Streaming-App-Store ohne Exklusiv-Games: Stadia Connect

 

Immer und überall - und das für nur schmale zehn Dollar im Monat: Für seinen verspielten Streaming-Dienst "Stadia" hat Google jetzt endlich Preis-Modell und frühes Spiele-Lineup vorgestellt.


 

Vor einigen Monaten hat Google die Gaming-Welt mit der Ankündigung eines eigenen Streaming-Dienstes für Games in Schockstarre versetzt: "Stadia" soll es Fans ermöglichen, ihre Lieblingsspiele auf so ziemlich jedem beliebigen Display zu genießen - vorausgesetzt, auf der Hardware ist Googles Chrome-Browser installiert oder sie ist mit einem "Chromecast"-Adapter verstöpselt. Am Beispiel von Ubisofts Open-World-Epos "Assassin's Creed Odyssee" wollte man beweisen, dass man auch aufwendige Spiel-Inhalte weitgehend verzögerungsfrei und in hoher Qualität streamen kann. Zugkräftige Argumente wie "4K-Auflösung", "60 Bilder pro Sekunde" oder "5.1-Surround-Sound" sollten das Angebot des Internet- und Service-Giganten dabei in die Nähe von High-End-Konsolen wie PlayStation 4 Pro oder Xbox One X rücken. Denn die könnte Stadia - zumindest theoretisch - sogar ausbooten, weil in Googles Netzwerk aus Hochleistungs-Rechenzentren immer die neueste Gamer-Hardware zur Verfügung steht. Aber Details zum Spielangebot, den Kosten oder der notwendigen Internet-Geschwindigkeit bliebt Google den Interessenten schuldig - bis zum 06. Juni, denn an an diesem Tag übertrug man den ersten "Stadia Connect"-Live-Stream. Hier lieferte Phil Harrison - früher PlayStation-Vizepräsident, heute Stadia-Boss - endlich Details.


Früher PlayStation-Vize, heute Stadia-Boss: Phil Harrison (links) führte durch die "Connect". Rechts daneben: Der offizielle Controller des Dienstes. PS4- und Xbox-Pad sind aber auch kompatibel.
Früher PlayStation-Vize, heute Stadia-Boss: Phil Harrison (links) führte durch die "Connect". Rechts daneben: Der offizielle Controller des Dienstes. PS4- und Xbox-Pad sind aber auch kompatibel.

Was kann Stadia und was kostet es?


Theoretisch übertragen Googles Rechenzentren flotten Games-Genuss für mit 4K-TVs ausgerüstete Heimkinos - aber tatsächlich ist die Qualität von der beim Nutzer verfügbaren Internet-Geschwindigkeit abhängig. Hier gibt sich der Dienst allerdings - zumindest auf dem Papier - angenehm genügsam: Bereits ab 35 MBit soll Stadia die maximale Qualität ausliefern. Ab 20 MBit wird aus 4K schließlich 1080p, bei Leitungen mit zehn oder weniger MBit reduziert sich die Qualität auf eine Bildschirmauflösung von 720p und wird aus dem Surround-Sound Stereo. Immerhin: 60 Frames pro Sekunde sollen dann noch immer möglich sein.

Aber was kostet der Spaß? Das soll der Kunde selber bestimmen können: Wer sich auf keinen Abo-Abschluss einlassen will, der kann die Spiele theoretisch kaufen - muss sich dann allerdings der Tatsache bewusst sein, dass seine Spiele an die Funktionalität von Internet und Stadia gebunden sind. Oder mit anderen Worten: Ist Stadia mal nicht verfügbar oder wird der Dienst eingestellt, dann war der Kauf für die Katz, denn beim Streaming werden keine Daten lokal auf dem Endgerät installiert. Das heißt, man wird durch die Entrichtung des Kaufpreises zwar zum "Nutzer" oder "Besitzer", aber streng genommen nicht zum "Eigentümer" der Software.

Wer sich dagegen auf ein Abo-Modell nach Netflix-Vorbild einlassen will, der gibt "Stadia Pro" eine Chance. Dafür werden monatlich zehn Dollar fällig, Euro-Preise hat Google noch nicht angegeben. Dafür bekommen Spieler den Zugriff auf die volle Stadia-Spiele-Bibliothek, allerdings sollten sie in diesem Fall bereits ein kompatibles Input-Gerät wie den Xbox- oder den PS4-Controller besitzen. Andernfalls werden saftige 70 Dollar für das Stadia-Pad fällig: Das hat zwar extra Capture- und "Google Assistant"-Button - doch ob es den gängigen High-End-Controllern von Sony & Co. das Wasser reichen kann, bleibt abzuwarten.

Wer gerne etwas in der Hand hat, der liebäugelt alternativ mit der ab sofort vorbestellbaren "Stadia Founder's Edition": Die enthält für 130 Dollar einen in exklusivem Nachtblau eingefärbten Controller, drei Monate "Stadia Pro"-Mitgliedschaft für zwei Personen, die komplette "Destiny-2-Experience" sowie die Möglichkeit, sich einen exklusiven User-Namen zu sichern.


Das von den belgischen Larian-Studios entwickelte "Baldur's Gate 3" wurde als Aufhänger für das Software-Lineup "missbraucht" – allerdings handelt es sich dabei um keinen Exklusivtitel.
Das von den belgischen Larian-Studios entwickelte "Baldur's Gate 3" wurde als Aufhänger für das Software-Lineup "missbraucht" – allerdings handelt es sich dabei um keinen Exklusivtitel.

Welche Games kann ich mit Stadia spielen?


An dieser Stelle wurde die Präsentation etwas blutleer: Zwar hat Google gleich zu Beginn der "Connect" das von vielen Rollenspielern seit Jahren herbeigesehnte "Baldur's Gate 3" gezeigt, aber das diesmal nicht von Bioware, sondern den Larian-Studios entwickelte RPG ist kein Exklusivtitel. Von den bekannten Blockbuster-Fabriken hat lediglich Ubisoft ein umfangreiches Produkt-Portfolio präsentiert, das neben "Assassin's Creed Odyssey" aus "The Division 2" und "The Crew 2" besteht, außerdem soll das für Jahresende angekündigte "Ghost Recon Breakpoint" ebenfalls zur Verfügung stehen. Square Enix wiederum steuert "Shadow of the Tomb Raider" und "Final Fantasy 15" bei, während Capcom sein jüngstes "Devil may cry" auf die Plattform schaufelt und Electronic Arts die obligatorischen "FIFA"-Kicker aufmarschieren lässt. Ebenfalls mit von der Partie: Bethesdas leider nur mittelprächtiges "Rage 2", der vor allem in Deutschland beliebte "Landwirtschaftssimulator", das jüngste "Mortal Kombat", "Dragonball Xenoverse 2" sowie zwei noch eher unbekannte Indie-Games - das "Stranger Things"-ähnliche Grusel-Adventure "Gylt" und das hektische Umzugs-Gewusel "Get packed".

Unter dem Strich kann man also damit rechnen, dass die meisten Spiele-Drittanbieter die Google-Plattform früher oder später ausprobieren werden und damit wenigstens mittelfristig ein reichhaltiges Produkt-Portfolio gesichert sein dürfe. Etwas enttäuschend war dagegen die bisher vollständige Abstinenz von Exklusiv-Games - also Spiele-Titeln, die einzig und allein an das Stadia-Ökosystem gekoppelt sind und der Plattform zu einem klaren Alleinstellungsmerkmal verhelfen.

 


Auch der vor allem in Deutschland beliebte "Landwirtschaftssimulator" wird über Stadia gestreamt.
Auch der vor allem in Deutschland beliebte "Landwirtschaftssimulator" wird über Stadia gestreamt.

Lohnt es sich?


Google hat bisher zwar nicht verraten, wie es um die Kündigungsfristen bestellt ist oder ob man kostenlose Testmonate anbieten will - aber vermutlich dürfte man sich wie bei anderen Streaming-Angeboten spontan und von einem Monat auf den anderen wieder aus dem Programm verabschieden dürfen. Auf diese Weise könnte man die Qualität des Dienstes relativ risikofrei ausprobieren, ohne in den Kaufpreis eines Spiels zu investieren.

Aktuell präsentiert sich Stadia nicht als ernstzunehmender Konkurrent für etablierte, durch eigene Exklusiv-Marken flankierte  Systeme wie PlayStation oder Xbox, sondern vielmehr als eine Art Streaming-App-Store. Wer über eine ausreichend leistungsfähige Internet-Leitung verfügt und entweder nicht in teure stationäre Spiele-Hardware investieren möchte oder seine Games immer und überall genießen möchte, für den könnte der Dienst interessant sein. Vorausgetzt, er kann auf große Namen wie "God of War", "The Last of Us" oder "Halo" verzichten.

 


Über kurz oder lang werden sich die meisten Drittanbieter an Stadia versuchen – darunter auch Bethesda, die den Dienst u.a. mit "Rage 2" und "Doom Eternal" versorgen.
Über kurz oder lang werden sich die meisten Drittanbieter an Stadia versuchen – darunter auch Bethesda, die den Dienst u.a. mit "Rage 2" und "Doom Eternal" versorgen.

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