Weniger Horror, mehr Spiel: "The Evil Within 2"


 

Eine abstrakte Parallelwelt aus von Geister-Gestalten heimgesuchten Korridoren und eine in schwebende Inseln zerbröckelnde US-Kleinstadt: Nach dem Splatter-Marathon des ersten Teils drosselt Grusel-Koriphäe Shinji Mikami für "Evil Within 2" Blut-Dosis und Herzinfarkt-Risiko. Dafür wird die Spiel-Kulisse nach nach Art eines modernen Open-World-Games geöffnet - und bei deren Erkundung stehen vor allem Fähigkeitenausbau und eine klassisch gepolte Zombie-Schießbude im Vordergrund.

"Resident Evil"-Erfinder Shinji Mikami macht wieder das, was er am besten kann - den Spieler mit einer Armee aus hungrigen und knurrenden Untoten konfrontieren, während er gleichzeitig gegen eine permanente Ressourcen-Knappheit zu kämpfen hat. In "Evil Within 2" trifft der Zombie- und Action-Faktor der frühen "Resident Evil"-Teile auf das Kleinstadt-Szenario aus "Silent Hill". Wie im Konami-Klassiker wird eine von kompostierten Kreaturen heimgesuchte Ortschaft erforscht und Haus für Haus von Monstern befreit, während sich zertrümmerte Straßenzüge im Nichts verlieren. Doch anders als Silent Hill ist das Grusel-Nest nicht echt: Wie Beacon, das Szenario aus dem ersten "Evil Within", ist "Union" ein fiktiver Ort inmitten des von "Mobius" erfundenen "STEM"-Systems - eine Art virtueller Umgebung, bei der ein menschlicher Geist als CPU fungiert. In diesem Fall ist es das totgeglaubte Töchterchen von Helden-Cop Sebastian Castellanos, das die künstliche Siedlung mit Hilfe seiner geistigen Fähigkeiten zusammenhält. Eigentlich sollte Union ein idyllischer Zufluchtsort werden - aber jetzt torkeln alptraumhafte Wesen durch die Straßen und verwandeln sich brave Bürger in verunstaltete Monstrositäten, die jedes der von Mobius entsandten Rettungs-Teams verspeisen. Zu allem Überfluss treibt auch noch ein mörderischer Phantom-Fotograf sein Unwesen, der seine Opfer in einer Art Zeitstopp-Zone gefangen hält, um den Moment ihres blutigen Todes auf Film bannen zu können.



 

Also stürzt sich Sebastian erneut ins STEM-System, um Tochter Lily zu befreien und die untoten Besatzer im Dutzend zu kompostieren: Je nachdem, welchen Schwierigkeitsgrad der Spieler anfangs wählt, verwandelt sich "Evil Within 2" dabei entweder in einen gnadenlosen Survival-Albtraum oder ein vergleichsweise gemütliches Zombie-Schießen - doch Möglichkeiten zur kreativen Untoten-Beseitigung gibt es in jedem Fall reichlich. Sebastian erdolcht seine Widersacher hinterrücks, durchsiebt sie mit Projektilen oder lockt sie in brennende Benzin-Lachen, unter Strom stehende Pfützen und explosive Stolperfallen - Action-Fans freuen sich über ein monströses Splatter-Fest, das sich anders als im trägen Vorgänger angenehm flott und intuitiv steuert.

Wie gewohnt, darf sich Castellanos mit Hilfe spezieller Spiegel in eine Art persönlicher Ruhezone zurückziehen: Hier wartet eine durchgeknallte Krankenschwester darauf, die Fähigkeiten des Cops durch Verabreichung von zuvor im Spiel gesammelten Drogen-Cocktails zu steigern. Oder Sebastian verschwindet hinter der Werkbank, um sein Arsenal zu optimieren. Pistole, Schrotflinte, High-Tech-Armbrust, Scharfschützengewehr: Sämtliche Schießprügel dürfen optimiert und verändert werden - vorausgesetzt, der Detective hat die notwendigen Bauteile im Gepäck.

Shooter-Freunde mit Horror-Ambitionen bekommen mit "Evil Within 2" ein ebenso blutiges wie druckvolles Action-Gelage: Das ist technisch und inszenatorisch zwar nicht immer auf dem neuesten Stand, aber die Survival-Szenarien der 90er-Jahre hat Mikamis Team gekonnt reproduziert und modernisiert. Wer allerdings raffinierte Objekt-Rätsel oder einen schaurig hohen Fürchte-Faktor erwartet, der wird enttäuscht: Echtes Grusel-Ambiente ist den seltenen Momenten vorbehalten, in denen Castellanos die Kleinstadt Union verlässt, um im Raum schwebende Korridore, Säle und Treppen-Fluchten einer weiteren Zwischenwelt zu besuchen. Im Direktvergleich mit dem Vorgänger schneidet das spielerisch reifere "Evil Within 2" dezent besser ab, gibt sich dafür aber auch deutlich blutärmer und weniger experimentierfreudig. Horror-Fans sind darüber enttäuscht, aber die Spielspaß-Kurve profitiert deutlich.