Opas Weltraum-Utopien: "Outer Worlds"


 

Über "Fallout 76" war die apokalyptische Fan-Gemeinde größtenteils enttäuscht, darum springt jetzt Obsidian mit seinen "Outer Worlds" in die Endzeit-Bresche: Das SciFi-Rollenspiel orientiert sich überdeutlich an Genre-Stoffen aus den 30er-Jahren und Bethesdas prominenter RPG-Serie.

 

KRITIK • PS4, Xbox One, PC • Ein ärmliches und aus einzelnen Wohn-Modulen zusammengeschweißtes Haus auf irgendeinem entlegenen Planeten in einer weit entfernten Galaxis. Draußen: hungrig schnüffelnde Monstrositäten und gierige Banditen. Drinnen: Ein Paradies für Beute-Jäger. Überall stapeln sich Kisten, futuristische Mülleimer, Container und andere Behältnisse, denen sammelwütige Helden entweder Ausrüstungs-Gegenstände entnehmen oder die man als Stauraum nutzt, um den Unrat hineinzulegen, den man gerade nicht brauchen kann. Denn wie im großen Bruder "Fallout" leidet der Held aus Obsidians Science-Fiction-Rollenspiel "Outer Worlds" unter chronischem Platzmangel. Kein Rucksack des Universums bietet genug Stauraum, um all die Klamotten, Waffen, Ressourcen und den vielleicht nur auf ersten Blick nutzlosen Krempel zu verstauen, mit dem die Rollenspielwelt den Charakter in Form einer Ausrüstungslawine überschüttet. Und wie in Bethesdas endzeitlicher RPG-Mär sucht sich der wackere Weltraum-Kundler systemische Lücken, um die Erkundung der fremdartigen Welten einfacher und komfortabler zu gestalten. Zum Beispiel, indem er erledigte Feinde und ihre tiefen Taschen als temporäres Ausrüstungs-Lager zweckentfremdet.

Dass sich "Outer World" in vielerlei Hinsicht wie ein Rollenspiel aus vergangenen Zeiten anfühlt, kommt nicht von ungefähr: Hinter dem Projekt stecken die kalifornischen RPG-Experten von Obsidian, die unter Genre-Fans gefeierte Titel wie "Knights of the old Republic 2", "Fallout New Vegas" oder "South Park: Stab der Wahrheit" hervorgebracht haben. Dabei hat sich das Studio den Ruf eines Genre-Experten erarbeitet, der besonders dann brilliert, wenn er weit verzweigte und komplexe Geschichten verhandeln darf, deren Ausgang der Spieler durch seine Entscheidungen maßgeblich mitbeeinflusst.

 



 

Da macht auch der Ausflug in die "Outer Worlds" keine Ausnahme: Die Geschichte von einem jäh aus Jahrzehnte-langem Kälteschlaf geweckten Weltraum-Siedler, der sich nun als Lasercolt-Schwinger betätigen und galaktische Kolonien aus dem Würgegriff korrupter Konzerne befreien soll, fühlt sich an wie ein Ausflug in die Zeit von Opas Weltraum-Utopien. Als man für "Flash Gordon" mit Wunderkerzen betriebene Raumschiffe an Fäden vor die Kamera hing und verschnörkelter Pop-Art-Zierrat wichtiger war als die Funktionalität des Gezeigten. Die Erzählung, die Obsidian aus diesen Motiven strickt, wuchert in Kilometer-langen (zwar deutsch übersetzten, aber leider nur englisch vertonten) Textbahnen über den Bildschirm, ist sperrig und manchmal schon fast unerträglich dick aufgetragen, aber auch gleichzeitig auf schrullige Weise charmant.

Abseits von viel Lesestoff nutzt Obsidian die aus "Fallout" gewohnten, Ego-Shooter-artigen Gefechte und viel Menü-Bürokratie, um den Spieler in seinen fremdartigen Kosmos voller verdrehter Felsformationen, knallbunter Pflanzen, Vogel-artiger Wolfshunde, galaktischer Trolle und Gasmasken-bewehrter Rabauken zu entführen. Ein souveränes Action-Erlebnis darf der Space-Cowboay allerdings nicht erwarten - dafür ist "Outer Worlds" zu kantig und zu sehr darauf bedacht, die Baller-Fassade hinter den Kulissen in ein Rollenspiel-Regelwerk zu übersetzen. Nur wer bereit ist, sich in die manchmal etwas klobig geratenen Spielmechanismen einzuarbeiten und sich durch endlose Dialoge zu wühlen, der wird mit einer interessanten Geschichte und (zumindest auf auf höheren Schwierigkeitsgraden) einem Regelwerk verwöhnt, das taktisch kluge Charakter-Entwicklung belohnt. "Outer Worlds" ist ein Fall für geduldige Insider, die sich gerne tief in Spielsysteme graben, um sie dann von innen zu sprengen.

 

Note: 8.0 (GUT)

 

 


WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend