Aufstand der Lykaner: Resident Evil VII.I.age

 

Von Louisiana nach Rumänien: "Resident Evil 7"-Held Ethan Winters reist mit Kind und Kegel ins gruselige "Village" – pelzige und bissige Nachbarn inklusive. Für Besitzer von PC, PS4, PS5, Xbox One und Series X bedeutet das: gruselige, blutige, aber auch ungewohnt anspruchslose Stunden als Monster-Jäger.

 

KRITIK • PS5, PS4, Series X/S, Xbox One, PC • Die Familie Winters kommt einfach nicht zur Ruhe: Nachdem Held Ethan in "Resident Evil 7 Biohazard" seine Frau vor einem Clan aus untoten Südstaaten-Kannibalen befreien konnte, ziehen die beiden nach Europa. Aber die Ruhe währt nicht lange: Kaum hat man zusammen mit Baby Rose das neue Domizil bezogen, wird der Nachwuchs verschleppt und verschlägt es Ethan in ein Bergdorf fernab der Zivilisation - dafür mit einem beeindruckenden, darüber thronenden Schloss. Und hier ist der Teufel los: Während sich die letzten überlebenden Dorfbewohner verängstigt in verrammelte Bretterbuden und Keller kauern, streifen struppige, Werwolf-ähnliche Kreaturen durch die Straßen.

Klarer Fall: Dieses "Resident Evil" ist nichts für schwache Nerven. Die zwischen den Horror-Subgenres mäandernde  Geisterbahn setzt vor allem auf blutige Effekthascherei und formelhafte Schockeffekte. Das ist zwar nicht sonderlich innovativ, funktioniert aber die meiste Zeit hervorragend - vorausgesetzt, man hofft nicht auf zu viel spielerischen oder erzählerischen Anspruch.

Denn - wie so oft in der Serien-Geschichte - ist die Story hier vor allem ein Vehikel, das dem Zweck dient, ein Versatzstück der interaktiven Geisterbahn ans nächste zu kleben und das Gesamtgerüst dann irgendwo in der Serien-Mythologie verorten zu können. Hauptsache, es passt so einigermaßen. Ein paar lose Story-Enden, die irgendwo neben gruseligen Windspielen hilflos im Raum baumeln, sind ja nicht weiter schlimm - das sind die Fans längst gewöhnt.

Und außerdem: Wer sich ein "Resident Evil" zu Gemüte führt, der erwartet vermutlich keine virtuose Erzählkunst, sondern vor allem eine deftige, mit Objekt-Puzzles angereicherte Zombie- und Monster-Schlachtplatte. Und auf dieser Seite funktioniert auch "Resident Evil 8" hervorragend: Während Ethan das Dorf von wütenden, zähnefletschenden Möchtegern-Werwölfen befreit oder sich in Häusern verschanzt, um die Kreaturen eine nach der anderen ausschalten zu können, werden Erinnerungen an das anfangs ähnlich strukturierte "Resident Evil 4" wach. Das schlug 2005 eine ähnlich schnelle und Action-lastige Gangart ein, als es Protagonist Leon Kennedy ebenfalls in ein gottverlassenes Nest verschlug. Nicht in Rumänien, sondern in Spanien - aber die Parallelen sind unübersehbar.

 



 

Das gilt auch für die verschiedenen Endgegner-Anwesen, für die das Dorf als eine Art zentraler Verkehrs-Hub fungiert, über den der Held zwischen den verschiedenen Szenarien hin und her wechselt. Vorausgesetzt, er hat vorher den richtigen Schlüssel erobert. Obwohl sich das neue "Resident Evil" mit Ego-Perspektive und viel zeitgemäßem Inszenierungsbombast wie ein moderner Blockbuster gibt, ist es im Kern noch immer das gleiche, manchmal starre und unbewegliche Survival-Abenteuer wie 1996. Das gilt für absurde künstliche Grenzen wie die vor einer geöffneten Tür liegenden Rüstung, über die Ethan aller Heldenkraft zum Trotz nicht hinweg steigen kann, ebenso wie für das vermeintlich frei begehbare Dorf, dessen Straßen aber in Wahrheit genauso funktionieren wie die Gänge und Flure im Herrenhaus des allerersten Teils.

