Kaum hat das EU-Parlament das umstrittene neue Urheberrecht mit dem viel bestreikten Artikel 13 und seiner nicht weniger kritischen Paragraphen-Entourage durchgewunken, kündigen auch schon die
ersten Plattform-Betreiber ernsthafte Konsequenzen an: So hat Emmett Shear - Chef der Live-Streaming-Plattform Twitch - bereits am 8. März angekündigt, im Ernstfall EU-Nutzer von vielen,
außerhalb der EU erstellten Streams gleich komplett auszuschließen. Ein solcher Schritt könnte für viele Unternehmer und Start-Ups, deren Geschäftsmodell von Live-Übertragungen über das Internet
abhängig sind, ernsthafte Probleme mit sich bringen - vermutlich wären auch Programme wie das bekannte deutsche Games- und Entertainment-Format "Rocket Beans TV" von den ehemaligen "Game
One"-Machern betroffen. Die strahlen ihr eigens für diesen Zweck produziertes Rund-um-die-Uhr-Programm seit 2015 über Twitch aus - Urheberrechtsverletzungen liegen hier (ebenso wie bei vielen
vergleichbaren Angeboten) keine vor. Trotzdem ließen sich derartige Kollateralschäden nach der laut Shea kaum zu vermeidenden Einführung von Upload-Filtern kaum vermeiden.
Das neue Urheberrecht sieht nämlich vor, dass bald nicht nur die jeweiligen Video- oder Stream-Produzenten, sondern auch die Betreiber der entsprechenden Vertriebs- beziehungsweise
Hosting-Plattformen (wie Twitch, Youtube oder Vimeo) für eventuelle Urheberrechtsverletzungen haftbar gemacht werden können. Um dieses Risiko zu umgehen, müsste man mutmaßlich bedenkliche
Angebote aus EU-Ländern mithilfe spezieller Software herausfiltern, noch bevor sie vollständig hochgeladen und auf der Plattform eingestellt werden können. Theoretisch bedeutet das aber auch,
dass Programme aus Ländern außerhalb der EU ebenfalls gefiltert werden müssten, bevor sie von Usern innerhalb der EU konsumiert werden. Oder - und diese Lösung scheint man bei Twitch zu
bevorzugen - die entsprechenden Übertragungen und Kanäle (wie zum Beispiel aus den USA) lassen sich gar nicht erst innerhalb der EU aufrufen. Für die Fans von eSports-Austragungen auf Basis von
"Dota", "LoL" oder "Fortnite" würde das unter Umständen bedeuten, dass sie keinen Zugang mehr zu Live-Übertragungen aus Ländern außerhalb der EU bekommen.
Bis es soweit kommt, vergeht allerdings noch etwas Zeit: Die im neuen Urheberrecht enthaltenen Richtlinien müssen von den EU-Mitgliedsstaaten erst in zwei Jahren umgesetzt werden, außerdem muss
das an sich abgesegnete Richtlinien-Paket noch weitere Instanzen durchlaufen und könnte zum Beispiel aufgrund mutmaßlicher Verfassungswidrigkeit (im Sinne der freien Meinungsäußerung) ausgehebelt
werden, bevor es endgültig wirksam wird. Besonders wahrscheinlich ist das allerdings nicht.
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