Die totale Action-Kontrolle? "Control" im Test


 

KRITIK • PC, PS4, Xbox One • Übernatürliches Verwirrspiel mit esoterischer Note, "Matrix"-inspirierte Spezialfähigkeiten und dazu massiver Bleihagel: Mit Spielen nach dieser Rezeptur wurden die schwedischen Action-Spezialisten von Remedy berühmt, ihr finsterer Action-Held "Max Payne" gehörte zu den größten Baller-Ikonen seiner Generation. Danach schien zwar alles möglich, outete sich das vielversprechende Studio aber zugleich als eines der langsamsten Entwicklungs-Teams überhaupt: Eine über 15-jährige Partnerschaft mit Microsoft brachte gerade mal zwei Spiele hervor - das ebenfalls Action-angereicherte Horror-Adventure "Alan Wake" und das "Max Payne"-verwandte Zeitreise-Geschwurbel "Quantum Break", für das unter anderem Shawn Ashmore (gerade außerdem in "Man of Medan" zu sehen) vor der Kamera stand.

Inzwischen steht Remedy wieder auf eigenen Füßen. Das neue Möchtegern-"Max Payne" hört auf den Namen "Control" und entstand in Partnerschaft mit dem auf kleinere Produktionen und Indie-Games spezialisierten Hersteller 505 Games. Ob dass den schöpferischen Kräften der schwedischen Entwickler-Trolle gutgetan hat, ist allerdings fraglich: Weil 505 Games die kreative Leine offenbar ungewöhnlich locker gelassen hat, wuchert der paranormale "Mindfuck" bei "Control" so wild und ungezügelt in alle Richtungen, dass man manchmal den Eindruck bekommt, als hätte am Ende nicht mal der zuständige "Max Payne"-Autor Sam Lake noch den Durchblick gehabt.

Ist "Control" also am Ende selber außer Kontrolle geraten?

 

Zumindest für die US-Behörde, in deren Hallen, Gängen und Amtszimmern "Control" spielt, scheint das zu gelten: Die schlicht mit "Control" betitelte Instanz ist anders als die "Men in Black" wohl nicht für Notfälle der extraterrestrischen, sondern der interdimensionalen Art zuständig - oder zumindest liegt diese Vermutung nahe. Denn was wirklich hinter dem gigantischen Raum-Wirrwarr steckt, durch das Protagonistin Jesse auf der Suche nach ihrem verschollenen Bruder hechelt, das ist ähnlich schwer zu erklären wie zu verstehen. Während im Hintergrund Stimmen wispern und sich die Architektur immer wieder verändert, stöbert der Spieler nach Schriftstücken oder Audio-Kassetten, die zumindest etwas Licht in eine "Handlung" bringen, die ebenso unvermittelt anfängt, wie sie dem Spieler echte Erklärungen schuldig bleibt. Klarer Fall: Wer eine stringente und klar definierte Story schätzt, der ist bei "Control" an der falschen Adresse - denn nicht selten wirft das Abenteuer mehr Fragen auf als es erklärt und hat der Spieler die meiste Zeit über selber die Deutungshoheit über das Geschehen. Oder anders ausgedrückt: "Erklär's Dir bitte selbst - denn wir tun es nicht!"

 



 

Eine Herangehensweise, die man mögen muss, um Remedys bleihaltiges und manchmal auch ein bisschen willkürlich wirkendes Verwirrspiel schätzen zu können. Wer zum Beispiel eine Schwäche für fantastisch oder futuristisch aufgeladene Bürokratie-Kritik vom Schlage "Brazil" hat, ohne dass er für jedes Fitzelchen Geschichte eine Erklärung braucht, der könnte sich in Remedys fast schon abstrakter Spielwelt wohlfühlen.

Alles dreht sich und verzerrt sich, während Heldin Jesse mit ihren übernatürlichen Kräften Büro-Inventar- und Insassen schreddert, per Telekinese selbst schwerste Möbel spielerisch durch die Luft schleudert oder durch kraftvolle Psi-Stöße Feinde von den Beinen holt. Und natürlich die schwere, mit Upgrades veredelte "Amtswaffe" zückt, um die Gegner durch altmodischen Projektil-Beschuss zu durchsieben: In den Shooter-Sequenzen zeigen die Schweden, was sie am besten können - nämlich satte, kreative Action sowie brachiale Zerstörung inszenieren und den dafür nötige technologischen Unterbau austüfteln. Jesse hastet durch ein Schlachtfeld, in dem alles qualmt, splittert und so imposant zu Bruch geht, dass man sich daran gar nicht sattsehen kann. Schade nur, dass diese Sorte Spektakel in "Control" entweder viel zu selten oder gleich so oft hintereinander vorkommt, dass dem Spieler buchstäblich die Puste ausgeht. Entweder gibt es zwischen den Ballereien zu viel zielloses und langweiliges Gelatsche - oder man gönnt der launigen Action nicht die Zeit, die sie bräuchte, um im Gehirn des Spielers die nötige Wirkung zu entfalten. Dadurch wirkt Remedys jüngster Kawumm-Streich ein bisschen wie eine Tech- und Super-Power-Demo, der noch der nötige Design-seitige und erzählerische Unterbau fehlt.

Merke: "Control" hat nicht nur Schwierigkeiten dabei, sein Szenario-Durcheinander zu erklären - es hat obendrein ein empfindliches Timing-Problem. Wer diese Verfehlungen souverän ausblenden kann, bekommt allerdings einige der druckvollsten Feuergefechte der letzten Action-Jahre serviert. Obendrein ist "Control" genau dies Sorte engagiertes und sympathisches Singleplayer-Großprojekt, von denen es im Shooter-Genre heuer viel zu wenige gibt: Remedy bombardiert den Spieler nicht mit Ingame-Käufen oder Service-Game-Exzessven, stattdessen will man einfach eine Geschichte erzählen - auch wenn die manchmal viel zu wirr geraten ist.

 

Note: 7.5 (GUT)

 

 


WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend


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