Blutiger, schneller und ganz schön Feature-gespickt: "DOOM Eternal" will klassische Serien-Fans bedienen und die Reihe mit Jump'n'Run-Elementen gleichzeitig neu erfinden? Kann das gutgehen?
KRITIK • PC, PS4, Xbox One • Vier nach nach dem letzten "DOOM" graben id und Bethesda die höllische Dämonenjagd wieder aus: Für die erneute Rückkehr derjenigen Serie, die den
modernen Ego-Shooter überhaupt erst begründet hat, versucht man sich diesmal an einem mutigen Spagat aus "DOOM"-Klassik und neun, fast schon Adventure-artigen und sogar einigen
Jump'n'Run-verwandten Komponenten.
Inzwischen sind die Dämonen auf unserem Planeten angekommen - und während der "DOOM Slayer" mit seinem schwebenden (üppig aufrüstbaren) Palast in der Umlaufbahn des Globus rotiert, stapfen auf
Erdoberfläche gigantische Dämonen mit geschulterten Höllen-Palästen durch die Ruinen unserer Großstädte. Und zwischen ihren Füßen wimmeln genau die Monstrositäten, die "DOOM"-Fans der ersten
Stunde schon 1993 mit Plasma-Wummen beharkt, mit Schrotflinten zerfetzt oder mit der "Big Fucking Gun" (kurz "BFG") zurück in den Limbus geschickt haben - darunter schwebende, einäugige
Glibberkugeln, gehörntes Standard-Dämonenvieh, schwer bewaffnete Höllen-Soldaten, jede Menge sabbernd durch die Gegend torkelnde Untote, auf Stahlbeinen durch die Level-Landschaft staksende
Gehirn-Spinnen und die Hammerfaust schwingendes Bullengetier.
Mit denen macht der "DOOM-Slayer" - zumindest während der ersten Spielstunden - auf die gewohnte Weise kurzen Shooter-Prozess: "BUMM!" macht die Schrotflinte, "Ratatatata" klingt das
Stakkato-artige Geknatter des SciFi-MGs und "Wooosh!" rauschen die Energie-Entladungen eines Plasma-Geschützes durch den Rauch-geschwängerten Äther, während immer mehr Dämonen dem Ansturm ihres
Action-Scharfrichters zum Opfer fallen. Als zersägter, zermatschte oder zusammengefalteter Biomüll - denn für besonders eklige Abschluss-Manöver wird der "DOOM-Slayer" mit frischer Lebensenergie
belohnt. Oder - wenn er dabei die Kettensäge schnurren lässt - mit einem Platzregen aus Munitions-Clips. Dazu dröhnt eine verrockte und besonders bissige Version des Original-"DOOM"-Themas von
1993 aus den Boxen - begleitet von Grunzen, Stöhnen, Schuss-Gewummer und kreischenden Sägen. Die Hölle auf Erden!
Zugegeben: Nett klingt das nicht - aber noch immer ist das ultra-brutale "DOOM" eine augenzwinkernde Splatter-Gaudi wie von einem Heavy-Metal-Album-Cover aus der Zeit, in der das Ur-Spiel
entstand. Wirklich ernst nehmen kann man das unmöglich - wer allerdings ein besonders zartes Gemüt oder einen anfälligen Magen hat, der sollte es sich vielleicht zweimal überlegen, bevor er hier
auf Metzel-Tour geht.
Allerdings wechselt "DOOM Eternal" nach dem vielversprechenden und durchweg launigen Einstieg schlagartig die Gangart: Auf einmal wird aus der unkomplizierten und brutal entfesselten
Splatter-Gaudi Schritt für Schritt ein mit Features vollgestopftes Komplexitätsmonster, das sich teilweise nur schwer bändigen lässt: Da wollen Fertigkeiten gekauft, Runen verteilt,
Spezialmanöver erlernt, Waffen mit verschiedenen Upgrades beziehungsweise Unter- oder Unter-Unter-Upgrades veredelt und jede Menge andere Extras verwaltet, verteilt, aufgeteilt sowie sortiert
werden. All das serviert "DOOM Eternal" mit üppigem Menü-Salat und einer Flut aus Tutorial-Boxen - kurzum, das Spiel ist an dieser Stelle ungefähr so zugänglich wie eine Steuererklärung.
Hinzu kommt ein ganzer Fundus aus Jump'n'Run-inspirierten Bewegungs-Mechanismen, für deren Erlernen man dem Spieler viel zu wenig Zeit lässt: Bevor er Kletter-Manöver, Doppel-Hopser und
verschiedene Strategien zur Sprung-Verlängerung richtig verinnerlicht hat, wird er auch schon mit so langen, so tödlichen und so kniffligen Plattform-Kraxel-Passagen konfrontiert, dass selbst
kombinierten "DOOM"- und "Mario"-Profis die Zornesröte ins Gesicht steigt. Zumal das Ganze aus der Ego-Perspektive extra fummelig gerät: Es hat schon einen Sinn, warum die meisten Jump'n'Runs aus
der Verfolger- oder 2D-Perspektive stattfinden, denn auf diese Weise lassen sich Sprünge und Kraxeleien wesentlich präziser timen und ausführen. Klarer Fall: Hier übernimmt sich "Doom Eternal"
und überschreitet seine Genre-Kompetenzen ordentlich.
Wo "DOOM Eternal" dagegen so richtig punktet, das sind die vielen blitzschnellen und ausufernden Gefechte, bei denen sich der DOOM-Slayer in einen regelrechten Rausch ballert und wie eine
muskelbepackte Primaballerina durch die grunzenden Horden tänzelt. Oder wenn der Dämonen-Vernichter durch von organischem Glibber bedeckte Höllen-Sphären taumelt, während am Firmament die im
ewigen Todeskampf gefangenen Leichname riesenhafter Kreaturen über der Szenerie thronen. In diesen Momenten ist das neue "DOOM" noch stärker als sein direkter Vorgänger von 2016.
Die bemühten bis überladenen Versuche, der sonst Story-befreiten Serie so etwas wie eine eigene Mythologie zu verpassen, laufen zwar meistens ins Leere, aber immerhin macht dieses "DOOM"
atmosphärisch eine Menge richtig. Hätte man die Jump'n'Run-Einflüsse etwas gezähmt und es bei der Feature-Last nicht so dermaßen übertrieben, wäre das Resultat "großartig" - aber "DOOM Eternal"
will leider zu viel auf einmal. Resultat: Wenn die Kettensäge schnurrt, dann so richtig - aber zwischendurch kommt sie immer wieder ins Stottern.
Note: 8.0 (GUT)
WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend