Wenn Dating-Sim auf Strategie-Spiel trifft: "Fire Emblem: Three Houses"


 

KRITIK • Switch • Seit fast drei Jahrzehnten halten Nintendo und Intelligent Systems Strategie-Fans mit ihrer Ausnahme-Reihe "Fire Emblem" auf Trab. Doch der Markt für klassische Runden-Strategie ist so stark angeschlagen, dass sich die Entwickler dazu gezwungen sahen, dem Oldie eine mehr als dezente Neuausrichtung zu verpassen: "Three Houses" ist nicht nur das erste "Fire Emblem", das exklusiv für Nintendos Switch entworfen wurde. Obendrein kokettiert die ehemals fast ausschließlich auf knackige Rundengefechte reduzierte Serie jetzt mit Spielelementen, wie man sie sonst aus Dating- und Highschool-Simulationen kennt.

Für altgediente Serien-Veteranen, die bereits seit frühen 8-Bit- und 16-Bit-Tagen darum bangen, ihre liebevoll hochgezüchteten Charaktere für immer zu verlieren, wenn der Pixel-Hammer fällt, ist das leider eher eine Verschlechterung als Verbesserung. Aber tatsächlich hat die Dating-Komponente der "Fire Emblem"-Marke neuen Auftrieb gegeben: Gerade jüngere Spieler wandeln mit wachsender Begeisterung durch die Korridore, Klassenzimmer, Speisesäle und Gärten einer Hogwarts-ähnlichen Akademie, während sie mit Waffenbrüdern und -schwestern anbandeln, sich Neben-Missionen abholen oder Minispiele wie Angeln, Kochen und Singen bestreiten.

Wesentlich wichtiger ist allerdings eine andere Game-Komponente, die sich ebenfalls in den Räumlichkeiten des Taktik-Schlosses abspielt: Wer seine Einheiten verbessern und fein ausbalancieren will, der muss dafür Unterrichtseinheiten absolvieren - für geduldige Taktik-Füchse ein echtes Fest.

Kaum eine Blöße gibt sich das neue "Fire Emblem" dort, wo die Serie seit jeher Erfolge feiert - auf dem Schlachtfeld: Die traditionelle Zug-um-Zug-Strategie, bei der die Einheiten wie gewohnt über ein Schachbrettmuster auf dem Boden navigiert werden, ist so anspruchsvoll und knackig wie immer. Auch Komponenten wie Terrain oder Waffengattungen werden berücksichtigt, außerdem gibt es dank der Mitwirkung von Strategie-Profi Koei neuerdings sogar echte Massenschlachten.

 



 

Schade: Die Präsentation von 3D-Figuren und Terrain ist längst nicht so charmant geraten wie bei den letzten Handheld-Episoden der Serie. Stattdessen sieht "Three Houses" an dieser Stelle oft wie ein x-beliebiges Free-to-play- und Mobile-Game aus. Ebenfalls durchwachsen sind die zahlreichen Anime-Filmchen, mit denen die Entwickler ihre dick aufgetragene Fantasy-Geschichte erzählen: Die vorgerenderten 3D-Charaktere in den Pseudo-Zeichentricksequenzen wirken oft steril und sind mechanisch animiert.

Wer "Three Houses" alle Geheimnisse abringen will, kann locker 100 oder mehr Stunden auf dem Kontinent Fodlan verbringen - hat man es dagegen auf ein schnelles Durchmarschieren angelegt, ist das Manga-inspirierte Schlachten-Porträt nach 35 bis 50 Stunden vorbei. Spielt man die Kampagne nach dem Abschluss aus der Perspektive eines anderen der drei konkurrierenden Häuser durch, gewinnt man zwar neue Einblicke ins Kampfgetümmel, aber an den Schlüsselmomenten und dem Ausgang der Story ändert sich dadurch leider nichts.

Während sich anspruchsvolle Strategen in "Three Houses" über viel taktischen Tiefgang freuen, könnten sie sich gleichzeitig an den überlangen, Highschool-artigen Intermezzi zwischen den Kämpfen stören. Wer es dagegen auf genau diesen Teil des Spiels abgesehen hat, der sollte vor dem Start den Schwierigkeitsgrad der Schlachten nach unten schrauben und sie außerdem so einstellen, dass im Kampf gefallene Waffenbrüder nicht für immer verloren bleiben - ein "Fire Emblem"-typisches Element, das die Serie früher zu ausgesprochener Profikost gemacht hat.

 

Note: 7.5 (GUT)

 

 


WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend