Ein viertel Remake bitte: "Final Fantasy 7"


 

1997 hat "Final Fantasy 7" das japanische Rollenspiel-Genre neu erfunden und auf Jahrzehnte geprägt, jetzt kehrt die Genre-Legende zurück: Das zunächst PS4-exklusive Remake kommt mit gehörig aufgemotzter Grafik und tollen Effekten, bildet allerdings nur etwa ein Viertel des Original-Spiels ab.

KRITIK • PS4 • Mit prachtvollen, vorgerenderten Grafiken, wuseligen 3D-Akteuren und effektvoll inszenierten Magie-Beschwörungen hat Squaresofts "Final Fantasy 7" vor fast 25 Jahren das japanische Rollenspiel-Genre revolutioniert. Aus den knuffigen Pixel-Figuren der Gneration 16-Bit waren (vergleichsweise) erwachsene Polygon-Protagonisten geworden. Das Schauspiel, das sich während vergangener Hardware-Generationen nur im Kopf des Spielers zugetragen hatte, war zum filmreifen Spektakel geworden.

Oder zumindest kam es Rollenspielern in aller Welt so vor, als Squares Debüt-Episode für die erste PlayStation-Konsole 1997 dafür sorgte, dass die Verkaufszahlen der Sony-Konsole überraschend durch die Decke gingen. Aus heutiger Sicht ist "Final Fantasy 7" allerdings ein ziemlich kruder, behäbiger und von Rudimentär-Grafik dominierter Brocken, dem nur noch solche Gamer etwas abgewinnen können, die schon damals dabei waren.

Genau die richtige Zeit für eine Wiedergeburt: Nachdem Square Enix bei den letzten "Final Fantasy"-Episoden kein durchweg glückliches Händchen mehr bewies, will man die Fans jetzt mit einem Remake des Serien-Teils beschwichtigen, der bis heute als der ikonischste und beliebteste gilt. Die Geschichte vom Kampf des ehemaligen Elite-Kämpfers Cloud Strife gegen seinen zum übermächtigen Erz-Fiesling mutierten Ex-Kollegen Sephiroth sorgt bei Rollenspiel-Fans noch heute für verschwitzte Gesichter. Und Sephiroths musikalisches Thema – der "One Winged Angel" – gehört zu den am meisten gespielten und interpretierten Gaming-Musikstücken überhaupt.

 



 

Zugegeben: So gut wie früher funktionieren Story und Charaktere heute nicht mehr. Zu bemüht das hysterische Overacting der auf nahezu realistisches Maß gewachsenen 3D-Mimen. Zu kindlich-naiv ihr trotzig-rotziges Geschwafel und zu simpel die vermeintliche Umweltbotschaft von einem Planeten, der gigantische Monstrositäten auffährt, um sich gegen die Ausbeutung durch einen bösen Mega-Konzern zu wehren. Immerhin: Solange Menschen nicht schlauer werden, büßen Umwelt-Botschaften nichts von ihrer Aktualität ein.

Die Aussage hinter "Final Fantasy 7" ist demnach zeitlos, trotzdem tut sich Square Enix schwer damit, den Spagat zwischen japanischer Rollenspiel-Klassik und inszenatorischer Moderne hinzukriegen: Held Cloud, seine Jugendfreundin Tifa, Rebellenanführer Barret, Blumenmädchen Aerith und ihre Freunde sehen jetzt nicht mehr wie reduzierte Comic-Figuren, sondern wie echte Persönlichkeiten aus – aber sie tragen ihre Dialoge noch immer so vor, als wären sie kleine, kantige Polygon-Figürchen, die vom nerdigen Skript eines Fan-Autoren ablesen. Diese Diskrepanz zwischen hochprofessioneller Visualisierung auf der einen und dreidimensionalem Laienschauspiel auf der anderen Seite macht es mitunter schwer, das Dargebotene ernst zu nehmen. So ernst, wie "Final Fantasy 7" sich offenbar selber nimmt, denn Selbstironie geht dem Remake fast vollständig ab. Letztere entstand 1997 durch die knuffigen, grafisch reduzierten Figuren – aber inzwischen hat sie sich verabschiedet. Zusammen mit der fast schon kindlichen Inszenierungs-Unschuld, die 3D-Frühwerke Mitte der 90er gemeinhin auszeichneten. Was damals witzig wirkte, das wird heute durch die hochkarätige Präsentation als naiv und fremdschämig entlarvt.

Mit diesem Problem sieht sich "Final Fantasy 7" auch als Spiel, aber vor allem als Remake konfrontiert: Durch sein Traditionsbewusstsein und fast schon zu peniblen Fan-Service richtet es sich nicht in erster Linie an neue Abenteurer, sondern vor allem an jene Spieler, die schon 1997 durch die Gassen, Korridore, Hallen und Plätze der finsteren Fantasy-Stadt gestreift sind. Nur: Diese Zielgruppe ist inzwischen erwachsen, während die Erzählung des Spiels in den 90-er-Jahren hängen geblieben ist.

 



 

Wer sich allerddings bewusst dafür entscheidet, sein Gehirn auf narrativer Ebene in den Retro-Modus zu schalten, der kann all die bemüht coolen Sprüche und den künstlich aufgeblasenen Pathos gut ausblenden, den sich Square Enix auch 2020 entweder nicht verkneifen kann oder mag. Immerhin bietet das Abenteuer brachiale Schauwerte, die einen manchmal fast genauso staunen lassen wie 1997 beim ersten Anspielen des Originals. Wenn es um das visuelle Design geht, ist es den Entwicklern meistens gelungen, die Magie des PSone-Opas einzufangen – von der Echtzeit-Choreographie, mit denen sich Cloud & Co. in den nun Action-inspirierten Gefechten bösen Konzern-Schergen stellen bis hin zur visuellen Detailschärfe, die "Final Fantasy 7" in ein zwar weitgehend lebloses, aber trotzdem wunderschönes Grafik/Design-Museum verwandelt. Auch Haumauzus Version der im Original von "Final Fantasy"-Musikus Nobuo Uematsu komponierten Musikstücke entfaltet genau die Sorte Wucht, die man sich von einem gelungen präsentierten Remake wünscht: Die Neu-Interpretation spielt mit den kultigen Vorbildern, ohne sie dabei respektlos zu behandeln – genauso muss sich ein gelungenes Neu-Arrangement anhören.

Ähnliches gilt für das Kampfsystem, für das Square Enix vom Taktik-Modus des Originals in eine Art Action-Echtzeit wechselt, in der Cloud und Konsorten ihre Widersacher auf Button-Kommando verhauen, um dann und wann per Menü-Einblende einen Zauberspruch oder eine Spezialfähigkeit auszusuchen. Obendrein bleiben uns die vielen, vielen Zufallsbegegnungen aus dem Vorbild erspart: Wer sich 1997 noch darüber wunderte, warum ihm auf einem fünf Meter langen Steg oder in einem schmalen Korridor ganze Horden aus vierschrötigen Monster- und Roboter-Brocken begegnet sind, der darf aufatmen: Auch an dieser Stelle gibt sich das Remake angenehm zeitgemäß, indem es uns die Widersacher bereits VOR dem Gefecht zeigt und man uns obendrein den Wechsel in einen extra Kampfbildschirm erspart. Will heißen: Begegnung und Klopperei finden vor derselben Kulisse statt.

 

All das funktioniert locker aus dem Handgelenk, lässt sich auf Wunsch in einen besonders anspruchslosen, KI-gestützten Automatik-Modus umschalten und ist unter dem Strich mehr brachiale Endgegner-Schau als echte Herausforderung. Macht aber nix, denn überhaupt ist dieses Remake vor allem eins: eine einzige, große Liebeserklärung an das Original. Ohne Anspruch auf sonderlich viel Tiefgang, Neuerfindung, Reflektiertheit oder Vollständigkeit – denn das Remake bietet nur den Gang durch die Steampunk-Metropole Midgard. Und damit diejenigen Spielinhalte, die 1997 auf der ersten von insgesamt drei CD-ROMs enthalten waren. Wann der Rest kommt? Das steht in den Sternen.

Fans können sich also ziemlich sicher sein, genau das zu bekommen, was sie sich gewünscht haben – abgesehen vom Umfang natürlich. Zwar hat man das erste Spiel-Viertel von ehemals unter zehn auf ungefähr 35 Spielstunden gesteckt – aber diese Rechnung setzt voraus, dass man so ziemlich jede der neu hinzugekommenen und leider nicht selten langweiligen Neben-Missionen abarbeitet. Fazit: Das "FF 7"-Remake ist fulminant präsentierter Fan-Service, der es aber leider nicht immer schafft, sich von allen Altlasten des Originals zu befreien. Aber vielleicht will er das ja auch gar nicht. (Robert Bannert)

 

Note: 8.0 (GUT)

 

 


WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend