Gestrandet auf der Rätsel-Insel: Wie "Rime" graue Zellen und Tränendrüsen stimuliert

 

Trickfilm-Optik wie einem Anime, ein niedliches Helden-Duo, viele Kopfnüsse und jede Menge Drama: Mit seinem Action-Adventure "Rime" stimuliert Tequila Works nicht nur die grauen Spieler-Zellen, auch für rasanten Taschentuch-Verschleiß ist gesorgt.



 

Ein kleiner Junge mit niedlichem Fuchs-Sidekick als Helden-Duo und eine geheimnisvolle Insel als Schauplatz: Das Action-Adventure "Rime" aus der spanischen Games-Werkstatt "Tequila Works" verquickt den Look eines Studio-Ghibli-Anime mit der Rätsel-Raffinesse eines "Zelda". Doch unter der Oberfläche des scheinbar heiteren Action- und Insel-Abenteuers verbirgt sich ein anspruchsvoller Brocken voller Melancholie, harter Kopfnüsse und einem Trip durch allerlei bedrohliche bis wunderschöne Parallewelten.

Dabei ist der Einstieg in das Tränendrüsen-stimulierende Adventure-Drama noch angenehm harmlos: Ein Junge wird an die von malerischer Trickfilm-Gischt umspülte Küste einer Insel gespült - und weder weiß der kleine Held, was ihn hergebracht hat, noch wo er sich befindet. Doch das passende Ziel ist schnell ausgemacht: Ein über der Insel thronender, monolithischer Turm verheißt Aufklärung - nur ist das gigantische Gemäuer gar nicht so leicht zu erreichen und noch viel schwieriger zu erklettern! Immerhin: Ein possierlicher Fuchs-Freund weist bereitwillig den Weg und steht mit beratendem Wau-Wau zur Seite.

 



 

Also erlernt der namenlose Held erstmal Schritt für Schritt die Regeln der mediterranen Insel-Idylle und der darauf angesiedelten Ruinen-Städte: Nach Art eines Action-Adventures werden zerklüftete Felsmassive und verwitterte Mauern mühsam erklommen, Schluchten mit beherzten Sprüngen überwunden und Geheimnisse mit viel Hirnschmalz gelüftet. Außerdem gibt sich der kleine Kerl angenehm pazifistisch: Aufdringliche Wildschweine werden versöhnlich mit leckeren Früchten gefüttert, schattenhafte Schemen mit Hilfe magischer Lichtkugeln verscheucht und einem aggressiven Riesenvogel geht man durch das Aufsuchen verschiedener Verstecke aus dem Weg.

Die wichtigste "Waffe" im Arsenal des in eine altertümliche Kluft gehüllten Teenage-Helden ist neben jeder Menge Grips aber seine Stimme: Statuen, Kugeln und andere Mechanismen erfüllt der Bursche mit magischem Leben, indem er ruft, singt oder summt. Kaum hat er seinen Stimmbändern ein paar schmeichelnde Klänge entlockt, senden die aktivierten Artefakte grünliche Lichtwellen aus, die wiederum andere Gerätschaften in Gang bringen. Inzwischen werden bewegliche Rätsel-Elemente mit Hilfe von kindlichem Muskelschmalz über den Boden von Ruinen geschleift, geht der wuschelköpfige Protagonist in überfluteten Tunneln auf Tauchstation oder vervollständigt er durch den Einsatz mystischer Apparaturen bruchstückhafte Silhouetten: "Rime" zieht sämtliche bekannten Rätsel-Register, erweitert sie gekonnt um eigene Ideen und führt dabei alle Knobel-Elemente so geschickt ein, dass sich der Lernprozess ganz natürlich anfühlt. Dazu gibt's noch eine treffsicher und mit Hilfe großartiger Bilder erzählte Geschichte, die nach etwa sechs Spielstunden in einem ebenso philosophischen wie überraschenden Finale gipfelt. Außerdem werden dabei Themen reflektiert, an die sich viel zu wenige Spiele trauen – und wenn, dann sind sie nicht annähernd so unterhaltsam wie das zwar tieftraurige, aber auch unvergesslich schöne "Rime".