So verwunderte es kaum, dass Ethan eine Fähigkeit vermissen lässt, die in fast allen Ego-perspektivischen Spielen seit jeher Usus ist: Er kann nicht springen. Und das aus gutem Grund - denn Sprünge würden unangenehme Game-Design-Fragen aufwerfen, die auch dieses "Resident Evil" nicht zufriedenstellend beantworten könnte. Fragen wie: Warum muss ich erst über die halbe Karte latschen und absurde Umwege in Kauf nehmen, um auf die andere Seite eines Gatters zu gelangen, das man mit einem beherzten Sprung- oder Kletter-Manöver mühelos hätte überwinden können? Aber das würde nicht in das starre Regelwerk der Horror-Serie passen, die sich seit jeher darüber definiert, dass die Game-Designer den Spieler über enge Pfade und durch streng nach Skript stattfindende Ereignisse lotsen. Damit der sich zünftig gruseln darf. Wie in einer Geisterbahn, in der man gelegentlich nach links oder rechts abbiegen und einen Schlüssel aufheben darf, in der aber trotzdem genau festgelegt ist, wann das Skelett oder Fallbeil von der Decke kracht.

Wer kein Problem damit hat, diese Sorte "Spiel-Vertrag" mit blutroter Tinte zu unterzeichnen, der wird in "Resident Evil: The Village" willfährig seine Seele verlieren. Und gebannt der drei Meter großen Vampir-Lady Dimitrescu, schon jetzt Liebling vieler Cosplayer, dabei zusehen, wie sie sich aus für sie viel zu kleinen Gängen und Türen schält. Mit staunendem Blick die Höfe, Zinnen und Gemächer prachtvoller Schlösser oder Spukhäuser erkunden und begeistert mit vorgehaltener Schrotflinte Monstrositäten über den Haufen schießen. Um ihre kristallinen Überreste anschließend beim super-adipösen "Duke" gegen Munition und Upgrades für seine Bleispritzen einzutauschen. Damit man noch mehr Werwölfe entleiben, Untote zu Staub zerblasen und bildschirmfüllende Boss-Brocken tranchieren kann.

Schade nur, dass der für die Serie sonst bezeichnende Faktor "Survival Horror" diesmal reichlich kurz kommt: Selbst Genre-Neueinsteigern dürfte es in dem mit reichlich Ressourcen gespickten "Village" nicht allzu schwer fallen, zu überleben. An dieser einen Stelle verleugnet "Resi" sein Erbe also doch ein bisschen: Breiten-Wirksamkeit war den Designern diesmal wichtiger als der nackte Überlebenskampf, der das Genre sonst auszeichnet.

 

eletrospieler meint: Effektvolle Ego-Geisterbahn, die vor allem durch ihre bombastische Inszenierung punktet, aber leider zu unentschlossen zwischen modernem Horror- und klassischem "Resident Evil"-Gameplay umher schlingert. Mit künstlichen Grenzen, wo eigentlich Bewegungsfreiheit angesagt wäre und bizarrem Story-Wildwuchs, wo man dringend eine Heckenschere gebraucht hätte.

 

Note: 8.0 (GUT)

 

 


WERTUNGEN: 1.0, 1.5, 2.0 = ungenügend • 2.5, 3.0, 3.5 = mangelhaft • 4.0, 4.5, 5.0 = ausreichend • 5.5, 6.0, 6.5 = befriedigend • 7.0, 7.5, 8.0 = gut • 8.5, 9.0, 9.5 = sehr gut • 10 = bahnbrechend