegen seiner Mehrspieler-Schlachten schätzt, der wird diesmal enttäuscht. Denn die überdeutlich von "Titanfall" inspirierte Mixtur aus
Jetpack-betriebener Akrobatik und blitzschneller Ballerei hat sich seit "Black Ops 3" kaum weiterentwickelt - hier bieten die Entwickler eher Update denn Fortsetzung.
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