Ein bisschen zeigen und ein wenig klicken: Daedalics "Die Säulen der Erde"

 

Fast 30 Jahre hat das Historien-Drama "Säulen der Erde" vom britischen Bestseller-Autoren Ken Follett inzwischen auf dem Einband - und noch immer ist der Roman um Leben, Liebe und Lügen in der fiktiven Mittelalter-Stadt Kingsbridge begehrt: Nachdem eine deutsch-kanadische Ko-Produktion das Intrigen-Spektakel vor einigen Jahren ins Fernsehen brachte, liefert die Hamburger Spiele-Schmiede Daedalic jetzt das passende PC- und Videospiel dazu. Das bietet nach dem Vorbild von US-Entwickler Telltale vor allem viel Story und aufwändig vertonte Dialoge.

Mit diabolischen Rätseln gespickten Denksport, wie ihn Point'n'Click-Fans sonst von den Abenteuern der hanseatischen Adventure-Experten gewöhnt sind, ist in dem interaktiven Roman dagegen Mangelware: Die aus der literarischen Vorlage bekannten Figuren bewegen sich zwar Art nach eines klassischen Grafik-Adventures durch die Zeichentrickfilm-ähnlichen und mit sparsamen 3D-Elementen garnierten Kulissen - doch der Grad an echter Interaktion und Einflussnahme durch den Spieler hält sich dabei in Grenzen. Wie in einem Adventure werden Objekte und Hintergrund-Elemente mit einem Mausklick in Augenschein genommen, mit einem anderen begrabbelt oder benutzt. Hier und da dürfen einige Gegenstände im allerdings knapp bemessenen Inventar des aktiven Charakters verstaut werden - wie zum Beispiel ein heißer Stein aus der Klosterküche, um einem alten Mönchen an der verschneiten Dorfbrücke die durchgefrorenen Füße zu wärmen. Oder einer der zahlreichen Gedankenfetzen, die man wie ein Objekt in die Heldentasche packen kann, um bei späteren Aktionen und Gesprächen darauf Bezug zu nehmen.

 



 

Doch all das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der für Kopfnuss-Sammlungen wie "Deponia" oder "The Whispered World" bekannte Hersteller in diesem Fall die "Light"-Fassung eines Point'n'Click-Titels abliefert - gerade noch so interaktiv, dass es es die Bezeichnung "Adventure" verdient, aber ansonsten eher ein durchklickbarer und animierter, illustrierter Roman als echtes Games. Immerhin hat der "Spieler" auf diese Weise den Kopf frei, um sich voll und ganz auf das komplexe mittelalterliche Intrigenspiel und die darin verwickelten Figuren zu konzentrieren, zwischen denen die einzelnen Spiel-Kapitel immer wieder hin und her springen. Figuren wie der Baumeister Tom Builder, der mit seiner Familie auszieht, um sich endlich den Traum von der eigenen Kathedrale zu verwirklich und der dabei im nächtlichen Wald seine hochschwangere Frau an den klirrenden Frost verliert. Oder der im Wald aufgewachsene Wildfang Jack und seine junge, Hexen-gleiche Mutter Ellen, die Tom und seine vestörte Familie aufnehmen. Und natürlich den jungen Prior Philip, der beim Besuch der Abtei in Kingsbridge über einen brisanten Brief stolpert und dabei in eine tödliche Verschwörung zwischen Kirche und Krone stolpert. All diese Figuren und ihre Schicksale sind bereits aus Folletts rund 1.200 Seiten starkem Schmöker bekannt - für die Spiele-Umsetzung hat sich Deadalic allerdings die eine oder anderen erzählerische Freiheit rausgenommen, die das sonst akkurat umgesetzt Mittelalter-Treiben gerade für Kenner der Vorlage ausgesprochen interessant macht.

Wer Daedalics Umsetzung ein paar kleinere inszenatorische Unzulänglichkeiten und den niedrigen Grad an echter Adventure-Interaktion verzeihen kann, der bekommt mit "Säulen der Erde" die vielleicht ambitionierteste Spiele-Umsetzung eines Romans, die aktuell zu haben ist. Selten wurde Britanniens dunkle Ära des 12. Jahrhunderts mit so viel zeichnerischer Genauigkeit umgesetzt oder ähnlich gelungen vertont.