Der erste Vertreter des Deckungs-Shooters wird zum Strategie-Spiel: Microsoft und The Coalition schicken ihre Action-bewährten Muskelpakete ins Zug-um-Zug-Genre.
KRITIK • PS4 • Bullige Bodybuilder, die schwerfällig von Deckung zu Deckung joggen, dabei Salven in einen grunzenden Monster-Pulk ballern und zwischendurch gigantische
Boss-Kreaturen aus den Tiefen der Erde - pardon aus den Tiefen des Planeten Seta - in Fetzen sprengen. Mit diesem Szenario hat die ursprünglich von "Fortnite"-Publisher Epic Games produzierte
"Gears of War"-Serie jede Menge begeisterte Action- und Multiplayer-Fans auf Microsofts Xbox-360-Konsole gelockt. Obendrein gilt die Serie als Gründer des modernen Deckungs-Shooters, auch der
"Horde"-Modus, bei dem die Spieler zusammen eine Gegner-Welle nach der anderen vom Bildschirm putzen müssen, hat das Shooter-Genre nachhaltig geprägt.
Inzwischen wird auf der Nachfolge-Konsole Xbox One und auf PC geballert, außerdem sitzt statt Epic nun Microsofts Inhaus-Team "The Coalition" am Entwicklungs-Drücker. Und genau die haben sich für
für den neuen Ausflug auf den vom Monster-Krieg gebeutelten Planeten Sera ein ehrgeiziges Genre-Experiment gewagt: Statt brachialer Echtzeit-Action steht in "Gears Tactics" gemütliche
Zug-für-Zug-Taktik auf dem Spielplan - wie beim großen Vorbild "XCom".
Mit seiner erfolgreichen Rundenschlacht gegen extraterrestrische Invasoren haben Entwickler Firaxis und Publisher 2K Games das Genre der klassischen Zug-um-Zug-Schlachten schon vor einigen Jahren
erfolgreich wiederbelebt - nach langem Schattendasein im Angesicht übermächtiger "RTS"-Marken wie "Starcraft" oder "Command & Conquer". Inzwischen hat das Traditons-Genre die Nebenbuhler von
der Echtzeit-Front sogar überholt: Bedächtiges Tüfteln ist Bildschirm-Generälen gerade lieber als hektisches Akkord-Geklicke im Angesicht wuseliger Horden.
Und dafür eignen sich die muskelbepackten "Gears" besser als gedacht - immerhin spielt schützende Deckung bei kluger Zug-um-Zug-Tatik eine genauso große Rolle wie beim Action-seitigen Um-Mähen
von bulligen Locust-Drohnen. Tatsächlich ist es dem Team von "The Coalition" gelungen, die Action-Mechanismen der Vorlage so geschickt in ein taktisches Regelwerk zu übersetzen, dass "Gears
Tactics" keineswegs in Deckung zu gehen braucht - nicht mal hinter Firaxis prominentem Vorbild.
Das liegt zum einen an der cleveren Entscheidung, die Züge des Spielers nicht in die Genre-typischen Bewegungs- und Aktionsphasen zu unterteilen, sondern ihm stattdessen Aktionspunkte zu geben,
die er nach eigenem Gutdünken für alle möglichen Manöver ausgeben darf. Zum anderen an den geschickt aufeinander abgestimmten Einheiten, die alle mit individuellen Verhaltensweisen, Strategien
und Verhaltensmarotten aufweisen, die man bei cleverer Planung geschickt gegeneinander ausspielen kann. Und nicht zuletzt an einer rund 25-stündigen Kampagne, der es vielleicht an Wiederspielwert
mangelt, die aber mit prachtvoll präsentierter, wunderbar dreckiger "Gears"-Grafik und packend inszenierten Sequenzen aufwartet. Zugegeben: Erzählerischen Anspruch darf man von einem "Gears" wie
gewohnt nicht erwarten, stattdessen stehen wieder mal plumpe Macho-Sprüche auf dem Programm. Aber wer den "Gears"-typischen Fremdschäm-Faktor und eine manchmal fragwürdig agierende Künstliche
Gegner-Intelligenz verknuspern kann, der freut sich über eine vielleicht nicht fehlerfreie, aber angenehm pompös aufbereitete "XCom"-Alternative.
Note: 7.5 (GUT)
WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend