Kritik: Need for Speed – Payback

 

Fans beim jüngsten Teil von Electronic Arts' traditionsreicher Bleifuß-Serie "Need for Speed": Nach dem vergleichsweise enttäuschenden Serien-Relaunch vor zwei Jahren soll der Nachfolger "Payback" die PS-Monster wieder auf Kurs bringen. Darum präsentiert Entwickler Ghost Games mit dem Schauplatz "Fortune Valley" und dem Las-Vegas-ähnlichen "Silver Rock" einen gigantischen Open-World-Tummelplatz. Der wird Serien-typisch in selbst getunten Luxus-Karossen durchkreuzt, während Herausforderungen und Kopf-an-Kopf-Rennen die Fahrer-Kasse füllen. Highlight der PS-Schlacht sind cineastisch präsentierte Story-Rennen, in denen Front-Fahrer Tyler Morgan und zwei Freunde das Gaspedal im Kampf gegen ein böses Kartell durchtreten.

Grund der Animositäten: Das "House" hat Bleifuß Tyler, StuntProfi Mac und Fluchtwagen-Fahrerin Jess bei einem sorgfältig geplanten Coup die Tour vermasselt und anschließend die Kontrolle über die Stadt an sich gerissen. Seitdem sind sämtliche Rennen abgekartet und regiert organisiertes Raser-Verbrechen die Straßen. Grund genug für Tyler und seine Crew, sich an den Hintermännern des Kartells rächen zu wollen. Ihre Revanche-Taktik: Die Bösen bei einem landesweit übertragenen Straßenrennen Staub schlucken lassen. Also brettert man bei vollem Tacho-Ausschlag durch Häuserschluchten, Wüstenlandschaften, Canyons und Gebirgswäldchen, um bei allerlei illegalen Rennen und Events die Team-Kasse wieder auf Vordermann zu bringen. Springt über Schanzen, schlittert mit durchgedrücktem Gaspedal durch vom Wüstensand bedeckte Haarnadelkurven oder hängt freche Plaudertaschen ab. Lohn der Mühen sind Moneten und Tuning-Elemente, mit denen das Team seine Boliden noch mächtiger macht.

 



 

Tatsächlich dreht sich darum in "Payback" fast alles: Neue und bessere Luxus-Karossen erobern, kaufen oder wieder auf Vordermann bringen, um sie anschließend ins Herzstück des Spektakels zu überführen - einen komplexen Tuning-Kreislauf mit Sammelkarten-Mechanismus, der direkt an den überbordenden Echtgeld-Shop des Spiels gekoppelt ist. Denn höhere Geschwindigkeit, mehr Nitro-Einspritzung, die passende Aufhängung und eine bessere Übersetzung gibt's nicht nur für Ingame-Währung - schrauben darf auch, bei wem die Euro-Kasse stimmt. Wer den umfangreichen Fuhrpark des Spiels ausreizen und jeden noch so zerbeulten Scheunenfund vorbildlich auf den Asphalt setzen will, der zückt schon mal die Kreditkarte. Dabei wirkt die Trading-Card-Buchhaltung in der Bastler-Garage manchmal unnötig komplex und User-feindlich - fast so, als wolle man auf diese Weise kaschieren, in welchen Schlupflöchern Ingame- und Real-Geld tatsächlich versickern.

 

Wer allerdings mit derlei Verdienst-Hintertürchen der Hersteller seinen Frieden gemacht hat, der wird die komplexe Schrauberei an röhrenden Stahl-Kutschen und bereit bereiften Offroad-Monstrositäten zu schätzen wissen. Schade nur, dass es Entwickler Ghost Games darüber versäumt hat, seinem ausgefeilten Fuhrpark eine Racing-Landschaft zur Seite zu stellen, die den Tuning-Aufwand überhaupt lohnt. Denn so viel Bewegungsfreiheit das "Fortune Valley" auch bietet, so wenig macht es davon Gebrauch: Die Anzahl an spannenden Gelegenheiten, um ordentlich die PS-Muskeln spielen zu lassen, ist ebenso überschaubar wie die Strecken selber unspektakulär.

Richtig Gas gibt man dafür bei den Story-Events: Hier ist es Ghost Games gelungen, Hochgeschwindigkeits-Rennen und halsbrecherische Stunts mit einer Geschichte nach "The Fast and the Furious"-Rezeptur zu paaren - packend inszeniert und zumindest halbwegs interessant geschrieben. Spieler mit einer Allergie gegen markige Raser-Sprüche und plattem Gangsta-Sprech sollten allerdings unbedingt weghören, wenn Tyler & Co. sich bei 200 Sachen und mehr fremdschämige Plattitüden um die Ohren hauen. Schade außerdem, dass dem Spieler durch das regelmäßige Hin- und Her-Springen zwischen den drei Protagonisten auch solche Rennsport-Gattungen aufgezwungen werden, die ihm vielleicht gar nicht liegen: Wer zum Beispiel keine Lust verspürt, ein knallhartes Drift- oder Stunt-Rennen so lange zu wiederholen, bis er endlich den ersten Platz belegt, der ist bei "Need for Speed: Payback" an der falschen Adresse. Ebenso wie solche Fahrer übrigens, die gerne als Koop-Gespann auf die Tube drücken möchten: Einmal mehr versieht Ghost Games seine Spielwelt per Online-Anbindung mit spontan auftauchenden Mehrspieler-Herausforderungen - aber die Story gemeinsam zu erleben, ist leider nicht möglich.