Mit Schnabel, Schnauze und scharfen Klauen: Bei der digitalen Umsetzung des Retro- und Papier-Rollenspiels "Mutant Year Zero" liefern Hersteller Funcom und Entwickler Bearded Ladies eine tierische Strategie-Performance.
PS4 • Xbox One • PC • Was haben eine Ente und ein Wildschein gemeinsam? Abgesehen davon, dass sich mit ihnen leckere Mahlzeiten zubereiten lassen, geben sie auch beide ziemlich probate postapokalyptische Antihelden ab. Denn in der Computer- und Videospiel-Umsetzung des gleichnamigen "Pen & Paper"-Rollenspiels aus Schweden sind schräge Gestalten wie die Waffenbrüder Boarmin (Wildschwein-Mann) und Dux (Entenschnabel-Gesicht) nämlich eher die Norm als normale Menschen: Auf der Endzeit-Erde haben sich die wenigen Überlebenden in eine mit "Arche" betitelte Schrott-Metropole zurückgezogen - und um dieses letzte sichere Domizil in Schuss zu halten, rücken Boarmin, Dux oder ihre Stalker-Kollegen regelmäßig aus. Im umgebenden Ödland suchen die zu skurrilen Tierwesen mutierten Humanoide dnan nach lebenswichtigen Ressourcen und stoßen regelmäßig auf Hinterlassenschaften ihrer menschlichen Vorväter, mit denen die pelzigen bis gefiederten Wasteland-Bewohner oft gar nichts anzufangen wissen. So werden ehemalige Züge zu "Stahl-Schlangen", Ghettoblaster zu praktischen Aufbewahrungs-Boxen und Flugzeug-Wracks zu archaischen Stahlbestien, die man inzwischen nur noch ehrfürchtig bewundern kann.
Zwischen den von Schlingpflanzen und Erde bedeckten Hinterlassenschaften unserer Ära lauern allerdings jede Meng Bedrohungen – allen voran die fleischfressenden Ghule, die fieberhaft nach der
Arche, ihren Bewohnern und deren Ressourcen suchen. Rücken Boarmin, Dux und vermeintliche Truppen-Neuzugänge den von eitrigen Schwielen übersäten Kreaturen zu nah auf die Pelle, kommt es zum
Strategie-Gefecht: Dann wechselt die sonst in Echtzeit gespielte Ödland-Erkundung in den Runden-Modus, in dem die Mutanten ihre ekligen Widersacher Zug um Zug ausmanövrieren. Das Regelwerk der
taktischen Gefechte folgt an dieser Stelle grob dem Regelwerk der ursprünglich aus den 1980-er-Jahren stammenden Paper'n'Pencil-Vorlage und lässt sich am ehesten mit der "X-Com"-Reihe
vergleichen. Dabei verfügt jeder Mitstreiter über zwei Züge pro Runde: Die lassen sich zwar theoretisch frei zwischen den verschiedenen Aktions-Möglichkeiten aufteilen, allerdings beenden manche
Handlungs-Optionen die Zugfolge sofort. Wer zum Beispiel das Feuer auf einen Feind eröffnen will, der sollte seine Bewegungs-Aktion vorher abschließen, weil eine Attacke die laufende Aktionsphase
des betreffenden Charakters unweigerlich beendet.
Weil sich "Mutant Year Zero" dabei vor allem an gestandene Genre-Profis richtet, schalten weniger routinierte Strategen bereits zu Spielbeginn auf den niedrigsten von drei Schwierigkeitsgraden
um: Hier spielt sich der sonst beinharte Taktik- und Rollenspiel-Cocktail vergleichsweise entspannt. Allerdings ist die umsichtige Planung des Charakter-Fortschritts hier leider weniger wichtig.
Funcoms "Pen & Paper"-Umsetzung bietet mehrere verschiedene Fertigkeiten- und Mutations-Bäume an, die das Abenteuer wesentlich vielfältiger machen. Vorausgesetzt, man spielt auf einem der
anspruchsvolleren Niveaus.
Eine Menge Spaß hat man mit dem Ausflug in die von ungewohnt knuffigen Mutanten bevölkerte Postapokalypse aber auf jeden Fall: Auch auf Konsolen und mit dem Controller ist die "Road to Eden"
wunderbar handlich und locken die Endzeit-Szenarien mit detailreichen, stimmungsvoll gezeichneten Kulissen sowie trockenem Humor. Wer das letze "X-Com" schon fertig taktiert hat, bucht seinen
nächsten Genre-Urlaub unbedingt in der Endzeit, packt Bürzel beziehungsweise Schnabel ein und geht auf Ghul-Jagd. Microsofts Game-Pass-Kunden bekommen das Abenteuer übrigens als Teil ihres
Abonnements.
Note: 9.0 (SEHR GUT)
WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend