Hosenmatz im Autopilot: "Super Mario Run" für iOS

 

Gumbas erhupfen, durch grüne Röhren in die Unterwelt abtauchen und im Autopilot-Modus durch kunterbunte Jump'n'Run-Levels wetzen: Für "Super Mario Run" debütiert Nintendos Star-Klempner auf iOS-Smartphones und -Tablets. Doch bleibt die klassische Mario-Magie trotz spielerischer Schlankheitskur erhalten?

 

 

Mit "Pokémon Go" haben Nintendo und Entwicklungs-Partner Niantic eindrucksvoll bewiesen, dass die Marken des Konzerns auch abseits von dessen eigenen Hardware-Plattformen funktionieren. Inzwischen ist der große Hype um das Smartphone-Debüt der Hosentaschen-Monster spürbar abgeflaut, aber der anfängliche Erfolg des "Augmented Reality"-Spielchens hat alle Erwartungen übertroffen. Kaum verwunderlich, dass auch die erste eigene App des Konsolenherstellers im Vorfeld für reichlich Furore sorgte: Auf der letzten Keynote von Apple trat Mario-Vater Shigeru Miyamoto höchstpersönlich als Überraschungsgast auf, um seinen jüngsten Kreativ-Output vorzustellen: "Super Mario Run" ist das App-Debüt des Jump'n'Run-Klempners, kostet nach den ersten drei Probe-Levels satte zehn Euro und ist vorerst iOS-exklusiv.

Wer hinter dieser Sensation allerdings ein vollwertiges Hüpf-Spielchen um den bekannten Hosenmatz vermutet, wird zumindest ein bisschen enttäuscht: So lässt Nintendo seinen Star-Klempner nicht etwa durch ein Jump'n'Run mit Onscreen-Kontrollen oder ähnlichen Input-Lösungen wetzen, stattdessen tritt Meister Mario in einem konventionellen "Runner" an. Eine Taktik übrigens, mit der bereits der französische Publisher Ubisoft seinem Hupf-Helden Rayman zu einem erfolgreichen Smartphone- und Tablet-Einstand verhalf: Auch den gliederlosen Springinsfeld ließ man automatisiert durch malerische Welten wetzen. Die einzige Möglichkeit zur Einflussnahme auf das Spielgeschehen: Einfach kurz den Touchscreen begrabbeln, um den ohne Zutun des Spielers laufenden Helden zu einem Hopser zu motivieren. Je nachdem wie lange der "Screen-Tatscher" dauert, legt der Charakter einen kleinen Hopser hin oder macht einen weiten Satz.

Da grenzt es fast schon an ein Wunder, dass sich trotz Automatik-Wetzerei das aus "echten" Mario-Episoden gewöhnte Spielgefühl einstellt - ein Umstand, der nicht zuletzt der präzisen Rekonstruktion der bekannten Spiel-Elemente und -Szenarien geschuldet ist: Mario springt wie gehabt herzigen Gumbas auf den Deckel, weicht Klempner-fressenden Pflanzen aus und kickt die Panzer von besiegten Schildkröten durch die Pixel-Pampa. Oder er wird vom charakteristischen "Wap-Wap-Wap"-Geräusch begleitet, während er durch grüne Röhren in den finsteren Untergrund der Spielwelt abtaucht. Auch sonst wird altbewährte Kost geboten: Eiswelten, Unterwasser-Welten, von Magma-Strömen durchflutete Feuer-Levels und natürlich Erz-Ekel Bowser als pflichtbewusster Antagonist - kennt man alles schon. Aber Tradition verpflichtet eben - und weil Nintendo diese Tradition gewohnt virtuos pflegt, fühlt man sich trotz veränderter Spielmechanik erstaunlich schnell heimisch.


Was bei den "großen Marios" allmählich etwas angestaubt wirkt und zumindest vorsichtig erneuert werden dürfte, ist auf dem kleinen iPhone ein klarer Vorteil: Fühlt sich an wie echtes Mario - ist ein echtes Mario!


Zumal der Hersteller das sonst übliche Regelwerk des Runner-Genres zwar nur behutsam, aber dafür sinnvoll ergänzt hat: So verlangt Mario nicht für jeden kleinen Hopser nach einer Touchscreen-Eingabe - Mini-Hopser und Purzelbäume über die Köpfe von Gegnern bekommt der Klempner zum Beispiel alleine hin. Mit speziellen Untergrund-Feldern erweitert Nintendo außerdem den Bewegungsradius seines Helden: Anstatt wie gewohnt von links nach rechts zu flitzen, verharrt Mario dann an Ort und Stelle - oder er wechselt kurzerhand die Richtung, um die Level-Architektur noch eingehender zu untersuchen. Denn wie gewohnt setzen die Mario-Entwickler nicht auf einen knallharten Überlebenskampf, um die Fans an den Bildschirm zu fesseln - vielmehr geht es darum, die weitläufigen Hupf-Welten zu erforschen und ihnen auch das letzte sammelbare Kleinod abzuringen. Eine für die Serie typische Vorgehensweise, die trotz reduzierter Kontroll-Möglichkeiten noch immer erstaunlich gut funktioniert. Aber Obacht: Mario-Spiele sind und bleiben Profi-Kost. So zugänglich das Regelwerk der Serie auch ist, so hart und frustrierend kann die Erkundung der teuflisch verwinkelten Labyrinthe geraten.

Mario-Fans mit jahrelanger Serien-Erfahrung und viel Geduld freuen sich aber über ein rundum gelungenes Smartphone- und Tablet-Debüt des bekannten Hosenmatzes, das eigentlich nur ein Problem hat: Es ist viel zu teuer. (rb)