Bleihagel und Kettensägenrasseln: Gears bleibt Gears


 

Aus "Gears of War" wird schlicht "Gears": Teil 5 der Action-Marke, die ursprünglich den Deckungs-Shooter erfand, tritt an, um wieder ein echtes Spektakel zu bieten. Diesmal übernimmt die aus Teil 4 bekannte Nebendarstellerin Kait die Führung, um der Herkunft der bestialischen Locust auf den Grund zu gehen.

 

KRITIK • Xbox One, PC • Vor 13 Jahren hat der heutige "Fortnite"-Hersteller Epic mit seinem Action-Dreiteiler "Gears of War" gleich mehrere Kunststücke auf einmal geschafft: den Deckungs-Shooter erfunden, maßgeblich zum Erfolg von Microsofts Xbox-360-Konsole beigetragen und dabei gleichzeitig gezeigt, wie toll moderne Spielwelten aussehen können, wenn man sie mithilfe der firmeneigenen "Unreal Engine" erschafft.

Heute ist die Xbox-Marke nicht mehr ganz so wichtig und spielen auch die "Gears" nicht mehr die erste Action-Geige - aber mit viel Mühe und einigen neuen Features will es der seit Teil 4 mit dem Serien-Erbe betraute Entwickler "The Coalition" jetzt noch mal genau wissen: Teil 5 soll die Shooter-Saga um den von den monströsen Locust heimgesuchten Planeten Seta wieder in die erste Action-Liga katapultieren.

Serien-Frontmann Marcus Fenix und sein nicht minder schießwütiger Sohn JD sind zwar nach wie vor mit von der Partie, aber spätestens ab Akt 2 des neuen Abenteuers geben die Testosteron-Klötze an die (etwas) zierlichere Kollegin Kait ab. Die hat - ebenso wie ihre verschollene Mutter - schon in "Gears of War 4" eine Art paranormaler Bindung zum Monster-Schwarm der zurückgekehrten Locust-Bestien bewiesen. Jetzt will man aufklären, was dahinter steckt.

 

Dafür kreuzt die frisch gebackene Hauptdarstellerin an der Seite von Kollege Del mit einem Segelschlitten durch Eis- und Sandwüsten - und wie ein Open-World-Held ist Kait nicht darum verlegen, den zentralen Story-Strang zu verlassen, um sich stattdessen Neben-Missionen zu widmen. Allerdings tut die neugewonnene Bewegungsfreiheit dem Abenteuer nicht immer gut - vielmehr raubt sie den sonst geradlinig erzählten "Gears"-Geschichten ihre Kompaktheit und bringt die filmische aufgezogene Erzählweise dezent aus der Balance.

 

Ebenfalls schade: Auf diese Weise zeigt der Entwickler zwar mehr von der "Gears"-Spielwelt als je zuvor - aber dafür fehlt der Feinschliff. Obwohl "Gears 5" auf muskulösen PCs sogar mit 8K-Darstellung auftrumpft, mangelt es den 3D-Modellen und Texturen an der nötigen Detailzeichnung. Auch die für ein stimmiges visuelles Gesamterlebnis so wichtige Art Direction scheint diesmal aus dem Ruder geraten zu sein. Fast hat man den Eindruck, als wäre das Studio durch die schiere Menge an zu erstellendem Grafik-Material derart überfordert gewesen, dass man notgedrungen auf ganz unterschiedlichen visuellen Niveau-Stufen gearbeitet hat. Das Ergebnis ist eine Gesamterfahrung, deren Grafikqualität von Gebiet zu Gebiet und Kapitel zu Kapitel manchmal so stark schwankt, als wäre man plötzlich in einem anderen Spiel gelandet.

 



 

Gleich geblieben ist dagegen die Kernmechanik des Spiels: Noch immer joggen die schwer gepanzerten Muskelmänner und ihre Anführerin von Kistenverschlag zu Kistenverschlag oder hechten von einem Felsen zum nächsten, um die grunzenden Feind-Bestien aus sicherer Deckung heraus mit Schuss-Salven und Granaten zu beharken. In den seltenen Nahkämpfen dagegen greifen die "Gears" zu Messer und Kettensägen-Aufsatz oder verpassen über den Boden kriechenden Gegnern den Gnadenstoß.

Echte taktische Tiefe entfaltet "Gears 5" Serien-typisch zwar nur im Multiplayer-Spiel, allerdings sorgen ein paar neue Features dafür, dass sich diesmal auch die Kampagne und das Singleplayer-Spiel etwas anspruchsvoller anfühlen - allen voran der  Roboter-Begleiter Jack: Der lässt sich mit allerlei Extras ausrüsten, die Kait & Co. zum Beispiel hinter einem Schutzschirm verbergen, sie unsichtbar machen und ihnen spontane Feuerfestigkeit verleihen oder ihre Feinde mit einem Energieblitz lähmen. Trotzdem lebt die mit bis zu zwei Freunden spielbaren Kampagne abermals von der filmähnlich aufgezogenen Inszenierung - nur ist die diesmal leider schwächer ausgefallen als gewohnt.

Wer darauf hoffte, dass die nach Teil 3 schwächelnde "Gears"-Reihe wieder an martialischer Kraft gewinnen würde, wird also leider ein wenig enttäuscht: Teil 5 ist so verzweifelt darum bemüht, größer, besser und vor allem auch etwas anders zu sein als seine Vorgänger, dass die Mischung am Ende von ihren eigenen Ambitionen sabotiert und aus der Balance gebracht wird. Dennoch dürfen sich eingeschworene Serien- und Action-Fans wieder auf brachiale Feuergefechte einstellen, die sie trotz einiger störender Längen bis zum Abspann bei Laune halten werden.

Bleibt nur zu hoffen, dass Entwickler The Coalition die Serie bald entweder konsequent neu erfindet oder aber sie endlich in den wohlverdienten Ruhestand schickt. Denn so gut der grundlegende Spielmechanismus vor acht Jahren noch funktioniert haben mag, so hat er sich inzwischen doch als zu unbeweglich entpuppt, um auf Dauer gegen die schnelleren und flexibleren Ego-Shooter bestehen zu können.

 

Note: 7.0 (GUT)

 

 


WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend