Nach etlichen Handheld-Episoden und Gastspielen auf Wii beziehungsweise WiiU schafft es Capcoms Dino-Hatz endlich auf eine große PlayStation und die Xbox: "Monster Hunter World" soll Serien-Neulingen den Einstieg erleichtern, den Bewegungsradius der Monster-Jäger vergrößern und mit einer filmischen Inszenierung punkten. Dafür versetzt man den Kampf gegen gefiederte Reptilien, gigantische Drachen und andere Monstrositäten in eine neue Welt.
Dino-Jäger und ihre Katzen-ähnlichen Begleiter verwandeln urzeitliche Ungeheuer in gigantische Rohstofflager, um sich anschließend mit noch stärkerer Ausrüstung in den Kampf zu stürzen: Das ist
die Essenz der "Monster Hunter"-Reihe, seitdem Capcom seine Kreaturen 2004 zum ersten Mal von der Leine gelassen hat. In dieser Zeit tummelten sich die Schuppen- und Federtiere vor allem auf
Handheld-Systemen wie PSP, PS Vita und 3DS - und mit jeder weiteren Episode wurde das Monster-Jäger-Wettrüsten noch ein Stückchen kniffliger. Inzwischen gilt die Marke als Komplexitätsmonster,
das Neueinsteigern kaum eine Chance lässt.
Genau die richtige Zeit also, um buchstäblich in eine neue Welt aufzubrechen: "Monster Hunter World" soll die Serie vielleicht nicht rundum erneuern, aber immerhin befreien. Befreien vom Ballast
- und befreien vom Stigma des auf Inszenierungs-Sparflamme kochenden Handheld-Games. Das Ergebnis gliedert sich irgendwo zwischen der Ursprungsserie und einem anderen, ebenfalls von Capcom
entwickelten Spiel ein: "Dragon's Dogma". Wenn sich bei "Monster Hunter World" riesige Reptilien durch den Dschungel winden, wie Vipern über feuchte Schiefersteine ringeln oder ein Drache mit
mächtigen Flügelschlägen in den Himmel schraubt, dann werden die Parallelen zum Profi-RPG von 2012 überdeutlich. Beide Spiele verstehen sich als Bühne für mythische Bestien, die mit Hilfe
ausgefeilter Bewegungsabläufe zu täuschend echtem Bildschirmleben erweckt werden. Allerdings konzentriert sich auch "Monster Hunter World" so sehr auf die Präsentation seiner prachtvollen
3D-Ungetüme, dass die Dynamik ein wenig auf der Strecke bleibt. Mit dem fein ausbalancierten Handling der Mobile-Teile kann "World" nicht gleichziehen - viel zu oft erkennt der Spieler nur
schwer, ob er die gegnerische Bestie überhaupt getroffen hat. Während das Monster selbstverliebt seine realistischen Bewegungsabläufe abspult, hackt der Jäger blindlings drauf los und hofft, dass
seine mit teils fummeligen Button-Kombinationen ausgeführten Manöver Schaden anrichten.
Ob und wie er die feindliche Kreatur zur Strecke bringt, ist am Ende weniger eine Folge kompetenter Joypad-Akrobatik als vielmehr das Resultat des altbekannten Ressourcen- und Rüstungs-Wettlaufs.
Denn aus den Überresten der Kreaturen werden neue Totschläger geschmiedet - wie zum Beispiel wuchtige Schwerter, ausfaltbare Äxte oder Klingen-Stäbe. Fernsteuerbare Insekten und verschießbare
Giftbrocken inklusive. Weil auch das neue "Monster Hunter" von diesen Elementen dominiert wird, tut es sich ziemlich schwer dabei, das seit 14 Jahren wuchernde Regelsystem zu entschlacken. Darum
kommen nicht wenige der skurrilen Jagd-Werkzeuge mit einer eigenen, hochkomplexen Bedienungsanleitung. Für Neueinsteiger ist das trotz gut gemeinter Tutorial-"Stützräder" der blanke Horror.
Eine zumindest behutsame Erneuerung ist Capcom bei der Gestaltung und Gliederung des Szenarios geglückt: Die Übergänge zwischen den meisten Spielgebieten sind fließend und frei von Ladepausen -
ganz anders als bei den Miniatur-Instanzen der bisherigen Serien-Teile. Wer allerdings glaubt, dass sich hinter dem Wörtchen "World" eine Art "Open World"-Spiel verbirgt, wird enttäuscht: Die
Bewegungsfreiheit der Jäger ist nach wie vor stark eingeschränkt. Haben sie ihre prachtvoll gestaltete Basis verlassen, um eine tropische Inselwelt, brodelnde Vulkane und weite Wüsten zu
erforschen, wird wie gehabt ein extra Einsatzgebiet geladen - nur ist das deutlich größer wie bisher.
Wer bereit ist, sich für die streng nach Missions-Struktur abzuarbeitende Monster-Jagd in ein dickes Regelwerk einzuarbeiten, der wird dafür immerhin mit dem bisher schönsten "Monster Hunter"
belohnt. Ebenso wie mit einem konkurrenzlos großen Bestiarium, in dem jede Kreatur mit der passenden Taktik und Ausrüstung bezwungen werden will. Auch Multiplayer-seitig gibt sich der jüngste
Serien-Spross stark: Zuerst in der Jäger-Lobby eine schlagkräftige Truppe zusammenstellen und dann mit bis zu drei anderen Schwertschwingern auf die Jagd gehen - so macht das Dino-Metzeln am
meisten Spaß. Wer allerdings schwerpunktmäßig eine Geschichte erleben, eine Spielwelt erkunden und alleine auf Abenteuer ausziehen will, ist hier falsch. Denn Capcom ist es zwar gelungen, seine
Serie zu verschönern und zu verfeinern - aber die erhoffte Erneuerung und Öffnung für Neuankömmlinge ist "Monster World" nicht geworden.