Der Schlechtwetter-Racer: Need for Speed Heat


 

Seit einigen Episoden ist Electronic Arts' traditionsreiche Bleifuß-Reihe "Need for Speed" vom Pech verfolgt, jetzt will man es noch mal genau wissen: PC-, PS4- und Xbox-Fahrer erkunden in "Need for Speed: Heat" einmal mehr ein buntes Racer-Wunderland. Mit dabei: Super-aggressive Cops und Tuning-Optionen satt.

 

KRITIK • PS4, Xbox One, PC • Als Electronic Arts 1994 das erste "Need for Speed" für Panasonics 3DO-Konsole veröffentlicht, ist die 3D-Flitzerei so etwas wie die effektvollere und zugängliche Antwort auf die vergleichsweise spießige "Testdrive"-Reihe. Anders als bei den meisten Rennspielen brettert man hier nicht über die ewig gleichen Rundkurse, sondern prescht stattdessen über das öffentliche Straßennetz, wo man sich mit anderen Verkehrs-Rowdies und Gesetzeshütern spannende Verfolgungsjagden liefert.

25 Jahre später ist das seit einiger Zeit auch Open-World-seitig wuchernde Straßennetz der Serie zwar weiter gewachsen, aber eine Identitätskrise hat "Need for Speed" trotzdem: Spätestens seitdem die Marke mit dem 2013 veröffentlichten "Need for Speed" Rivals in die Hände des schwedischen Entwicklers Ghost Games überging, ist die Serie im Vakuum zwischen fahrerischem Anspruch, fremdschämig hippen Szene-Storys und dem Bestreben gefangen, eine eskalierende Echtgeld-Einkaufsbude für Ingame-Objekte zu etablieren.

Seit massiver Kritik am PS4- und Xbox-One-Einstand in "Rivals" versucht sich Ghost Games hartnäckig an einer Neuerfindung der Serie: Die schlicht mit "Need for Speed" betitelte Fortsetzung von 2015 sollte es wieder richten, fuhr den Hochglanz-Karren aber nur noch tiefer in den Spielspaß-Sumpf. Auch das 2017 nachgeschobene "Payback" schrammte mit seinen aufdringlichen Ingame-Käufen nur dicht am spielerischen Totalschaden vorbei.

Darum soll "Heat" jetzt endlich alles besser machen - wieder mal. Dafür verlegt die Serie den Schauplatz in die Miami-ähnliche Raser-Metropole "Palm City" - eine Art Schönwetter-Strandresort für Bleifüße, bei dem man das Gaspedal bis zum Anschlag durchdrücken darf, ohne sich Gedanken um Konflikte mit dem Gesetz zu machen oder die eigene gute Laune aufs Spiel zu setzen, weil man sich bei Regen oder Schlechtwetter-Exzessen durch die Schikanen quälen muss. Zumindest theoretisch: Denn wer in Palm City Raser-Karriere machen will, der kommt nicht umhin, auch nachts die Reifen durchdrehen zu lassen. Nur wenn Mond und Sterne am Himmel stehen, ist die Racing-hungrige Meute bereit, auch das Gesicht hinter dem Steuer wahrzunehmen und mit Social-Media-seitiger Hochstimmung zu belohnen.

 



 

Tatsächlich kennt "Heat" nämlich zwei Währungen: Die eine sind harte Ingame-Dollar und wandern direkt auf das Konto des Spieler-Avatars - die andere resultiert in einem steigenden Reputations-Meter. Wichtig sind am Ende beide: Geld wird in die schnell drehende Aufrüst-Spirale des Spiels investiert, um die Performance von Vehikel und Fahrer zu steigern - aber wer nicht bekannt genug ist, dem bleiben wichtige Upgrades und Racing-Events versperrt. Auch die Story des Spiels lässt sich nur abschließen, wenn man einen bestimmten Reputations-Level erreicht. Intensives Fleiß-Fahren, um immer mehr Punkte und Tuning-Teile zu erfahren, ist in "Heat" deshalb erste Raser-Pflicht. Wer geradlinige Rennspiele schätzt und in erster Linie einfach fahren will, ist beim neuen "Need for Speed" deshalb an der falschen Adresse. Immerhin hat Electronic Arts den aggressiven Ingame-Shop des Vorgängers "Payback" kastriert: In "Heat" ist Erfolg vor allem Fleißarbeit - und kein Ergebnis des dickeren Echtgeldbeutels.

Obwohl das Sommer-Sonne-Strand-Szenario etwas anderes suggeriert, spielt sich ein Gros der Asphalt-Action also bei Nacht ab - und tatsächlich sieht das Spiel dann auch merklich besser aus: Tagsüber enttäuscht "Need for Speed: Heat" durch visuellen Detailmangel, nachts wiederum wird dieses Manko durch tolle Beleuchtung und den fast allgegenwärtigen Regen aufgefangen, der die Straßen von Palm City in ein nasses, üppiges Farben- und Effekt-Meer verwandelt. Einfacher wird die Raserei dadurch aber nicht: Bei all den Lichtern und Spiegelungen den Überblick über den oftmals komplizierten Streckenverlauf zu behalten, gerät hier zum Fahrkunststück.

Besonders knifflig wird's, wenn man dabei die aggressiven Gesetzeshüter der Beach-Metropole am Heck kleben hat. Nacht-Rennen sind in Palm City nämlich illegal - und entsprechend skrupellos gehen die Cops vor, um allen Rasern den Spaß zu verderben. Für den Gamer ist's vor allem ein Spielspaß-Problem, denn die Duelle mit den hartnäckigen Ordnungswächtern sind eher nervig als spannend. Bevor man die hervorragend ausgerüstete Polizei endlich abhängt, ist das eigene Vehikel  ein qualmender Schrotthaufen und mit ihm ein empfindlicher Anteil dessen, was man sich vorher mühsam erfahren hat, dahin.

Das ist umso ärgerlicher, weil "Need for Speed" über all das Feature- und Tuning-Drumherum ein bisschen vergisst, worauf es in einem Rennspiel eigentlich ankommt – Fahrspaß. Das Gefühl, mit einem superschnellen Boliden durch Haarnadelkurven zu schlittern, während sich das gegnerische Fahrerfeld mit kreischenden Bremsen und qualmenden Reifen ineinander verheddert. An dieser Stelle gibt sich "Heat" überraschend leidenschaftslos und bietet – abgesehen von der Lust auf noch mehr Tuning-Teile – ziemlich wenig, was den Rennfahrer bei der Stange halten würde.

Nur wer es unbedingt auf ein umfangreiches Open-World-Racing mit brachialer Feature-Wut und den vielleicht fiesesten Cops der Genre-Geschichte abgesehen hat, fährt in Palm City Probe - vorausgesetzt, er muss auf das deutlich bessere "Forza Horizon 4" verzichten und hat eine Schwäche für nächtliches Rumgekurve.

 

Note: 7.0 (GUT)

 

 


WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend